Eklat im Spital Interlaken | 8. Juni 2016
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«Wir wollen, dass der Spitaldirektor zurücktritt»

Die Entlassung des Chefarztes der Chirurgie Arnold Kohler durch die Geschäftsführung und den Vorstand der Spital fmi AG schlägt weiter hohe Wellen. Jetzt weigern sich Hausärzte, Patienten zu überstellen. Diese Zeitung sprach mit Martin Isler, Präsident des Berner Oberländer Ärztenetzwerkes.
von Dennis Rhiel

Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Verwaltungsrat der Spital fmi AG um Verwaltungsratspräsident Robert Zaugg und Spitaldirektor Urs Gehrig den langjährigen Chef der Chirurgie des Spitals, Arnold Kohler, abgesetzt haben (diese Zeitung berichtete). Dieser Zeitung liegen E-Mails vor, in denen sich die Ärzteschaft massiv über die Absetzung Kohlers beschwert. In einem Interview äusserte sich Robert Zaugg zu der momentanen Situation. Man habe die Entscheidung schweren Herzens getroffen, erachte die Sache aber eigentlich als unternehmensinterne Angelegenheit.

Dass man dies wohl nicht nur als Interna ablegen kann, zeigt jetzt eine Mitteilung des Ärztenetzwerkes Beodocs, bei dem Arnold Kohler ebenfalls Mitglied ist. Das Netzwerk schreibt auf seiner Website: «Der Vorstand von Beodocs hat am 7. Juni seinen Mitgliedern empfohlen, dem fmi-Spital Interlaken keine Patienten mehr zuzuweisen, bis die Strategie des Spitals, die zur Entlassung von Arnold Kohler geführt hat, transparent wird und diskutiert werden kann.» Ausserdem ist man besonders unzufrieden mit Urs Gehrig, dem amtierenden Spitaldirektor. Laut den im Netzwerk zusammengeschlossenen Hausärzten trägt Gehrig die Hauptverantwortung «für die zunehmende Entfremdung des Spitals von seinen Zuweisern». Diese Zeitung sprach mit dem Brienzer Hausarzt, Martin Isler, Präsident des Ärztenetzwerkes Beodocs, über den Boykott.

Das Spital fmi wird von ökonomischen Verwaltern geführt

Martin Isler Präsident des Ärztenetzwerkes Beodocs
Die Spital fmi AG hat keine Medienmitteilung zur Absetzung von Arnold Kohler veröffentlicht. Wie haben Sie von der Sache erfahren?

Martin Isler: Wir wurden mit einem Schreiben der Spitaldirektion orientiert, dass sich der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung von Arnold Kohler getrennt haben. Wir sind dem dann nachgegangen und haben das verifizieren können.

Der Verwaltungsratsvorsitzende der Spital fmi AG, Robert Zaugg, sagte gegenüber dieser Zeitung, dass ein langer Prozess und viele Diskussionen zu diesem Schritt geführt hätten …

Für Arnold Kohler und für uns kam die Sache sehr überraschend und plötzlich. Weder er noch wir haben mit dieser Entscheidung aus heiterem Himmel gerechnet. Es ist für uns völlig unverständlich.

Sie machen auf Ihrer Website www.beodocs.ch explizit die Geschäftsleitung, namentlich Urs Gehrig, für die aktuellen Missstände verantwortlich.

Das ist richtig. Ich habe Urs Gehrig auch eine persönliche Mail geschickt und ihn zum Rücktritt aufgefordert.

Warum?

Er ist der operative Kopf des Spitals und trägt somit letztlich die Verantwortung für die Abschottung und die zunehmende Kommerzialisierung des Betriebes. Wir sind nicht mehr bereit, dass unser Spital – und ich sage hier bewusst «unser Spital», denn in erster Linie ist es ein Spital für die Patienten der Region, in dem Menschen geholfen werden soll – massgeblich von ökonomischen Verwaltern geführt wird und die Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung immer weiter in den Hintergrund tritt. Wir als Hausärzte brauchen und wollen das Spital. Wir möchten gerne mit ihm zusammenarbeiten und eine vernetzte Versorgung anbieten können. Aber das geht nicht, wenn die Spitalleitung völlig eigenmächtig ihren Weg der Gewinnmaximierung geht. Arnold Kohler hat immer versucht, das Beste für die Patienten, das Spital und seine Mitarbeiter zu erreichen. Er war für uns Beodocs immer eine Brücke zum Spital und hat auch versucht, unsere Anliegen vorzubringen.

Es wird von Unstimmigkeiten hinsichtlich der strategischen Ausrichtung gesprochen. Über die genauen Hintergründe haben Sie keine weitergehenden Informationen?

Diese Strategie ist uns völlig unklar und wurde auch nie nach aussen kommuniziert oder mit uns diskutiert. Aber nochmals: Es kann nicht sein, dass ein so schwerwiegender Entscheid, den Chef der Chirurgie eines Spitals abzusetzen, ohne Absprache mit den zuweisenden Ärzten einfach so passiert.

Was sind die nächsten Schritte?

Der Vorstand unseres Netzwerkes Beodocs hat vorerst einmal seinen Mitgliedern als zuweisenden Hausärzten in einem Brief empfohlen, das Spital Interlaken nicht mehr als «first provider» – das heisst privilegierten Anbieter – zu nutzen und mit den Patienten Alternativen zu suchen. Die Hausärzte eines Ärztenetzwerkes haben ja vor allem die Aufgabe, Patienten mit entsprechenden Krankenversicherungsmodellen nach qualitativen Kriterien zu «steuern». Wir werden jetzt vorerst einmal die Netzpatienten am Spital Interlaken vorbeizusteuern versuchen, um den Druck zu erhöhen, dass sich endlich etwas ändert. Der ärztliche Bezirksverein ABV, dem alle Ärzte der Region angehören, wird am Donnerstag, 16. Juni, zu seiner Sommerversammlung zusammenkommen. Dazu ist auch Robert Zaugg eingeladen, um Klarheit in die Sache zu bringen.

Sie wollen also im Moment keine Patienten mehr an das Spital Interlaken überweisen. Was bezwecken Sie damit, und wo schicken Sie die Patienten stattdessen hin?

Wir wollen, dass sich endlich etwas bewegt, dass wir mehr Einfluss auf die Entwicklung des Spitals nehmen können und dass unsere Anliegen ernst genommen werden. Wir wollen zeigen, dass ein Spital von der Grösse und der Lage von Interlaken auf uns Hausärzte und Zuweiser angewiesen ist. Das hat Urs Gehrig bis heute nicht begriffen. Deshalb wollen wir, dass er zurücktritt. Wo wir die Patienten hinschicken, werden wir sehen. Selbstverständlich entscheidet am Schluss der Patient, in welchem Spital er sich behandeln lassen will. Fürs Erste haben wir im Spital Thun angeklopft, um sicherzustellen, dass es zu Beginn unserer Aktion keine Engpässe gibt. Wichtig ist jetzt auch, dass das Personal und auch die Kaderärzte im Spital intern den Druck erhöhen, damit sich etwas ändert und wir endlich einen Neuanfang machen können.

Wie geht es Arnold Kohler, und wissen Sie, was seine nächsten Schritte sind? Wird er das Angebot des Spitals eventuell annehmen?

Darüber möchte ich keine Auskunft geben.

Das Ärzte-Netzwerk Beodocs …

… wurde 2003 als Verein im östlichen Berner Oberland gegründet. Im Jahre 2011 eröffnete das Ärzte-Netzwerk Beodocs für Patienten, Interessierte sowie die angeschlossenen Ärzte eine eigene Geschäftsstelle welche beratend oder abklärend kontaktiert werden kann. 2012 stiessen viele Spiezer-Ärzte dazu und wurden mit im Simmental ansässigen Ärzten ergänzt. Beodocs ist dem Schweizerischen Dachverband «med-swiss.net» angeschlossen. Der Verein umfasst aktuell 59 Mitglieder aus Grundversorgung, Spezialarzt- und Spitalmedizin.

Die Erklärung von beodocs im Wortlaut

Oberländer Hausärzte sind unzufrieden mit dem fmi Spital Interlaken!

Der Vorstand von beodocs hat am 07.06.2016 seinen Mitgliedern empfohlen, dem fmi-Spital Interlaken keine Patienten mehr zuzuweisen, bis die Strategie des Spitals, die zur Entlassung von Arnold Kohler geführt hat, transparent wird und diskutiert werden kann. Im Zentrum der Kritik steht der Direktor Urs Gehrig, welcher für die Oberländer Hausärzte den Hauptteil der Verantwortung für die zunehmende Entfremdung des Spitals von seinen Zuweisern trägt.

Der Vorstand beodocs dankt allen Zuweisern für die Unterstützung und den Patienten für ihr Verständnis.

Im Namen des Vorstandes

Martin Isler, Präsident