Bei wenigen Gegenstimmen trifft der Kreistag eine Richtungsentscheidung. Zwei große Häuser in der Kreisstadt und in Bietigheim bleiben, Marbach bekommt einen Gesundheitscampus und eine Belegklinik.

Ludwigsburg - Als sich der Kreistag an diesem heißen Freitag zur endgültigen Abstimmung trifft, sind die entscheidenden Weichen bereits hinter den Kulissen gestellt. Die Mehrheitsverhältnisse sind klar: CDU, Freie Wähler, FDP und ein Teil der Grünen stehen zur Zentralisierung an zwei Standorten, auch die Marbacher Kreisräte haben das längst erkannt – und das Beste draus gemacht. Nämlich möglichst viel an Ausgleich dafür herausgehandelt, dass nach 100 Jahren „ihr“ Krankenhaus Geschichte ist.

 

Angesichts des breiten Konsenses dauert es fast zwei Stunden, bis der grüne Fraktionschef Peter-Michael Valet den Kreisräten eine kritische Stellungnahme entgegenhält: „Wir beschließen heute das Ende des Marbacher Krankenhauses.“ Er vermutet gar, dass es irgendwann nur noch einen „Krankenhausturm im Tammerfeld“ gebe – das also der ganze Landkreis eines fernen Tages nur noch ein einziges Krankenhaus an der Autobahn hat.

Der Landrat mit dem Nasenring?

Aus Sicht der Kritiker bedeutet die Zentralisierung der Kliniken der Verlust von Lebensqualität. Eine Sichtweise, die sonst nur noch die Linken-Fraktion teilt. „Sie ziehen die politischen Gremien am Nasenring hinter den Gutachtern her, und die große Mehrheit im Kreistag folgt ihnen unterwürfig“, schimpft etwa der Linken-Sprecher Hans-Jürgen Kemmerle. Doch das sind eher Fußnoten. Vertreter aller Fraktionen bis hin zu FDP-Kreisrat Johann Heer sehen sich vor die Wahl gestellt, immer höhere Defizite zu decken oder kleine Standorte zu schließen – wenn die Kliniken nicht privatisiert werden sollen. Und das will in der Kreispolitik niemand.

Die politischen Schwergewichte jedenfalls haben sich arrangiert – in Marbach hat man die Chance erkannt, neue Abteilungen zu bekommen und befürchtet, bei einer Fundamentalopposition wie seinerzeit bei der Schließung der Vaihinger Klinik am Ende mit leeren Händen dazustehen.

Allerdings wollen die Marbacher, rhetorisch angeführt von ihrem Kreisrat und Ex-Bürgermeister Herbert Pötzsch, in letzter Sekunde noch etwas mehr aushandeln als den noch reichlich wolkigen „Gesundheitscampus“ mit Dienstleistungen und die vage Aussicht auf Belegklinik, Reha und Psychiatrie. Denn bei Magenspiegelungen und anderen 800 so genannten gastroentrologischen Untersuchungen im Jahr ist Marbach spitze, das will man zumindest zum Teil erhalten. Und so stellen die Freien Wähler den Antrag, eine Gastro-Ambulanz als Außenstelle der großen Häuser einzurichten.

Dies ist im übrigen auch eine Forderung des Marbacher Gemeinderates. Der Landrat Rainer Haas hat bei einem Gespräch vorab schon wohlwollende „Prüfung“ zugesichert, doch das reicht Pötzsch oder dem Marbacher SPD-Rat Heinz Reichert nicht, sie wollen eine feste Zusage. Der Kreischef versucht es in der ihm eigenen Art mit einem Kompromiss: „Hundertprozentig versprechen kann ich das nicht, aber mit aller Kraft darauf hinarbeiten.“

Marbach will in letzter Sekunde noch mehr

Das bleibt aber die einzige echte Kontroverse an diesem Tag. Ansonsten bemühen sich alle Redner, in die Zukunft zu schauen. Der Klinikholding-Geschäftsführer Jörg Martin bemüht noch einmal das Bild von der Schwarzwaldklinik und Professor Brinkmann als allumfassender Experte, den es nicht mehr gebe. Nicht nur dieser Vergleich, sondern die meisten viele der Reden sind schon oft gehalten und wiederholen Bekanntes. Am Ende gibt es acht Gegenstimmen und wenige Enthaltungen, so dass die Kreisräte schnell zum gemütlichen Teil des Nachmittags übergehen können – in Form von süßen Stücken und Wurstplatte.

Interessant sind die Zwischentöne. So stellt der als Gutachter bestellte Professor Boris Augurzky die These auf, dass die RKH-Kliniken Holding bundesweit Vorreiter sei in Sachen Konzentration und Spezialisierung – und dass der Trend vor allem die kleinen Häuser unter 150 Betten in ganz Baden-Württemberg erfassen wird.