Deutscher Blick auf das Schweizer Gesundheitswesen

Der Wettbewerbsgedanke sei gegenüber europäischen Vergleichsländern ausgeprägter, solle aber nicht Selbstzweck sein, sagen zwei Experten aus Deutschland.

Christof Forster
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Blick in ein Zimmer mit Aussicht im Bettenhaus Triemli. (Bild: Ennio Leanza / Keystone)

Blick in ein Zimmer mit Aussicht im Bettenhaus Triemli. (Bild: Ennio Leanza / Keystone)

Im Schweizer Gesundheitswesen herrscht regulierter Wettbewerb. Für die einen zu viel, für die anderen zu wenig. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern seien die wettbewerblichen Elemente in der Schweiz ausgeprägter, sagte der deutsche Ökonom Volker Ulrich am Dienstag an einer Veranstaltung des Krankenkassenverbands Santésuisse. Wettbewerb sei indes kein Selbstzweck. Er sei dann sinnvoll, wenn er zu einer besseren Gesundheitsversorgung der Bevölkerung führe.

«Wenn wir wüssten, welches die beste Versorgungsstruktur ist, brauchten wir keinen Wettbewerb», sagte Herbert Rebscher, Chef des deutschen Krankenversicherers DAK Gesundheit. Doch weil dies nicht bekannt sei und sich die optimale Struktur aufgrund des Wandels in der Bevölkerung verändere, biete der Wettbewerb ein interessantes Versuchslabor. Beide Votanten betonten, dass dabei nicht Risikoselektion gemeint sei. Dies ist laut Rebscher das Unproduktivste, was Wettbewerb leisten kann. Ulrich empfiehlt der Schweiz, den Risikoausgleich mit dem Krankheitszustand der Versicherten zu ergänzen, damit er besser greife. Der Risikoausgleich funktioniert indessen in der Schweiz mittlerweile gut, was sich im Verschwinden der Billigkassen zeigt. Zudem wird er per 2020 mit der Aufnahme der pharmazeutischen Kostengruppen als Krankheitsindikator für den ambulanten Bereich weiter verfeinert.

Zu lange wurde laut Ulrich der Wettbewerb um Versicherte als zentral betrachtet. Dabei liege das ökonomische Herzstück des Wettbewerbs beim Leistungsmarkt. Dabei sei Wettbewerb über die Qualität und nicht über den Preis gefragt.

Rebscher hält den Krankenkassen den Spiegel vor. Diese sollten nicht nur Reformen von der Politik fordern, sondern eigene Modelle entwickeln. Viel zu erreichen sei bei jenen 20 Prozent der Versicherten, die 80 Prozent der Gesundheitskosten verursachten.

Laut Santésuisse-Direktorin Verena Nold gibt es Krankenkassen, die beispielsweise für Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen spezielle Versicherungsmodelle anbieten. Dabei habe sich aber gezeigt, dass die Ärzte sehr skeptisch seien gegenüber Versicherern, die beim Behandlungsprozess mitredeten. Eine Alternative seien HMO-Modelle, bei denen der Arzt Ansprechpartner sei. Eine wichtige Rolle spiele die Qualität, sagte Nold. Santésuisse unterstützt die Arbeiten der nationalrätlichen Gesundheitskommission für mehr Qualität im ambulanten Bereich. Damit könnten bis zu 20 Prozent der Kosten eingespart werden.