Für diesen Rettungsplan hat der Runde Tisch zum Erhalt der Radolfzeller Geburtshilfe intensiv suchen müssen. Zwei dicke Gutachten belegen: Das Honorar-Belegarzt-Modell ist juristisch die einzige Möglichkeit den drei Belegärzten am Radolfzeller Krankenhaus das Arbeiten weiterhin zu ermöglichen. Und um den umzusetzen, müssen alle Beteiligten tief in die Tasche greifen.

Am 19. Dezember wird der Kreistag über eine Beteiligung entscheiden. Ob der Kreis die höheren Kosten mittragen wird, ist die Frage. Wenn das Votum negativ ausfällt, schließt die Geburtshilfe zum Jahresende. Andrea Jagode, Pressesprecherin des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz (GLKN), teilte zwar mit, es gebe in den Geburtenstationen Singen und Konstanz noch "Luft nach oben". Matthias Groß, einer der Belegärzte am Radolfzeller Klinikum bezweifelt das: "Wir haben schon viele Frauen aufnehmen müssen, die in Singen keinen Platz mehr bekommen hatten." Vor allem die Geburtsstation in Singen sei an ihren Kapazitätsgrenzen, hunderte weitere Schwangere könnten sie nicht versorgen. Die Frauen müssten viel weitere Wege, bis nach Konstanz, Überlingen oder Tuttlingen auf sich nehmen. Landrat Frank Hämmerle äußert sich zu diesem Thema auf Nachfrage gar nicht. Er wolle der Diskussion im Kreistag nicht vorwegnehmen. Der Landrat wollte auch nicht die aktuellen Versorgungslage an den Krankenhäusern kommentieren.

Von den rund 500 Geburten in Radolfzell kommen laut Statistik der Stadtverwaltung nur 55 Prozent aus Radolfzell, der Rest kommt aus dem übrigen Landkreis. Für Groß ist das die deutlichste Aussage und ein Arbeitsauftrag für ihn und seine Kollegen: "Die Frauen haben mit den Füßen abgestimmt, wo sie ihre Kinder bekommen wollen." Die Radolfzeller Geburtenabteilung genießt einen guten Ruf, vor allem wenn die Schwangerschaft unkompliziert verläuft. Mit 17 Betten und der naturnahen Lage auf der Mettnau bietet die Station mehr Ruhe als die wesentlich größeren Kliniken in Singen oder Konstanz. das ist den Frauen wichtig", weiß Groß.

Doch das ist nur die emotionale Seite. Die harte Kosten-Seite sieht weniger idyllisch aus. Durch das Honorar-Belegarzt-Modell entstünde dem GLKN jährlich ein Defizit von etwa 400 000 Euro. Auch hier sind die Belegärzte keine Angestellten des Krankenhauses, sondern bleiben Belegärzte. Sie bekommen aber vom Krankenhaus eine Vergütung für ihre stationären Tätigkeiten. Die Abrechnung dieser Leistungen mit den Krankenkassen erfolgt über das Krankenhaus, die Ärzte sind bei diesem Modell über die Haftpflichtversicherung der Betriebsgesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum mitversichert. Die drastisch gestiegenen Versicherungsprämien sind der Grund, warum die Radolfzeller Geburtshilfe auf der Kippe steht. Eine direkte finanzielle Unterstützung von Seiten des GLKN oder der Stadt ist illegal. Die Verwaltung setzt sich jedoch sehr für den Erhalt der Geburtshilfe ein und möchte über den Spitalfonds, der am Krankenhaus Radolfzell beteiligt ist, einen Teil der Mehrkosten übernehmen.

"Uns ist völlig klar, dass wir entgegen dem Wunsch der Bundesregierung handeln, welche im Gesundheitswesen mehr Zentralisierung fordert. Aber wir sind bereit, für diese Sondersituation zu bezahlen", sagt OB Martin Staab. Die Hilfe des Kreises sei jedoch unerlässlich, so Staab. Auch der Spitalfonds habe eine Obergrenze der finanziellen Unterstützung. Mehr als 160 000 Euro dürfen rechtlich nicht übernommen werden.

Der Kreis solle sich nach dem Bestellerprinzip der Leistung der Geburtshilfe am Radolfzeller Krankenhaus an den Kosten beteiligen, wie auch die Belegärzte selbst. Für den Aufsichtsrat des GLKN hingegen ist der Erhalt der Radolfzeller Geburtshilfe "nicht zwingend erforderlich", wie in einer Stellungnahme mitgeteilt wird. Das finanzielle Risiko dürfe nicht zu Lasten des Verbundes gehen, außerdem sei aus Sicht des Aufsichtsrates mit den Geburtshilfen in Konstanz und Singen der Bedarf des Landkreises abgedeckt.

 

Proteste

Bereits Anfang Oktober demonstrierten rund 150 Menschen auf dem Radolfzeller Münsterplatz für den Erhalt der Geburtshilfe. Auch für die Kreistagssitzung am Montag, 19. Dezember, um 13.30 Uhr haben sich bereits Unterstützer der Geburtshilfe zu Wort gemeldet. Sie wollen vor dem Landratsamt Konstanz gegen die Schließung demonstrieren. Ebenfalls gibt es Unterschriftenlisten. Die Kreistagssitzung beginnt um 14 Uhr. (ans)