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Kinderklinik Sankt AugustinBürgermeister nennt Schließung „völlig abwegig“

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Sankt Augustin – Harsche Kritik hat seit Bekanntwerden der Schließungspläne für Geburtsstation und Neonatologie die Geschäftsleitung der Asklepios Klinik erfahren. Bis Dienstag hatten fast 3000 Personen eine Online-Petition unterzeichnet, vor der Klinik versammelten sich am Nachmittag knapp 100 meist weibliche Teilnehmer zu einer Mahnwache. Dazu aufgerufen hatte die Initiative Mother Hood.

„Medizinisch nicht nachvollziehbar“ nannte Dr. Gerit Sonntag, Sprecherin der Mother-Hood-Regionalgruppe, die Entscheidung. Von drei Level-1-Geburtskliniken in Bonn und Rhein-Sieg-Kreis – Stationen, die auf besonders kleine Frühchen oder Babys mit Herzfehlern eingestellt sind – werde ausgerechnet die in Sankt Augustin geschlossen; für viele Frauen gerade aus dem ländlichen Raum sei das ein Problem. „Quatsch“ sei es zu denken, dass Kinder in Bonn geboren, im Notfall aber zur Behandlung in die Asklepios-Klinik gebracht würden. Langfristige Schäden bei Müttern und Kindern befürchtet Sonntag, „aber das interessiert keinen, weil mit Geburtshilfe kein Geld zu verdienen ist“.

Jährlich 1000 Entbindungen

Zu denen, die sich am Dienstag vor der Klinik versammelten, gehörte auch Sarah Haufe aus Siegburg. Vor 19 Tagen erst hat die gebürtige Saarländerin ihren Sohn Ian in Sankt Augustin entbunden; es war ihre zweite Entbindung in der Kinderklinik. „Von A bis Z gut aufgehoben“ habe sie sich immer gefühlt. „Ich hätte mir nichts besseres vorstellen können“, sagte auch Rebecca Heyken, die hier vor fünf Monaten Tochter Emma bekam. Mit einer schweren Schwangerschaftsvergiftung hatte die Mendenerin zu kämpfen, „super betreut“ fühlte sie sich. Danke sagen wollte sie nun mit ihrer Teilnahme.

„Völlig abwegig und unverständlich“ nannte Bürgermeister Klaus Schumacher, der sich in die Mahnwache eingereiht hatte, die „rein fiskalische“ Asklepios-Entscheidung. „Wir sind mit der Bezirksregierung in Kontakt, die das genehmigen muss.“ Schumacher glaubt nicht, dass jährlich 1000 Geburten aus Sankt Augustin ohne Probleme zu verteilen sind; die Schließung des Kompetenzzentrums „gerade für schwierige Fälle“ reiße ein Loch in die Versorgung nicht nur in Sankt Augustin.

Das betonte auch Tanja Schneider, deren Töchterchen Emma Sophie vor neun Monaten zur Welt kam: Ab der 20. Schwangerschaftswoche wusste die Mutter, dass ihr Kind einen Herzfehler hat. „Sie musste nicht erst in den Rettungswagen und irgendwo hingekarrt werden“, sagte Tanja Schneider gestern. „Deshalb war sie nur ein paar Stunden weg und ich hatte sie schnell wieder.“ Mitgefühl mit den Beschäftigten äußerte Annika Koch, die wegen einer Zwillingsschwangerschaft seit September stationär hier liegt.

Entscheidung bei der Bezirksregierung

Als „kaltschnäuzig, empathielos und von Profitmaximierungslogik getrieben“ hatte zuvor der Kreisvorstand der Partei Die Linke die Schließung bezeichnet. Kreisparteisprecher Rolf Conle kritisierte, dass das Gesundheitswesen in Deutschland mehr und mehr zum Wirtschaftszweig werde.

„Wir sind absolut überzeugt davon, dass es die richtige Entscheidung ist“, verteidigte Dr. Ehrenfried Schindler, ärztlicher Leiter der Klinik, auf Nachfrage die Schließung. Wirtschaftliche Überlegungen hätten keine Rolle gespielt, hatte die Geschäftsleitung in der vergangenen Woche betont. Neue Überlegungen setze der Protest „auf keinen Fall“ in Gang, so Schindler. Die Entscheidung liege nun bei der Bezirksregierung, die der Schließung zustimmen müsse.

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