Aus Reihen der Belegärzte der Geburtenstation im Radolfzeller Krankenhaus gibt es großes Lob für den Radolfzeller Gemeinderat: Es sei ein sehr positives Zeichen, dass sich der Gemeinderat über die Fraktionsgrenzen hinweg zur Geburtenstation bekannt habe, sagte gestern Matthias Groß, einer der Belegärzte. Der Gemeinderat hatte am Donnerstagabend einmütig beschlossen, Mehrkosten übernehmen zu wollen, die mit dem zukünftigen Stationsbetrieb entstehen werden. Kommt es dazu, wäre die drohende Schließung der Station abgewendet. Doch Groß tritt gleich im nächsten Satz auf die Bremse, denn er weiß: Noch sind schwierige rechtliche Hürden zu nehmen, bevor die Zukunft der Station wirklich gesichert ist. "Ich traue mich noch nicht, mich zu freuen, es stecken ja noch viele Fußangeln drin", sagte er.

Der Radolfzeller Gemeinderat hatte sich deutlich entschiedener zur Geburtenstation bekannt, als dies der Kreistag vor rund zehn Tagen getan hatte. Das Problem: Die als Belegärzte die Station selbst betreibenden Gynäkologen müssen ab 2017 dreimal so hohe Beiträge für ihre Haftpflichtversicherungen bezahlen als bisher. Für sie würde sich das Weiterführen der Station nur lohnen, wenn der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz als Krankenhausträger sie in einem sogenannten Honorar-Belegarztmodell weitermachen lässt. Dieses Modell aber ist teurer – und niemand vermag derzeit zu sagen, um wie viel teurer. Zu unsicher ist noch, wie viel die Krankenkassen trügen und wie viel Mehrwertsteuer anfiele. Die Schätzungen schwanken zwischen 400 000 und 600 000 Euro Mehrkosten pro Jahr. Gesucht wird nun ein sogenannter Besteller, also jemand, der die ärztlichen Leistungen in Auftrag gibt und sie am Ende bezahlt, egal wie hoch sie sind.

Eine 30:20-Mehrheit im Kreistag hatte diese Rolle für den Landkreis abgelehnt: Dies müsse Radolfzell selbst machen, der Landkreis würde sich mit 100 000 Euro pro Jahr beteiligen. Der Radolfzeller Gemeinderat erklärte nun einmütig, als Besteller auftreten zu wollen, der darüber hinausgehende Mehrkosten trägt – unter der Voraussetzung, dass OB Martin Staab das Regierungspräsidium Freiburg – also die Rechtsaufsicht – zur Zusage bewegen kann, dass das alles rechtlich in Ordnung ist. Ein Rechtsgutachten war nämlich kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Stadt derlei gar nicht machen dürfe; für die Krankenhausversorgung sei eben der Landkreis zuständig.

"Der Druck und die Verantwortung lasten jetzt auf dem OB", sagt Groß mit großem Respekt vor der Aufgabe. Er glaube aber, dass Staab mit dem nötigen Willen an die Sache herangehe. Für den 10. Januar ist eine weitere außerordentliche Sitzung des Radolfzeller Gemeinderats terminiert, in der erste Verhandlungsergebnisse beraten werden sollen.

Einer der Belegärzte hört demnächst auf, die verbleibenden zwei brauchen zwingend einen Nachfolger. Die Finanzzusagen wären zunächst nur auf fünf Jahre begrenzt – trotzdem ist Groß guter Dinge, einen Nachfolger finden zu können: "Ich bin trotz allem optimistisch.

" Zwar mute es wie ein Kampf gegen Windmühlen an, sich der bundesweit politisch angestrebten Konzentration im Krankenhauswesen mit Schließung kleinerer Einheiten zu widersetzen – "aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und fünf Jahre sind eine Zeit, in der sich auch was ändern kann." Denn bei einer Konzentration "gehen Qualitäten verloren, die unwiederbringlich sind". So sei es auf der Radolfzeller Station gelungen, genug Zeit für Patientinnen zu haben und Ärzte und Hebammen zu gewinnen, während andernorts Ärzte und Hebammen Krankenhäusern den Rücken kehrten. Derzeit gebe es für die Radolfzeller Station zwei Interessenten für die Ärzte-Nachfolge, die nun die Verhandlungen abwarteten. Die Station verzeichne 2016 einen Geburtenrekord: "Mittlerweile sind es 525, Stand heute Mittag", sagte der Mediziner gestern Mittag. In den vergangenen zwölf Jahren habe es einen Anstieg um 72 Prozent gegeben.

"Wenn wir einen Besteller haben, der bezahlt, gibt es eine sehr große Chance für die Geburtenabteilung", sagte Landrat Frank Hämmerle gestern. "Die öffentlichen Träger kriegen die Sache geregelt." Bedingungen seien aber, dass Radolfzell die erforderliche Summe im städtischen Haushalt unterbringe, "dass die Ärzte durchhalten" und dass der Gesetzgeber keine weiteren Erschwernisse auf den Weg bringe.