Tutzing:Herzspezialisten greifen ein

Ein eingespieltes Kardiologen-Team wechselt nach der Schließung der Schön-Klinik in Kempfenhausen ins Benedictus-Krankenhaus in Tutzing. Das dortige Gefäßzentrum wird nun ausgebaut

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Für Tutzing entpuppt sich die überraschende Schließung der Schön-Klinik in Kempfenhausen geradezu als Glücksfall: Das Benedictus-Krankenhaus übernimmt das eingespielte Team von Herzspezialisten von der anderen Seeseite. Damit kann das 200-Betten-Haus erstmals Patienten eine eigene Kardiologie anbieten und etwa Betroffene mit einem akuten Herzinfarkt direkt am Ort behandeln. Mit der neuen Abteilung soll das etablierte Gefäßzentrum des Hauses, das seit zehn Jahren zur Artemed-Gruppe gehört, weiter ausgebaut werden, wie die Klinikleitung am Dienstag bei einem Pressetermin erklärte.

Tutzing Benedictus Krankenhaus Herzzentrum Pache Beisse

Tutzings Ärztlicher Direktor Rudolph Beisse (2.v.li.) freut sich über das neue Kardiologen-Team.

(Foto: Benedictus-Krankenhaus/oh)

Das Team um Chefarzt Professor Jürgen Pache mit drei Oberärzten und der Leiterin des Herzkatheterlabors arbeitet seit Jahresbeginn in Tutzing. Für neueste Geräte, etwa zur Diagnostik für Patienten mit Herzrhythmusstörungen, wurde im Untergeschoss rasch Platz geschaffen. Dafür müssen die Verwaltungsangestellten jetzt enger zusammenrücken. "Für uns ist das eine einmalige Chance", begrüßte der Ärztliche Direktor Professor Rudolph Beisse die neuen Kollegen. Damit werde eine Vision verwirklicht, nämlich zu zeigen, "dass man auch an einem Haus wie diesem Spitzenmedizin betreiben kann", so der Wirbelsäulenchirurg. Zuvor habe man alle schwierigeren Fälle nach München schicken müssen oder in Spezialzentren. Nun könne man nicht nur den Tutzingern eine "heimatnahe Versorgung" bieten, sondern erwarte auch externen Zulauf. In Kempfenhausen hatte Professor Pache mehr als 1800 Patienten jährlich behandelt. Viele waren dem Mediziner dorthin von München aus gefolgt, wo er 20 Jahre am Deutschen Herzzentrum gearbeitet hatte. Vier Jahre war Pache in der Schön-Klinik tätig.

Pfleger sind gefragt

"Wir haben da viel aufgebaut. Wenn das alles auf einmal weg ist, stehen Sie mehr als schockiert da." Professor Jürgen Pache ist am Dienstag die Fassungslosigkeit immer noch anzumerken, wenn er über die unerwartete Schließung der Schön-Klinik in Kempfenhausen spricht, seinem bisherigen Arbeitgeber. Selbst die Chefärzte seien erst drei Stunden vor der außerordentlichen Betriebsversammlung am 13. Oktober von der Entscheidung der Eigentümer informiert worden, die Privatklinik dicht zu machen. Nichts habe in den Wochen und Monaten davor auf diesen extremen Schritt hingedeutet, resümiert der Herzspezialist: "Noch 14 Tage vorher sind Mitarbeiter eingestellt worden, es ist investiert worden." Es sei auch nicht ungewöhnlich gewesen, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht über einen Investitionsplan für 2017 gesprochen worden sei. Schon am Tag nach der Bekanntgabe der Schließung hätten Pflegekräfte Angebote erhalten, Headhunter seien für dieses gefragte Personal vor der Tür gestanden. Für Oberärzte und Chefärzte sei es hingegen schwieriger, nach dem endgültigen Aus, das wider alle Versprechungen schon zum 1. Dezember erfolgt ist, adäquat unterzukommen. Etliche Kollegen suchten noch. "Das ist nicht so leicht wie Wechsel bei Vorständen von Dax-Konzernen." manu

Die habe sich am Ende "fair verhalten", attestiert Artemed-Geschäftsführer Clemens Guth den Kollegen. Der Zugriff auf Patientenakten sei möglich, so dass man in Tutzing "nicht bei Null anfängt". Dem Geschäftsführer des Benedictus-Krankenhauses, Simon Machnik, erschien die Erweiterung um eine Kardiologie über kurz oder lang unumgänglich für einen Rundumversorger wie die Tutzinger Klinik mit etwa 7500 Patienten im Jahr und 450 Mitarbeitern. Immerhin seien vier von zehn Diagnosen in deutschen Krankenhäusern Herz-Kreislauferkrankungen, in Hausarztpraxen sogar die Hälfte.

Tutzing wirbt nun um Patienten mit koronaren Herzkrankheiten, Herzklappenerkrankungen und Herzinsuffizienz. Stolz ist Pache, dass man mit elektrophysiologischen Untersuchungen ein Angebot für Patienten mit Herzrhythmusstörungen bereitstelle. Der 54-jährige Herzspezialist, der in zwei Jahren auch die Innere Medizin als Nachfolger von Professor Malte Ludwig leiten soll, freut sich, "mit gleicher guter Qualität und einem eingespielten Team weiterzumachen". Er wolle eng mit niedergelassenen Kollegen sowie der Artemed-Klinik München Süd (ehemals Rinecker Klinik) und Feldafing zusammenarbeiten. In den nächsten Wochen soll die Abteilung zertifiziert und bei der Leitstelle als Katheterkrankenhaus angemeldet werden. Die nächsten derartigen Einrichtungen sind in Starnberg, Herrsching und Weilheim.

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