SPITALBEHANDLUNGEN: Luzern will unnötige Spitalaufenthalte nicht mehr mitfinanzieren

Der Kanton finanziert ab Mitte Jahr keine Operationen und Untersuchungen mehr mit, die unnötigerweise nicht am gleichen Tag abgeschlossen werden. Die Kosteneinsparungen gehen in die Millionen.

Balz Bruder
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Mit dem Wechsel hin zu mehr ambulanten Eingriffen dürfte der Kanton Luzern mehrere Millionen Franken sparen. (Bild: Getty)

Mit dem Wechsel hin zu mehr ambulanten Eingriffen dürfte der Kanton Luzern mehrere Millionen Franken sparen. (Bild: Getty)

Balz Bruder

balz.bruder@luzernerzeitung.ch

Der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (CVP) kündete es im Interview mit unserer Zeitung frühzeitig an. Am 3. November 2016 sagte er wörtlich: «Wir sind daran abzuklären, ab Mitte des kommenden Jahres selber zu prüfen, ob eine Spitalleistung nicht hätte ambulant statt stationär erbracht werden können.» Die Folge davon: Der Kanton würde seinen Kostenanteil bei bestimmten Behandlungen nur noch dann berappen, wenn eine stationäre statt ambulante Behandlung medizinisch indiziert ist. Einzelfall- und ausnahmsweise.

Aus den Worten werden nun Taten: Das Gesundheitsdepartement hat die betroffenen Spitäler, Verbände und Organisationen gestern darüber informiert, dass bestimmte Behandlungen und Untersuchungen ab Juli 2017 ambulant durchgeführt werden sollen. Dies erstens vor dem Hintergrund, dass es medizinische Leistungen gibt, die in der gleichen Qualität und mit mehr Komfort für den Patienten am gleichen Tag abgeschlossen werden können. Und zweitens mit Blick auf die Kosten – sie sind gemäss einer Studie von Pricewaterhouse-Coopers bei stationär erbrachten Spitalleistungen rund 2,3-mal höher als bei ambulanten. Eine Aussage, die für 13 ausgewählte Eingriffe gilt, die PWC im Jahr 2014 breitflächig untersucht hat. Sparpotenzial gesamtschweizerisch knapp 1 Milliarde Franken. Fachleute meinen: eher auf- als abgerundet.

Kosten vermeiden, ohne die Versorgung zu gefährden

Nun hat das Gesundheitsdepartement eine gleiche Liste mit Behandlungen erstellt, die in Zukunft grundsätzlich ambulant durchgeführt werden sollen (vgl. Grafik im Slider). Das bedeutet: Führt ein Spital eine solche Behandlung trotzdem stationär durch, beteiligt sich der Kanton nur dann an den Kosten, wenn diese medizinisch begründet werden kann. «Auf diese Weise können wir unnötige Kosten vermeiden, ohne dass die medizinische Qualität darunter leidet. Zudem leisten wir einen aktiven Beitrag, das Kostenwachstum im Gesundheitswesen einzudämmen», führt Graf aus. Davon profitierten die Steuer- ebenso wie die Prämienzahler. Als Rechtsgrundlage dient zum einen das Krankenversicherungsgesetz (und das dort angelegte zentrale Kriterium der Wirtschaftlichkeit), zum andern das kantonale Spitalgesetz (und die darin enthaltenen Bestimmungen über die Rechnungskontrolle und das Leistungscontrolling).

Doch nicht nur dies: Durch die Förderung von ambulanten Spitalbehandlungen könne der Kanton auch Fehlanreize beseitigen, sagt Graf, dem diese schon lange ein Dorn im Auge sind. Konkret: «Bei allgemein versicherten Personen werden heute einfache Eingriffe am Knie zu etwa 97 Prozent ambulant durchgeführt. Von den privat versicherten Patientinnen und Patienten bleiben jedoch bis zu 30 Prozent nach der Operation mindestens eine Nacht im Spital.» Die Einkaufsgemeinschaft der Krankenversicherungen Helsana, Sanitas und KPT hat dies vor wenigen Wochen selber öffentlich gemacht (vergleiche untenstehende Grafik). Die auf diese Weise entstehenden Mehrkosten bezahlt der Kanton künftig nicht mehr – sie bleiben bei Versicherern und Patienten hängen. Mit welchem Spareffekt für den Kanton? Gemäss Berechnungen der Dienststelle Gesundheit und Sport wären im Jahr 2015 rund 800 Spitalaufenthalte von der neuen Regelung betroffen gewesen. «Wären diese Eingriffe ambulant statt stationär erfolgt, hätte der Kanton Luzern mehrere Millionen Franken gespart, ohne dass dadurch die Prämien angestiegen wären», sagt Graf, der von rund 3 Millionen Franken pro Jahr ausgeht. Das ist rund 1 Prozent des Spitalbudgets in der Kantonsrechnung. Mittelfristig kann sogar von noch höheren Einsparungen ausgegangen werden, da zusätzliche Eingriffe ambulant möglich sind, die auf das Konto des medizinischen Fortschritts sowie von Prozessanpassungen in den Spitälern gehen. Finanziell auf die Äste hinaus wagt sich der Kanton aber nicht.

Spitaleintritte am Vortag nur bei medizinischer Begründung

Zudem soll ein weiterer Anreiz dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten nur so lange wie aus medizinischer Sicht notwendig im Spital bleiben. Insbesondere bei Spitaleintritten am Vortag – wie sie noch immer verbreitet sind – beteiligt sich der Kanton neu an den höheren Kosten nur, wenn die Spitäler den vorzeitigen Eintritt medizinisch begründen können. Sonst bleiben sie am Spital hängen. Für diese Massnahme ebenso wie für alle anderen gilt dabei: Die Liste der ambulant durchzuführenden Untersuchungen und Behandlungen wird jährlich überarbeitet und neuen Erkenntnissen und dem medizinischen Fortschritt angepasst. Für Gesundheitsdirektor Graf ist klar: «Wir führen die Massnahmen so lange durch, als die Einsparungen grösser denn die dafür notwendigen Aufwendungen sind.»

In dieser Aussage eingeschlossen ist auch, dass die Massnahmen nicht nur Einsparungen bringen, sondern auch Mehrkosten verursachen. Rechnungskontrolle und Leistungscontrolling haben selbstredend ihren Preis. Denn jemand muss diese durchführen – Personal, das beim Kanton angestellt werden muss. Im konkreten Fall ist gemäss Gesundheitsdirektor Graf ein Budget von 250000 Franken notwendig, um dem Prinzip ambulant vor stationär im Spitalbereich auch verwaltungsmässig zum Durchbruch zu verhelfen.

HINWEIS
Eine Liste der ambulanten Behandlungen finden Sie hier.

Druck (Bild: Quelle: Kanton Luzern, PWC / Grafik: Lea Siegwart)

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