L 11 KR 51/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 1575/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 51/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Leistet ein Versicherungsträger die einem Versicherten aufgrund eines fingierten Verwaltungsakts zugesprochene Leistung nicht, kann und muss der Versicherte eine (sog. isolierte) Leistungsklage erheben. Der sich aus einer wirksamen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ergebende Anspruch einer Versicherten geht unter, wenn ihm der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
entgegensteht.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.11.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf postbariatrische Operationen geltend.

Die 1971 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im April 2013 wurde ihr auf Kosten der Beklagten ein Magenbypass angelegt.

Mit einem am 16.01.2014 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben stellte die Klägerin einen Antrag auf Kostenübernahme von postbariatrischen Operationen. Zur Begründung führte sie aus, sie habe seit April 2013 mithilfe einer konsequenten Umstellung ihrer vorherigen Ernährungs- und Lebensgewohnheiten und der von der Beklagten bewilligten Magenbypass-Operation über 70,5 kg Gewicht verloren. Sie habe ihr Ausgangsgewicht von 144,5 kg drastisch reduzieren können. Ihr aktuelles Gewicht belaufe sich auf nur noch 74 kg. Allerdings hätten sich durch die Gewichtsabnahme Folgeprobleme entwickelt. Es gehe hierbei um die Hautüberschüsse am Körper, die verhinderten, dass sie sich wie ein normalgewichtiger Mensch bewegen könne. Betroffen seien die Oberarme, die Brust, der Bauch (abdominelle Fettschürze), das Gesäß und die Beine, insbesondere die Oberschenkel. Sie verwies auf eine ihrem Schreiben beigefügte Bescheinigung des Dr. Z., Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie für Chirurgie - Handchirurgie, vom 03.12.2013. Darin wird folgender Therapievorschlag unterbreitet:

1. Abdominalplastik, Fasziendoppelung und Nabelneuformung 2. Bruststraffung bds 3. Oberarmstraffung bds 4. Gesäßstraffung und Lipoaspiration Unterschenkel und Oberschenkel als Vorbereitung für Oberschenkelstraffung 5. Oberschenkelstraffung bds

Die Operationen würden unter stationären Bedingungen (Liegezeit ca 5 bis 7 Tage) erfolgen. Außerdem fügte die Klägerin ihrem Antrag eine Fotodokumentation bei.

Mit Schreiben vom 29.01.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Untersuchung empfehle. Es sei ein Termin für Montag, den 03.02.2014, um 08:30 Uhr reserviert.

Mit Telefax vom 03.02.2014 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten mit, dass die Klägerin den Termin nicht wahrnehmen könne. Die Ladung habe die Klägerin erst am Freitagabend erreicht. Zu diesem Zeitpunkt sei es ihr nicht mehr möglich gewesen, sich für den heutigen Tag Urlaub zu nehmen. Die Beklagte werde gebeten, in Zukunft so zu terminieren, dass die Klägerin eine Chance habe, einen angesetzten Termin auch wahrzunehmen.

Mit E-Mail vom 12.02.2014 bat die Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin um Mitteilung, wann die Klägerin einen Termin beim MDK wahrnehmen könne. Dieser leitete die E-Mail an die Klägerin weiter, welche sich mit E-Mail vom 18.02.2014 direkt an die Beklagte wandte und ihrerseits um ein "paar Terminvorschläge" bat, aus denen sie dann – in Abstimmung mit ihrem Arbeitgeber – den für sie passenden heraussuchen könne. Die Beklagte antwortete mit E-Mail vom 19.02.2014, dass der MDK erst am 03.03.2014 neue Termine vergeben könne. Sie werde sich an diesem Tag melden und der Klägerin die Terminvorschläge mitteilen. Am 03.03.2014 machte die Beklagte dann – wiederum per E-Mail - der Klägerin einen Terminvorschlag für den 06.03.2014. Die Klägerin wurde um Mitteilung gebeten ob sie diesen Termin wahrnehmen könne. Falls der genannte Termin nicht möglich sei, möge die Klägerin ihren Wunschtermin mitteilen, der MDK werde ihren Wünschen entgegenkommen. Hierauf antwortet die Klägerin nicht. Zu dem vorgeschlagenen Termin am 06.03.2014 erschien die Klägerin ohne Angabe von Gründen nicht.

Mit E-Mail vom 12.03.2014 wandte sich die Beklagte an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und teilte diesem mit, dass sie der Klägerin am 03.03.2014 einen Terminvorschlag unterbreitet habe und am 12.03.2014 per E-Mail eine Erinnerung verschickt habe. Bis heute sei keine Reaktion erfolgt. Darauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der Antrag auf Gewährung diverser Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung gelte nach § 13 Abs 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als genehmigt. Die Beklagte werde deshalb gebeten, eine Kostenübernahmeerklärung zur Vorlage beim Krankenhaus zu übersenden. Dieser Bitte kam die Beklagte nicht nach.

Bereits am 04.03.2014 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass ihr Antrag auf Gewährung diverser postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung gemäß § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte. Die Beklagte habe über den von ihr gestellten Antrag bis heute nicht entschieden. Sie habe damit die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten. Eine schriftliche Mitteilung an die Klägerin, man könne die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten, wie sie § 13 Abs 3a Satz 5 zwingend vorschreibe, sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Das Gesetz verlange zudem die Darlegung hinreichender Gründe. In der Gesetzesbegründung sei ausdrücklich klargestellt worden, dass Organisationsmängel und Arbeitsüberlastung der Krankenkassenmitarbeiter keine solchen tragfähigen Gründe seien. Auch Verzögerungen im Hause des MDK würden die Krankenkassen nicht von der Einhaltung der gesetzlich klar normierten Fristen entbinden. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion hänge nicht davon ab, ob ein Erstattungs- oder Sachleistungsanspruch geltend gemacht werde. Entweder die Beklagte anerkenne, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten sei und fertige eine Kostenübernahmeerklärung für das Krankenhaus aus oder das Gericht stelle durch Urteil fest, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Nach dem Eintritt der Genehmigungsfiktion sei das Antragsverfahren in der Hauptsache erledigt. Mit Schriftsatz vom 29.10.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Feststellungsklage auf eine Leistungsklage umgestellt und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von fünf postbariatrischen Operationen als Sachleistung beantragt.

Die Beklage ist der Klage entgegengetreten. Das Gesetz sehe keine Bestätigung der Krankenkasse über den Eintritt der Genehmigungsfiktion vor. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion könne daher auch nicht durch das Gericht festgestellt werden. Das Gesetz räume den Versicherten lediglich einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte Krankenbehandlung ein. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin die Operationen selbst beschafft habe und dadurch mit Kosten belastet sei. Die Klägerin habe die Möglichkeit, sich die beantragte Leistung selbst zu beschaffen. In diesem Fall werde die Prüfung der Erforderlichkeit der beantragten Leistung in das Erstattungsverfahren verlagert. Die Klägerin könne aber auch das bereits eingeleitete Verwaltungsverfahren durch die Wahrnehmung einer persönlichen Untersuchung beim MDK fortführen.

Mit Urteil vom 30.11.2015 hat das SG die Klage als unzulässig und im Übrigen auch als unbegründet abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage sei unzulässig, weil es am notwendigen Verwaltungs- und Vorverfahren mangele. Die Genehmigungsfiktion könne nur eintreten, wenn die Leistung nach Ablauf der Frist des § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V beschafft werde. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil sich die Klägerin nach Treu und Glauben nicht auf die Genehmigungsfiktion berufen könne. Die Klägerin habe spätestens ab dem 29.01.2014 gewusst, dass eine persönliche Begutachtung durch den MDK durchgeführt werden sollte. Nachdem die Begutachtung nicht am 03.02.2014 habe durchgeführt werden können, sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass ein neuer Termin habe gefunden werden müssen. Gemäß der Bitte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Korrespondenz über ihn zu führen, habe sich die Beklagte zeitnah bei ihm gemeldet und um Mitteilung gebeten, wann die Klägerin einen Termin beim MDK wahrnehmen könne. Erst mit E-Mail vom 19.02.2014 habe die Klägerin persönlich geantwortet und um Terminvorschläge gebeten. Im Hinblick auf diese laufende Terminsabstimmung habe die Beklagte keinen Grund sehen müssen, explizit eine schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs 3a Satz 5 SGB V zu machen, zumal die Klägerin in ihrer E-Mail vom 19.02.2014 gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt habe, den 03.03.2014 abzuwarten und die Terminvorschläge dann anzuschauen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Empfangsbekenntnis am 04.12.2015 zugestellt worden.

Am 30.12.2015 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie weist darauf hin, dass nach dem Urteil des BSG vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R) § 13 Abs 3a für Sachleistungsansprüche und Erstattungsansprüche gleichermaßen gelte. Die streitgegenständlichen Leistungen lägen auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin fünf postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Abdominoplastik, Bruststraffung beidseits, Oberarmstraffung beidseits, Gesäßstraffung, Oberschenkelstraffung, alles gemäß fachärztlichem Therapievorschlag vom 03.12.2013, Dr. med Ulrich Z.) als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.11.2015 zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, bei den angestrebten chirurgischen Maßnahmen handele es sich um ästhetische Eingriffe und keine Maßnahmen zur Heilung einer Krankheit. Eine Schönheitsbehandlung liege offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Die Berufung ist gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; sie wurde von der Klägerin auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs 1 SGG). Richtige Klageart ist - entgegen der Auffassung des SG – die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG). Ein Verwaltungsakt hat auch dann nicht mehr zu ergehen, wenn sein Erlass fingiert wurde. Leistet der Versicherungsträger die einem Versicherten aufgrund eines fingierten Verwaltungsakts zugesprochene Leistung nicht, kann und muss der Versicherte eine (sog isolierte) Leistungsklage erheben. Für die Zulässigkeit einer solchen Leistungsklage genügt es, dass die Klägerin das Vorliegen eines fingierten Verwaltungsakts, auf den sie die geltend gemachte Leistung stützt, behauptet. Ob ein fingierter Verwaltungsakt tatsächlich vorliegt und ob er noch wirksam ist (vgl § 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X), ist eine Frage der Begründetheit.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachten postbariatrischen Operationen. Das SG hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen. Eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V liegt zwar vor, daraus ergibt sich aber kein Anspruch auf die von der Klägerin beantragten Leistungen. Ob der Klägerin die begehrte Leistung unabhängig von der Genehmigungsfiktion zusteht, ist nicht zu prüfen. Streitgegenstand einer auf die (vermeintliche) Genehmigungsfiktion gestützte Leistungsklage ist nur der sich aus dieser Genehmigungsfiktion ergebende Anspruch. Da die Beklagte über das Leistungsbegehren nicht (zumindest auch) durch Verwaltungsakt entschieden hat, fehlt es insoweit auch an einem Verwaltungsverfahren und nicht nur an einem Vorverfahren. Eine fehlende Verwaltungserstentscheidung (Ausgangsbescheid) ist anders als ein fehlendes Vorverfahren bzw eine fehlende Widerspruchsentscheidung eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die nicht während eines Klageverfahrens nachgeholt werden kann, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht erforderlich ist.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin behauptete Genehmigungsfiktion ist § 13 Abs 3a SGB V. Die Klägerin hat ihren Antrag nach dem 26.02.2013 (am 16.01.2014) gestellt. Die Regelung ist auch sachlich anwendbar, da die Klägerin weder unmittelbar eine Geldleistung noch eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation verlangt (vgl hierzu BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, NZS 2016, 464).

Nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V, der mit Wirkung zum 26.02.2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02 2013 (BGBl I S 277) eingefügt wurde, hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a Satz 3 SGB V). Kann die KK die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a Satz 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a Satz 7 SGB V).

Die Klägerin beantragte am 16.01.2016 die Kostenübernahme für folgende Operationen: 1. Abdominalplastik, Fasziendoppelung und Nabelneuformung 2. Bruststraffung bds 3. Oberarmstraffung bds 4. Gesäßstraffung und Lipoaspiration Unterschenkel und Oberschenkel als Vorbereitung für Oberschenkelstraffung 5. Oberschenkelstraffung bds. Diesen Antrag wertet der Senat als hinreichend bestimmt. Es ist nicht notwendig, dass bereits bei Antragstellung alle Einzelheiten der begehrten Leistung feststehen, insbesondere nicht die Kosten der begehrten Leistung. § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V fingiert nur die Genehmigung der Leistung dem Grunde nach (LSG Baden-Württemberg 13.09.2016, L 4 KR 320/16, juris). Die Beklagte entschied über den Antrag der Klägerin vom 16.01.2014 nicht und teilte der Klägerin auch nicht schriftlich mit, aus welchen Gründen sie die hier geltende Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten kann. Zwar ist offenkundig, dass die Klägerin sehr wohl wusste, warum die Beklagte noch keine Entscheidung getroffen hatte, doch verlangt das Gesetz, dass die Krankenkasse für den Fall, dass sie die Frist nicht einhalten kann, die Mitteilung eines konkreten Datums, bis zu dem der hinreichende Grund ihrer prognostischen Einschätzung nach voraussichtlich bestehen wird (BSG 08.03.2016 aaO Rn 20). Zumindest daran fehlt es hier. Die Beklagte hat der Klägerin nur per E-Mail vom 19.02.2014 mitgeteilt, dass der MDK erst am 03.03.2014 neue Termine vergeben kann. Dies bedeutete nicht, dass an diesem Tag der hinreichende Grund entfällt. Die – wiederum per E-Mail – erfolgte Mitteilung vom 03.03.2014 eines Terminvorschlags für eine Untersuchung der Klägerin am 06.03.2014 erfolgte bereits nach Ablauf der Fünf-Wochenfrist. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob im konkreten Fall eine E-Mail das Schriftformerfordernis des § 13 Abs 3a Satz 5 SGB V erfüllt. Die Fünf-Wochen-Frist begann aufgrund des am 16.01.2014 gestellten Antrags am Freitag, den 17.01.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs12 BGB) und endete am Freitag, den 21.02.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Sie war damit am 03.03.2014 bereits abgelaufen.

Nach dem Urteil des BSG vom 08.03.2016 (aaO) können Versicherte die kraft Fiktion genehmigte Leistung von der Krankenkasse entweder als Naturalleistung oder bei Selbstbeschaffung in Form von Kostenerstattung verlangen, solange sich die Genehmigung nicht kraft Gesetzes oder auf andere Weise erledigt hat. Es handelt sich nach dieser Rechtsprechung bei der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V um einen fingierten bzw fiktiven Verwaltungsakt. Von einem solchen Verwaltungsakt kann auch im Sozialverwaltungsrecht grundsätzlich ausgegangen werden, wenn das Schweigen eines Versicherungsträgers aufgrund einer Rechtsvorschrift nach Ablauf einer bestimmten Frist als Erteilung der beantragten Genehmigung gewertet wird (§ 42a Verwaltungsverfahrensgesetz analog). Ob die Genehmigungsfiktion in § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V nur greift, wenn die streitigen Leistungen grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen sind (so LSG Nordrhein-Westfalen 26.05.2014, L 16 KR 154/14 B ER ua, juris, RdNr 26 ff.; Hessisches LSG 10.12.2015, L 1 KR 413/14, juris; LSG Baden-Württemberg 29.04.2016, L 4 KR 4368/15, juris; SG Dortmund 23.05.2016, S 40 KR 672/15, juris; Knispel, SGb 2014, 374 ff; Rieker, NZS 2015, 294, 297; von Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601), braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Die Berufung der Klägerin auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V stellt im vorliegenden Fall eine unzulässige Rechtsausübung dar. Zwar sanktioniert die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten einer Partei grundsätzlich nicht mit einem automatischen Rechtsverlust. Widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BSG 19.04.2016, B 1 KR 33/15 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 57 mwN). Im vorliegenden Fall erweckte die Klägerin durch ihre Korrespondenz im Verwaltungsverfahren bei der Beklagten nicht nur den Eindruck, dass sie mit einer Beurteilung durch den MDK einverstanden ist, sondern sie verleitete die Beklagte zu der Annahme, die Klägerin werde in jedem Fall einen Untersuchungstermin beim MDK wahrnehmen. Sie schuf dadurch einen Vertrauenstatbestand, auf den sich die Beklagte verlassen durfte.

Bereits in ihrem Antragschreiben vom 11.01.2014 führte die Klägerin aus: "Sollte Ihr Haus den zuständigen MDK mit der Sache befassen wollen, so stehe ich für eine persönliche Begutachtung natürlich gerne zur Verfügung." Sie ließ dann später, nachdem der erste vom MDK vorgeschlagene Termin für sie zu kurzfristig anberaumt worden war, mit einem an die Beklagte gerichteten Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 03.02.2014 vortragen: "Bitte terminieren Sie in Zukunft so, dass Ihre Versicherte wenigstens eine entfernte Chance hat, einen angesetzten Besichtigungstermin auch wahrzunehmen." Mit E-Mail vom 18.02.2014 forderte die Klägerin die Beklagte ausdrücklich auf, ihr ein paar Terminvorschläge zu unterbreiten, aus denen sie dann - in Abstimmung mit ihrem Arbeitgeber – den für sie passenden heraussuchen könne. Daraufhin erwiderte die Beklagte am 19.02.2014 (per E-Mail), der MDK könne erst wieder am 03.03.2014 neue Termine vergeben. Die Beklagte werde sich nochmals am 03.03.2014 bei der Klägerin melden und die Terminvorschläge mitteilen. Hierauf antwortete die Klägerin mit Mail vom 19.02.2014, also zwei Tage vor Ablauf der Fünf-Wochen-Frist, dass sie den 03.03.2014 abwarten und sich die Terminvorschläge anschauen werde. Sie bat außerdem noch um Mitteilung, mit welcher Dauer des Termins sie etwa rechnen bzw wie viel Zeit sie einplanen müsse. Diese Anfrage beantwortete die Beklagte umgehend ebenfalls per Mail.

Der Inhalt dieser Korrespondenz zeigt nach Auffassung des Senats, dass die Beklagte davon ausgehen durfte, die Klägerin werde die für den 03.03.2014 angekündigten Terminvorschläge abwarten, sich einen passenden Termin aussuchen und sich beim MDK vorstellen. Dass sich die Klägerin bei dieser Vorgeschichte auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V beruft, steht nicht nur im Widerspruch zu ihrem bisherigen Verhalten, sondern verstößt auch gegen einen von der Klägerin zuvor selbst geschaffenen Vertrauenstatbestand. Dem Anspruch aus dem nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V fingierten Verwaltungsakt steht daher aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen mit der Folge, dass der Anspruch untergegangen ist und sich die (fingierte) Genehmigung auf andere Weise erledigt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved