Aarau
Revolutionäres Konzept: Im Kantonsspital dürfen Notfallpatienten jetzt auch sitzen

Das frisch umgebaute Notfallzentrum am Kantonsspital bringt für Patienten und Personal einige Neuerungen. Wer nicht gerade im Konsultationszimmer untersucht wird, sondern vielleicht auf einen Befund wartet, kann das künftig auch im Sitzen machen, statt eines der Liegebetten zu blockieren.

Nadja Rohner
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Seien wir ehrlich: Wer als Notfallpatient ins Kantonsspital Aarau (KSA) kommt, interessiert sich herzlich wenig für die internen Abläufe des Betriebs. Man will einfach möglichst schnell und möglichst kompetent behandelt werden, damit die Schmerzen verschwinden, der Schwindel weggeht oder die Blutung stoppt.

Dennoch lohnt es sich, einen Blick hinter die Kulissen des Zentrums für Notfallmedizin im KSA-Hauptgebäude 1 zu werfen. Es ist mit jährlich rund 46'600 Patienten (2016) eines der grössten im Mittelland, grösser noch als die entsprechenden Abteilungen am Berner Inselspital oder am Zürcher Unispital.

Nach zwei Jahren Planungs- und Umbauzeit hat «der Notfall», wie man so schön sagt, jetzt ein ganz neues Raum- und Triagekonzept erhalten – und ist dadurch noch leistungsfähiger geworden.

Konsequente Triage am Empfang

Neu sind die Räume des eigentlichen Notfallzentrums klar von der Notfallpraxis abgetrennt. An einem Empfangsdesk teilen zwei erfahrene Pflegende die Patienten dem richtigen Behandlungsort zu. In die Praxis zum Allgemeinmediziner kommen alle leichten Fälle.

Schwerere Erkrankungen und Verletzungen, die eines Spezialarzts bedürfen, werden im Notfallzentrum behandelt. Dort gibt es eine Neuerung, die so in der Schweiz wohl einzigartig ist: eine Behandlungszone für sitzende Patienten. Das Konzept hat Ulrich Bürgi, Chefarzt des Zentrums für Notfallmedizin, in Wien entdeckt. «Nicht alle Patienten müssen liegen», sagt er.

Petra Tobias (Leiterin Pflege Notfall) und Chefarzt Ulrich Bürgi.

Petra Tobias (Leiterin Pflege Notfall) und Chefarzt Ulrich Bürgi.

zvg

Wer also nicht gerade im Konsultationszimmer untersucht wird, sondern vielleicht auf einen Befund wartet, kann das auch im Sitzen machen, statt eines der Liegebetten zu blockieren. Vorausgesetzt natürlich, der Zustand des Patienten lässt das zu. Ansonsten kommen sie in die frisch renovierten Patientenzimmer mit Liegebetten. «Das neue Triagekonzept entlastet die Prozesse und Behandlungsabläufe in den Aufnahmezimmern der liegenden Patienten wesentlich», so Bürgi. Das neue Konzept habe sich während der anstrengenden Festtage mit bis zu 150 Patienten-Eintritten pro Tag «bestens bewährt».

Für den Patienten nicht sichtbar sind die Änderungen im Backoffice, etwa das neue Ärzte-Grossraumbüro und der Pflegestützpunkt. Petra Tobias, Leiterin Pflege Notfall, zeigte sich beim Rundgang begeistert und schwärmte davon, wie gut das Pflegepersonal in die Planung einbezogen worden war. In der alten Metzgerei in Buchs wurde die neue Notfallstation sogar in einem Modell 1:1 nachgebaut, damit unter Einbezug des Personals getestet werden konnte, ob Anpassungen nötig sind. «Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt», sagt Tobias.

Um den 24-Stunden-Notfallbetrieb während der ganzen Bauzeit zu gewährleisten, wurde das Projekt in zwölf Teiletappen gegliedert und auf zwei Jahre verteilt. Der Umbau stellt eine Zwischennutzung dar: Der KSA-Masterplan sieht mittelfristig eine Erweiterung von Haus 1 vor. Dabei soll ein komplett neues Notfallzentrum mit integrierter Intensivstation entstehen.

KSA am Bahnhof: Öffnungszeiten werden gekürzt

Das Zentrum für Notfallmedizin umfasst das Notfallzentrum und die Notfallpraxis am KSA sowie die Notfallpraxis am Bahnhof. Letztere nennt sich «KSA am Bahnhof» und war im April 2012 mit Pauken und Trompeten eingeweiht worden. Das Kantonsspital kaufte das erste Stockwerk des Bahnhofgebäudes, insgesamt 3500 Quadratmeter.

Nebst mehreren Fachdisziplinen – Dermatologie, Rehabilitation, Gynäkologie etc. – ist hier eine allgemeinmedizinische, niederschwellige Notfallpraxis angesiedelt. Das heisst, sie bietet wie ein Hausarzt Grundversorgung an, aber ohne Voranmeldung. Zielgruppe sind Patienten mit einfachen Erkrankungen und Verletzungen.

Auffällig: Die Öffnungszeiten dieser Notfallpraxis wurden in den letzten Jahren sukzessive reduziert. Anfangs war die Praxis von Montag bis Freitag zwischen 7 und 22 Uhr offen, am Wochenende und an Feiertagen von 9 bis 20 Uhr. Mittlerweile ist die Notfallpraxis unter der Woche nur noch bis 21.30 Uhr in Betrieb, am Samstag bis 17.30 Uhr, am Sonntag gar nicht mehr. Und ab 1. Februar wird die Praxis werktags nur noch bis 20 Uhr geöffnet sein. Damit nähert sie sich den Betriebszeiten an, die auch eine normale Hausarztpraxis hätte. Weshalb diese Einschränkung?

Laut Ulrich Bürgi, Chefarzt Notfallmedizin, wurden im «KSA am Bahnhof» im letzten Jahr rund 12 000 Patienten behandelt. Das ist etwa ein Viertel aller Patienten, die das Zentrum für Notfallmedizin behandelt hat. «Die Auslastung ist sehr unterschiedlich», sagt Bürgi. Teils habe es kaum Patienten gehabt, teils lange Wartezeiten. «Nur 5 Prozent der Patienten kamen nach 20 Uhr.» Zu Randstunden und an Sonntagen wolle man deshalb die Notfallpraxistätigkeit auf den Hauptstandort im Spital konzentrieren, wo man die Patienten auch besser versorgen könne. (NRO)