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Versteckte Querfinanzierung statt Solidarität

Stadtberner zahlen zu hohe Krankenkassenprämien.

Gesunde sollen in der Krankenkasse für Kranke mitzahlen, Junge für Alte und Alte für Junge. Darüber herrscht in der Schweiz weitgehend Konsens. Mehr noch: Diese Solidarität ist die Basis der obligatorischen Krankenversicherung. Ganz anders sieht es aber aus, wenn es um die Frage geht, ob etwa auch Emmentaler für Stadtberner zahlen sollen. Nein, fand eine politische Mehrheit.

Und so wurden einst Prämienregionen geschaffen – im Kanton Bern sind es deren drei. In jeder davon gilt ein anderer Krankenkassentarif. Nun sollen die noch auf den alten Amtsbezirken basierende Einteilung nach dem Willen des Bundes revidiert werden. Das sorgt für Diskussionen. Bemerkenswert an dieser ist aber vor allem, dass zwar debattiert wird, wie und in wie viele Regionen der Kanton Bern eingeteilt werden soll, das System der Prämienregionen an sich aber nicht infrage gestellt wird. Denn dieses untergräbt nicht nur den Solidaritätsgedanken: Bei genaueren Betrachtung zeigen sich weitere Makel.

Stadtberner zahlen zu viel

Die Grundidee hinter der Einteilung des Kantons in Prämienregionen ist folgende: In (ländlichen) Gebieten, in denen weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen werden, soll es auch tiefere Prämien geben. Tatsächlich kostet ein Berner Landbewohner die Versicherer weniger als einer aus den grossen Ballungsräumen. Doch zeigen neue Zahlen des Bundesamts für Gesundheit, dass die Unterschiede geringer sind als lange gedacht.

Im Oberaargau etwa kostet ein Versicherter jeden Monat nur zehn Franken weniger als ein solcher aus dem Gebiet Bern-Mittelland. Wegen der Prämienregionen muss ein Oberaargauer aber satte 61 Franken pro Monat weniger bezahlen, das zeigen Berechnungen des «Bund». Das heisst: Eine Person aus der Region Bern zahlt für exakt dieselben Leistungen im Schnitt 612 Franken (bei einer jährlichen Durchschnittsprämie von 6100 Franken) mehr.

Entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung sorgen die Prämienregionen heute also dafür, dass die ländlichen Gebiete von den Zentren teilweise quersubventioniert werden. Der Grund: Der unterschiedliche strukturelle und demografische Wandel in den Kantonsteilen, der zu Kostenverschiebungen geführt hat. Mit der geplanten Neueinteilung will der Bund solchen Missständen nun begegnen. So sollen die Prämienregionen künftig anhand der neuen Verwaltungskreise eingeteilt werden. Doch drohen durch einen erneuten Strukturwandel aber neue Verzerrungen.

Als zweite Massnahme schlägt der Bund eine Reduktion der Regionen vor: Anstatt drei soll es künftig nur noch zwei geben. Unter dem Strich würden die Prämien so in und um die drei grossen Städten leicht sinken – ansonsten aber leicht bis stark ansteigen. Die Berner Regierung wehrt sich in ihrer dem «Bund» vorliegenden Vernehmlassungsantwort gegen diese Massnahme. Ihr Argument, dass bei drei Prämienregionen eine bessere Abstufung möglich sei, ist zutreffend. Aufgrund der relativ geringen Kostenunterschiede innerhalb des Kantons scheint eine Reduktion aber gerechtfertigt.

Kein kostendämpfender Effekt

Entlarvend ist das Hauptargument des Regierungsrats, durch die Neueinteilung müssten 60 Prozent der Bevölkerung in eine teurere Prämienregion wechseln. Steigende Krankenkassenprämien sind unpopulär – zumal die betroffnen ruralen Gebieten die Stammlanden des bürgerlichen Regierungsrats sind.

Analog dazu wehren sich auch die Krankenkassen gegen die Reduktion der Regionen. Sie fürchten durch den Prämienanstieg ihre Kunden zu vergraulen. Zudem bieten mehreren Prämienregionen den Kassen Vorteile: Auch hochpreisige Krankenkassen können in manchen Prämienregionen durch Quersubventionierungen günstige Prämien anbieten. Dies zu tun, stellen die Kassen in Abrede. Das erwähnte Fallbeispiel zeigt aber auf, dass es solche Quersubventionierungen in der Praxis durchaus gibt. Die Krankenkassen argumentieren anders. Sie sagen, dass die Prämienregionen die Selbverantwortung stärke. Doch es ist mehr als fraglich, ob Versicherte tatsächlich weniger zum Arzt gehen, einzig um die Prämien in ihrer Region tief zu halten. Der Effekt wäre winzig: In jeder Prämienregionen leben Hundertausende Personen.

Und so wäre es zumindest eine Debatte wert, ob die Prämienregionen nicht ganz abgeschafft werden sollten. So könnte nicht nur die Solidarität gestärkt, sondern letztlich auch für mehr Gerechtigkeit gesorgt werden.