Ingolstadt:Staatsanwaltschaft ermittelt in Klinik-Korruptionsaffäre gegen zwölf Verdächtige

Ingolstadt: "Ich habe keine goldenen Wasserhähne." Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel sieht sich als Aufklärer.

"Ich habe keine goldenen Wasserhähne." Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel sieht sich als Aufklärer.

(Foto: privat)
  • In der Korruptionsaffäre am Ingolstädter Klinikum hat die Opposition dem Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) 90 Fragen vorgelegt, um unter anderem seine Verbindung zum Ex-OB Alfred Lehmann (CSU) zu klären.
  • Lehmann steht auf der Gehaltsliste einer Unternehmensberatung, die schon mehrmals für Stadt und Klinikum tätig wurde.
  • Dieselbe Unternehmensberatung besetzte im Auftrag der Stadtverwaltung auch mehrere Top-Jobs.

Von Johann Osel, Ingolstadt

Details über Details: Wer hat wann was gewusst, wann hatte wer mit wem welche geschäftlichen Beziehungen? Der Ingolstädter Stadtrat trat am Montag zu einer Sondersitzung zusammen, bis in die Abendstunden. Zur Affäre am örtlichen Klinikum, die mittlerweile zu einem Bündel dubioser Angelegenheiten geworden ist.

Einen Katalog von nicht weniger als 70 Fragen hatte die Opposition Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) vorgelegt und harrte der Antworten. Doch bevor es dazu kam, ging es um Stilfragen. Man sei in einer Situation, sagte ein SPD-Rat, in der Nachfragen "zur Unverschämtheit hochstilisiert" würden. Wer aufklären wolle, der sei Anwürfen ausgesetzt - "Brunnenvergifter, apokalyptische Reiter der Opposition". Die CSU-Fraktionsspitze sprach dagegen von "ehrlichem Bemühen um Aufklärung", "wir alle wollen nichts vertuschen". Und Gerüchte seien keine sachlichen Argumente. Verhärtete Fronten.

In Ingolstadt kocht es, darüber können die Minusgrade in der Stadt nicht hinwegtäuschen. Über Monate sind Ermittler ein- und ausgegangen im Klinikum, "Razzien, wie sie eher zu einem Puff passen als zu einem zentralen Krankenhaus der Region", wie man in der Sitzung hört. Ermittlungen, Durchsuchungen und Beschlagnahmungen aber auch andernorts in Ingolstadt, sogar im Rathaus, dazu anonyme Briefe, persönliche Attacken, fast tägliche neue Vorwürfe oder Merkwürdigkeiten.

Ausgangspunkt ist die Frage, ob der frühere und Mitte Januar entlassene Geschäftsführer des Klinikums Familienangehörige bevorzugt und Firmen, an denen seine Kinder beteiligt sind, lukrative Aufträge besorgt hat. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwölf Personen. Der Auftrag für Erstellung und Wartung einer neuen Internetseite für die Klinik hat zum Beispiel mehr als 400 000 Euro gekostet.

Auch steht Ex-Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU), der von 2002 bis 2014 im Amt war und an Lösel übergab, im Visier. Er hatte jüngst sein Stadtratsmandat niedergelegt. Die Staatsanwälte prüfen Lehmanns Kauf einer Wohnung - auf dem alten Klinikgelände. Das Klinikum gehört mehrheitlich der Stadt, der OB ist dort Aufsichtsratschef. Und da ist noch die "Headhunter-Affäre"- zu deutsch Kopfjäger -, die Suche nach Spitzenpersonal. Der Alt-OB steht seit 2014 auf der Gehaltsliste der Unternehmensberatung Labbé. Mehrmals schon wurde Labbé für Stadt und Klinikum tätig.

Als "Kopfjäger" tritt nun die Opposition auf. Denn viele Fragen zielen auf die Rolle von OB Lösel und dessen Ingolstädter CSU. Die Opposition rügt ein ganzes System der "Filzokratie". Also die Fragen und Antworten: Beim Komplex Labbé erfuhr man im Stadtrat, dass der Kontakt zur Firma 2014 zustande kam - über Lehmann. Für die Stadtverwaltung hat Labbé die Besetzung zweier Referenten übernommen, beim Klinikum eines ärztlichen Direktors und zweier weiterer Top-Jobs.

Vergleichsangebote, wie es die städtische Vergabeordnung vorsieht, wurden nicht eingeholt, gesteht die Stadtverwaltung ein. Seit wann OB Lösel Kenntnis vom Engagement des Vorgängers beim Headhunter hatte, wollte die Opposition wissen. Im Sommer 2016 habe der Alt-OB das in einem Nebensatz erwähnt, Lösel sei von einer rein beratenden Funktion ausgegangen - dass der Alt-OB "assoziierter Senior Advisor" samt Honorar war, sei verschwiegen worden.

"Lösel war das absolute Ziehkind von Lehmann"

Lösel habe erst im September in einem anonymen Brief von einer umfassenderen Tätigkeit Lehmanns für Labbé erfahren. Beobachter halten dies angesichts der engen Bindung von Lehmann und Lösel für fraglich. Bevor Lehmann 2014 als OB abtrat, war Lösel dessen rechte Hand in der Stadt. "Lösel war das absolute Ziehkind von Lehmann", sagt einer, der die Verwaltung bestens kennt. Dass da der Job bei der Personalvermittlung so lange unbekannt blieb - "unvorstellbar".

Der gute Draht zwischen früherem und amtierendem OB zeigt sich auch daran, dass die beiden im Juli 2015 eine Firma gründeten - namens Arbor. Die Frauen der beiden Politiker und weitere Partner sind dabei, der Firma gehören Anteile an einem Gewerbeobjekt in Neuburg an der Donau. Ob diese Firma je für die Stadt oder im Auftrag der Stadt tätig wurde? Ob es Geschäftsbeziehungen gab? Auf die Fragen antwortete Lösel jeweils ein klares: "Selbst-ver-ständ-lich nein."

Die Firma sei eine Art Immobilienfonds, nicht in Ingolstadt aktiv - das sei "seine Altersvorsorge" und das solle "im Sinne meiner Familie auch privat bleiben". Dem Donaukurier sagte er mal zu dem längst schwelenden Thema: "Ich trage keine goldene Rolex, ich habe keine goldenen Wasserhähne." Beteiligt seien an Arbor außerdem die Sparkasse Neuburg und der Bauunternehmer Hans Mayr.

Lösel versprach weiterhin Aufklärung "in aller Offenheit und Transparenz", er legte rhetorisch einen souveränen Auftritt hin. Bei einem Namen freilich hat die Opposition aufgehorcht: beim Arbor-Partner Hans Mayr. Der Unternehmer ist in Ingolstadt sehr wohl aktiv, stadtbekannt, die SPD wähnt zudem eine finanzielle Verbindung zwischen Mayr und Alt-OB Lehmann. "Offenbar ein ziemliches Geflecht", sagte SPD-Fraktionschef Hans-Joachim Werner der SZ. Um "Licht hinein zu bringen", hat die Opposition gleich nach der Sitzung die 70 Fragen um 20 weitere ergänzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: