Warum die MHH eine neue Klinik will
Die Medizinische Hochschule aus der Luft betrachtet.
Quelle: MHH
Hannover. Man muss nicht lange durch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) gehen, bis das Dilemma offenkundig wird: Verbindungsgänge sind gesperrt und mit schweren Planen verhängt, dahinter hämmern, stemmen und bohren und Bauarbeiter. An die ständige Anwesenheit von Männern mit staubiger Arbeitskleidung haben sich die Beschäftigten der MHH längst gewöhnt. Aber nicht nur das: Der Verfall ist überall zu sehen und zu spüren. Auch in den Büros in der Verwaltung. Hinter manchen Schreibtischen zieht es so sehr durch die maroden Fenster, dass es die Beschäftigten dort im Winter nur mit Schal und Fleecepulli aushalten. Das hat für die MHH auch finanzielle Folgen: Fast 20 Millionen Euro pro Jahr gibt die Hochschule für Heizkosten aus.
Teile der MHH sind marode. Dort lauere ein „latentes bauliches Gefahrenpotenzial“, sagte jüngst der zuständige Abteilungsleiter des Wissenschaftsministeriums, Rüdiger Eichel, ohne Beispiele zu nennen. Das „Gefahrenpotenzial könne sich jederzeit zu einer konkreten Gefahr auswachsen“, davon sei „auch die Medizintechnik betroffen“, ergänzte der Ministeriumsvertreter.
Eine Milliarde Euro für die MHH
Der Zustand der MHH ist so dramatisch, dass Ministerpräsident Stephan Weil, Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic und Finanzminister Peter-Jürgen Schneider sich entschlossen haben, etwa eine Milliarde Euro in die Medizinische Hochschule zu stecken. Zentrale Gebäudeabschnitte sind so marode, dass sie auf einem internen Plan der MHH knallrot markiert sind: 100 Prozent Sanierungsbedarf. Das gilt zum Beispiel für den Bereich der Notaufnahme und die Labore. Aber auch das Zentrum der MHH mit dem Zentralklinikum, dem Bettenhaus, den Polikliniken und der Ladenpassage sind baufällig, Experten haben hier einen Sanierungsbedarf von mehr als 50 Prozent festgestellt. Der Brandschutz genügt schon längst nicht mehr den neuen Ansprüchen.
Derzeit erarbeiten Planungs- und Beratungsfirmen einen Masterplan für die MHH. Dabei geht es darum, wie die Klinik der Zukunft aussieht. Und es geht auch darum, wo die Klinik der Zukunft steht: In den alten, schon vorhandenen, und dann sanierten Gebäuden - oder in einem Neubau auf der Vorder- oder auf der Rückseite der MHH.
Eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen. Wenn man aber mit dem dreiköpfigen Präsidium der MHH spricht, ist schnell klar, dass der Neubau eines zentralen Klinikgebäudes mit Notaufnahme, OP-Bereich und Bettenhaus, die bevorzugte Variante ist. „Ein grundsätzlicher Bedarf für einen Neubau ist unabwendbar“, drückt es MHH-Präsident Christopher Baum aus. Eine Sanierung in einem Klinikgebäude, in dem dann über Jahre Krach durch Abrisshammer und Kernbohrungen herrschten, sei nur schwer auszuhalten, meint der für den medizinischen Bereich zuständige Vizepräsident Andreas Tecklenburg. Er führt auch die Kosten ins Feld. „Hinter jeder Wand oder Decke, die Sie hier öffnen, erwartet Sie eine Überraschung“, sagt er. Deshalb könne nicht von den üblichen Kosten für eine Sanierung ausgegangen, sondern es müsse stets mit dem doppelten Aufwand gerechnet werden, befürchtet MHH-Vizepräsidentin Andrea Aulkemeyer, zuständig für Wirtschaftsführung und auch für die Baupläne.
Problem mit Asbest-Altlasten
Zudem wurde beim Bau der Klinik viel Asbest verbaut - auch das ein Problem, das nach Ansicht des Präsidiums gegen eine Sanierung und für einen Neubau spricht. Die Gebäude müssten komplett entkernt werden, weil heute völlig andere Ansprüche an die Räumlichkeiten einer Klinik gestellt würden als während des Baus der MHH in den Sechzigerjahren.
Für einen Neubau gibt es zwei Möglichkeiten: Auf der Rückseite der MHH am Stadtfelddamm wäre Platz, dort befinden sich derzeit noch Kleingärten. Allerdings gilt dieser Standort nicht als Ideallösung, weil er verkehrstechnisch nicht gut angebunden ist, auch der Stadtbahnanschluss ist recht weit vom Stadtfelddamm entfernt. In den Arbeitsgruppen mit den Ministerien ins Spiel gebrachte Laufbänder wie am Expo-Bahnhof quer durch das MHH-Gelände bis zum möglichen Neubau am Stadtfelddamm gelten in der MHH als utopischer Vorschlag. Auch im rund sieben Jahre alten Masterplan für die Zukunft der MHH, damals mit der Landeshauptstadt und Städteplanern erarbeitet, war ein Neubau im vorderen Bereich der MHH bevorzugt worden. Dort wo jetzt das Parkhaus steht.
Der Präsident und seine zwei Vizes stellen sich ein kompaktes Gebäude vor, ähnlich wie das Krankenhaus Siloah, mit etwa fünf Stockwerken. „Aus Brandschutzgründen würde man heute nicht mehr so hoch bauen, wie unser jetziges Bettenhaus“, sagt Tecklenburg. Herzstück in dem neuen Gebäude soll die Notaufnahme sein, als Verteilzentrum für die gesamte MHH. Damit wäre der seit Langem geplante Neubau der Notaufnahme am derzeitigen Standort vom Tisch. Die nicht mehr benötigten Gebäude würden dann abgerissen. Wo dann neue Parkplätze für die Patienten und Mitarbeiter entstehen, ist noch unklar. Möglich ist beispielsweise der Bau eines neuen Parkhauses, das dann von einem Privatunternehmen betrieben werden könnte.
Ministerium rechnet mit 22 Jahren bis Fertigstellung
Das Präsidium hofft, dass sich das Wissenschaftsministerium die MHH-Pläne zu eigen machen. Sicher ist das allerdings nicht, denn im Ministerium ist der Unmut über die MHH offenbar groß. In der Medizinischen Hochschule habe die Priorität in den vergangenen Jahren nicht immer auf der Krankenversorgung gelegen, sagte Ministeriumsmitarbeiter Eichel jüngst im Haushaltsausschuss. Prof. Baum weist das natürlich zurück.
Erste Planungen für die Neubauten sollen bis zum Jahresende fertig sein, das Ministerium rechnet mit 22 Jahren bis zu einer Fertigstellung des Neubaus. Das Wissenschaftsministerium will sich das alles über all die Zeit genau ansehen. Man werde die MHH „genau begleiten“, kündigte Eichel an.
HAZ