Krefeld Notfallhilfe: Stadt verzichtet auf fünf Millionen

Krefeld · Die Krankenkassen durften sich freuen. Die Stadt Krefeld hat in den zurückliegenden Jahren für ihre Notfallrettung kräftig draufgezahlt, statt das Geld über die Gebühren bei den Kassen abzurechnen. Das liegt daran, dass die Kommune die Gebührensatzung 15 Jahre lang nicht angepasst hat (wir berichteten exklusiv). Lediglich die Höhe der nicht abgerechneten Beträge ist noch strittig. Insider sprechen von mindestens 15 Millionen Euro, die Stadt selbst nun auf Druck der CDU von 4,85 Millionen Euro. In einer anderen Aufstellung von 10,8 Millionen Euro.

 Die Grafik macht die Modellrechnung anschaulich. Um dem Argument zu begegnen, die gestiegene Zahl der Einsätze hätte über die Jahre zu einer Kostendeckung geführt, geht die Modellrechnung von den aktuellen Einsatzahlen 35.000 im Vergleich aus. Tatsächlich waren die Einsatzzahlen ab 2002 und damit die Einnahmen aber deutlich geringer. Die Modellrechnung geht also von einer geschönten Ausgangslage aus und kommt trotzdem zu einem Gebührenminus in Millionenhöhe.

Die Grafik macht die Modellrechnung anschaulich. Um dem Argument zu begegnen, die gestiegene Zahl der Einsätze hätte über die Jahre zu einer Kostendeckung geführt, geht die Modellrechnung von den aktuellen Einsatzahlen 35.000 im Vergleich aus. Tatsächlich waren die Einsatzzahlen ab 2002 und damit die Einnahmen aber deutlich geringer. Die Modellrechnung geht also von einer geschönten Ausgangslage aus und kommt trotzdem zu einem Gebührenminus in Millionenhöhe.

Foto: dpa

Die Stadtverwaltung räumte in der Sitzung des Ausschusses für Verwaltung, Vergabe, Ordnung und Sicherheit erstmals ein, Millionenbeträge nicht von den Krankenkassen eingefordert zu haben, weil die Gebührensatzung total veraltet war. Nachdem die CDU-Ratsfraktion detaillierte Auskünfte zur Thematik erbeten hat, präsentierte die Kommune eine Liste, aus der hervorgeht, dass die Stadt aus Steuermitteln für ihre Notfallrettung hat knapp fünf Millionen Euro zuschießen müssen, um die mit den Krankenkassen abrechenbaren Kosten aufzubringen.

In einer anderen Aufstellung summieren sich die Fehlbeträge über 15 Jahre sogar auf 10,8 Millionen Euro. Darin seien allerdings die Ausgaben für Fehlalarme und Begleitfahrten für die Feuerwehr mit enthalten, informierte die Verwaltung. Diese Ausgaben seien nach dem Kommunalen Abgabengesetz nicht in die Gebühren einrechenbar.

SPD-Ratsherr Hans Butzen nahm die Informationen zum Anlass, zu betonen, dass aus der 15-jährigen Untätigkeit bei der Anpassung der Gebühren für die Notfallrettung kein "Skandal" abzuleiten sei. Der Ratsherr sprach sich und seine Kollegen schnell von jeder Schuld frei. Dass die Gebührensatzung über einen solch langen Zeitraum nicht angepasst wurde, ist nämlich nicht nur ein Versäumnis der Verwaltung, sondern auch der Politik. Den Krankenkassen ohne Not eine Ermäßigung in Höhe von eingestandenen fünf Millionen Euro gewährt zu haben, ist für Butzen kein Skandal.

Der Bund der Steuerzahler sprach in diesem Zusammenhang von einem "Tiefschlaf der Verantwortlichen" in Krefeld. Schlussendlich dürfte erst ein Wirtschaftsprüfer komplette Aufklärung liefern. Denn die Zahlen aus den Anfangsjahren stammen aus der Zeit, als Städte und Gemeinden ihre Finanzhaushalte nach den Grundsätzen der Kameralistik führten. Damals waren Kosten für eine Leistung oder für ein Produkt nicht an einer Stelle im Finanzplan zusammengefasst, sondern auf mehrere Haushaltspositionen verteilt. Dass die Kommune damit zu der Zeit und in der Übergangsphase zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement ihre Problem hatte, darauf deuten einige Aussagen im Bericht der Verwaltung hin. Darin ist von einmaligen Ereignissen die Rede, die in einzelnen Jahren die Kosten in die Höhe getrieben hätten. Speziell wurden Fahrzeugreparaturen und kurzfristige und vorübergehende Anmietungen von Rettungsfahrzeugen genannt. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass zum Beispiel der Werteverlust des Fuhrparks nicht in die Gebühren eingerechnet war - die so genannten kalkulatorischen Abschreibungen.

Seit die Stadt mit der Software des Unternehmens SAP in der Finanzverwaltung arbeitet - seit dem Jahr 2011 -, sind 4,33 Millionen Euro aktenkundig, die nicht mit den Krankenkassen abgerechnet wurden. Diese Zahlen stützen eher die Vermutung, dass die Stadt seit 2002 auf rund 15 Millionen Euro Einnahmen von den Krankenkassen verzichtet hat.

Die Modellrechnung dazu: Für 2002 wären für 35.000 Einsätze (tatsächlich waren es nur 23.516) 8.288.700 Euro Gebühren angefallen. 2016 wären es nach der neuen Gebühr für die selbe Einsatzzahl 12.231.130 Euro. Die Differenz beträgt knapp vier Millionen Euro - genau: 3.924430 Euro. Unterstellt, die Kosten sind in dem Zeitraum linear angestiegen, dann ergibt sich ein durchschnittliches Minus von zwei Millionen Euro pro Jahr. Das macht in 15 Jahren eine Summe von 30 Millionen Euro.

Unterstellt, dass die Kostensteigerung nicht linear, sondern verstärkt erst in den letzten Jahren erfolgte, wäre eher die Hälfte - nämlich 15 Millionen Euro - anzusetzen.

Ob nun fünf, zehn oder 15 Millionen Euro nicht geforderte Gebühren von den Krankenkassen, die Stadt befand und befindet sich im Haushaltssicherungskonzept, weil die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Einige Jahre befand sich Krefeld sogar im Nothaushalt, durfte ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde nichts unternehmen. Schlussendlich sagte auch der Hülser Ratsherr Butzen: "In einigen Jahren hat es doch eminente Defizite gegeben."

(sti)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort