Operation am offenen Herzen: Chirurg und OP-Schwester im Einsatz. Die steigende Zahl von Krankenhaus-Ärzten kostet kommunale Kliniken zusätzliche Millionen. (Foto: Imago/Westende61)
Gesundheit

Malade Krankenhäuser

Ansbach, Neu-Ulm, Main-Spessart, Kelheim - viele kommunale Spitäler kämpfen mit tiefroten Zahlen. Fast die Hälfte der Klinik-Chefs in Bayern rechnet für 2016 mit einem Defizit, offenbart eine Umfrage. Die steigenden Personalkosten vermiesen ihnen die Bilanz. Städte und Landkreise müssen die Verluste ausgleichen.

Im Januar zogen die politisch Verantwortlichen in Mittelfranken die Reißleine und schassten die Klinik-Chefin. Denn der kommunale Krankenhaus-Verbund „ANregiomed“ mit Hospitälern in Ansbach, Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl und Feuchtwangen ringt ums Überleben. Rund 15 Millionen Euro Defizit allein im vergangenen Jahr, die sich bis 2021 bis auf das Dreifache aufsummieren könnten, dazu Bank-Schulden von 66 Millionen Euro – drastische Sparmaßnahmen dürften erforderlich werden. „Verfehlungen und falsche strategische Weichenstellungen“ wirft der CSU-Kreisvorsitzende Jan Helmer dem bisherigen Management vor.

Kliniken am Tropf

Mit der Misere des Unternehmens, das zu 60 Prozent dem Landkreis und zu 40 Prozent der Stadt Ansbach gehört, steht die Region nicht alleine da. Beinahe jede zweite bayerische Klinik weise für das abgelaufene Geschäftsjahr ein negatives Bilanzergebnis aus, teilt die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) mit. In einer Umfrage unter den Leitern der 350 Häuser gaben 42 Prozent an, sie hätten für 2016 ein Defizit in den Büchern stehen. Auch für das laufende Jahr sehen sie kaum Besserung. 44 Prozent der Klinikleiter befürchten ein negatives Betriebsergebnis, 30 Prozent hoffen auf eine „schwarze Null“. Die prekäre ökonomische Situation beschreibt BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein als „Dauerbelastung“ für die rund 360 Krankenhäuser im Freistaat mit ihren 170.000 Beschäftigten.

Vor allem die jährlichen Gehaltssteigerungen für die Mitarbeiter sieht Hasenbein als fortschreitendes Problem. Diese müssten von den Trägern „endlich vollständig finanziert werden“. Also in vielen Fällen von den Kommunen und Landkreisen, denen die Einrichtungen gehören. Zudem ist allein die Zahl der Ärzte an bayerischen Krankenhäusern in den vergangenen zehn Jahren von 19.900 auf 27.000 gewachsen. Die vielen zusätzlichen Mediziner müssen teuer entlohnt werden.

Die mit der Krankenhausstrukturreform des letzten Jahres angekündigte wirtschaftliche Entlastung kommt bislang bei den Krankenhäusern nicht an.

Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer Bayerische Krankenhausgesellschaft

Zwar versprach Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit der so genannten Krankenhausstrukturreform vom Januar 2016 den Kliniken zusätzlich „bis zu 830 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr, um dauerhaft mehr Personal zu beschäftigen“. Doch Hasenbein bemängelt, dass die „angekündigte wirtschaftliche Entlastung bislang bei den Krankenhäusern nicht ankommt“.

Immerhin gibt es für die Baumaßnahmen der Krankenhäuser das bayerische Jahreskrankenhausbauprogramm mit insgesamt 349 Millionen Euro.

Bilanzen im Krankenstand

Einstweilen kämpfen in Bayern zahlreiche Spitäler quer durch die Regierungsbezirke mit roten Zahlen. So kündigten die Kliniken in Neu-Ulm (Schwaben) für 2015 und 2016 rund 13 Millionen Euro Miese an. Das Klinikum Main-Spessart mit Standorten in Karlstadt, Marktheidenfeld und Lohr (Unterfranken) schreibt ebenfalls tiefrote Zahlen, für 2016 wurde ein Defizit von 10 Millionen Euro erwartet. Dort sollen die drei Kreiskliniken zu einer fusionieren. Der Landkreis Kelheim (Niederbayern) muss rund 1,4 Millionen Euro mehr an die Goldberg-Klinik überweisen als ursprünglich geplant – insgesamt 2,3 Millionen Euro. Die städtischen Kliniken in München (Oberbayern) mit Niederlassungen in den Stadtteilen Bogenhausen, Harlaching, Schwabing, Neuperlach und der Innenstadt weisen nach Jahren erheblicher Verluste für 2016 zwar einen operativen Gewinn von 5,4 Millionen aus, allerdings wohl nur, weil sie mit Immobilienverkäufen Sondererlöse erzielten. Für die vergangenen Verluste war allerdings auch die Parteibuchwirtschaft der alten rot-grünen Stadtregierung in der Geschäftsführung der Kliniken verantwortlich, bei der offenbar nicht die Kompetenz ausschlaggebendes Besetzungskriterium war.

Ärztliche Schweigepflicht?

Kaufbeuren im Ostallgäu, Landkreis Haßberge, Mainburg – die Liste der Häuser mit finanziellen Problemen ließe sich lange fortsetzen. Nach ihrer Umfrage unter Klinik-Chefs verfügt die Bayerische Krankenhausgesellschaft sogar über eine vollständige Auflistung. Sie will diese aber nicht preisgeben, weil sie den Befragten Vertraulichkeit zugesichert hat. Dabei werden deren Defizite früher oder später ohnehin publik – wenn die Öffentlichkeit sie begleichen muss.