Kommentar

Mehr Mut zu gesundem Markt

Die Einführung von Fallpauschalen hat nicht zu tieferen Spitalkosten geführt. Doch das heisst nicht, dass das Konzept verfehlt ist – im Gegenteil: Der Wettbewerb muss gestärkt werden.

Daniel Gerny
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Im Spitalbereich ist eine für die Patienten transparente Qualitätskontrolle notwendig, die aufzeigt, welche Anbieter am besten arbeiten. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Im Spitalbereich ist eine für die Patienten transparente Qualitätskontrolle notwendig, die aufzeigt, welche Anbieter am besten arbeiten. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Für viele ist es eine herbe Enttäuschung, dass die Spitalkosten trotz Einführung von Fallpauschalen im Jahr 2012 weiter steigen. Doch das anhaltende Ausgabenwachstum bedeutet nicht, dass das Konzept verfehlt ist. Zwei Wirkungen hatten die Architekten der neuen Spitalfinanzierung vor Augen: Indem statt einzelne Leistungen (Eingriff, Pflege, Medikamente, Aufenthalt) Spitalbehandlungen pro Patient mit einer bestimmten Diagnose (Blinddarmentzündung) vergütet werden, sollte erstens die Transparenz erhöht werden – Voraussetzung für mehr Wettbewerb. Weil gleichzeitig Pauschalen auf Basis von Durchschnittswerten statt Behandlungskosten pro Einzelfall vergütet werden, sind die Spitäler – zweitens – gezwungen, ihre Prozesse zu optimieren. Nur so können sie ihre Marge steigern und Gewinne schreiben.

Beide Effekte sollten die Kosten dämpfen, doch der Befreiungsschlag blieb dennoch aus. Das ist keine Überraschung: Ein Teil des Ausgabenwachstums hat – wie überall im Gesundheitswesen – mit dem Fortschritt zu tun: Es werden heute beispielsweise häufiger künstliche Gelenke implantiert, weil die Produkte besser und verträglicher geworden sind. Steigende Gesundheitskosten sind so gesehen auch ein Ausdruck von Wohlstand. Gleichzeitig ist das stark reglementierte Gesundheitswesen voller Fehlanreize, so dass auch wettbewerbliche Elemente ihre volle Wirkung nicht entfalten können. Es gibt zwar Anzeichen dafür, dass die revidierte Spitalfinanzierung Früchte trägt – beispielsweise die Tatsache, dass der Kostenanstieg im Spitalbereich inzwischen an Tempo verliert.

Doch andere Elemente im System mindern die Durchschlagskraft. So sorgen Boni dafür, dass häufige Operationen für Chirurgen interessant bleiben. Und weil nur Spitalbehandlungen mit Fallpauschalen abgerechnet werden, steigen nun einfach die Kosten für die Vor- und Nachbehandlung ausserhalb der Kliniken. Es gibt viele weitere Beispiele.

Es wird nie möglich sein, das perfekte Gesundheitssystem zu schaffen. Aber es wäre klug, den Wettbewerb im Gesundheitswesen Schritt für Schritt zu stärken: Im Spitalbereich ist eine für die Patienten transparente Qualitätskontrolle notwendig, die aufzeigt, welche Anbieter am besten arbeiten. Gleichzeitig sollten für ambulante und stationäre Behandlungen gleiche Spielregeln bei der Finanzierung gelten. Und die Kantone müssen sich noch stärker aus der Spitalplanung zurückziehen. Das alles würde integrierte Behandlungsmodelle ermöglichen, bei denen der Patient von der ersten Konsultation bis zum letzten Tag von einem einzigen Anbieter betreut würde. Viele preistreibende Impulse könnten auf diese Weise beseitigt werden.

Schliesslich trägt auch der Vertragszwang nicht unbedingt zur medizinischen Qualität bei. Er verpflichtet die Versicherer dazu, alle zugelassenen Leistungserbringer zu berücksichtigen, und zementiert Strukturen und Überkapazitäten. Die Voraussetzungen für weitergehende Reformen sind heute möglicherweise besser als vor einigen Jahren, als die Einführung von Fallpauschalen hart erkämpft werden musste: Denn der Gesetzgeber hat den Risikoausgleich laufend verfeinert. Er hat auf diese Weise dafür gesorgt, dass kranke Kunden für Versicherungen nicht zur finanziellen Last werden, die sie um jeden Preis loswerden müssen. Das stärkt die Position der Versicherten – die wichtigste Bedingung, um kostenwirksame Reformen endlich mehrheitsfähig zu machen.