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Den Spitälern geht das Geld aus

Erwirtschaftet eine ungenügende Marge: Das Kinderspital Zürich. Foto: Reto Oeschger

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Ein Blick in die Geschäftsberichte von sechzig Schweizer Betreibergesellschaften zeichnet ein alarmierendes Bild der Spitallandschaft. Viele Kliniken der öffentlichen Hand erwirtschaften zu tiefe Margen, um langfristig überleben zu können. Nötig wäre laut übereinstimmender Einschätzung der Gesundheitsexperten von KPMG, PWC und der Zürcher Ratingagentur Independent Credit View (ICV) ein Wert im Bereich von 10 Prozent, damit ein Spital die nötigen Investitionen in neue Geräte oder in die Gebäude stemmen kann.

Laut einer Studie von ICV erreichen Universitäts- und Kinder­spitäler im Schnitt aber nur rund 6 Prozent. Regionalspitäler kommen auf rund 7 Prozent. Bei Privatspitälern liegen die Margen ­dagegen weit über 10 Prozent. Eine Studie des Beratungsunternehmens PWC kommt zu ähnlichen Ergebnissen. 2015 erreichte mehr als die Hälfte der Spitäler die nötige Marge nicht. Besonders ­beunruhigend: Bei vielen ist das bereits seit mehreren Jahren der Fall. Das Finanzloch wird bei ­ihnen ­immer grösser, sie leben von den Reserven.

Die Top 15 und die 15 Flops

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Für Felix Schneuwly, den ­Gesundheitsexperten des Internetvergleichsdienstes Comparis, sprechen die Zahlen eine klare ­Sprache. «Die Schweiz hat zu viele Spitäler.» Er sieht zwei Möglichkeiten. Entweder schiesst die öffentliche Hand noch mehr Steuergelder ein. «Oder es kommt zur Struktur­bereinigung, etwa zur Schliessung von Spitälern.»

Bei der Auswertung von Independent Credit View traten nicht nur deutliche Unterschiede zwischen den privaten und den staatlichen Spitälern zutage. Sondern auch zwischen den Kliniken, die im ­Besitz von Kantonen oder Gemeinden sind.

Bild wird durch Subventionen verfälscht

Das Kantonsspital Winterthur erreichte beispielsweise eine Marge von 12,6 Prozent. Das Spital Einsiedeln dagegen kam auf einen Wert von nur 2,3 Prozent. «Unsere heutige Marge ist nicht existenzsichernd», bestätigt Direktor Reto Jeger. Er will sie darum mit verschiedenen Massnahmen erhöhen. So liess er eine neue Station bauen, auf der Patienten mit Zusatzversicherung behandelt werden können. Der Anteil dieser lukrativen Kunden ist in Einsiedeln bereits leicht gestiegen. Jeger ist überzeugt: Viele Spitäler können so ihre Margen verbessern. Doch nicht alle werden das schaffen. Dem einen oder anderen Spital werde darum «irgendwann der Schnauf aus­gehen», sagt Jeger.

Eine tiefe Marge weist auch das Kinderspital Zürich auf. Sie liegt gemäss der Erhebung von ICV bei 3,7 Prozent. Laut Finanzchef Michael Meier war sie 2015 wegen einer Umstellung der Rechnungslegung allerdings höher, nämlich 4,2 Prozent. Meier räumt aber ein, dass auch das noch zu wenig ist. Eine Institution wie das Kinderspital müsse einen Wert zwischen 10 und 12 Prozent erreichen, wenn ihr Fortbestand gesichert werden soll. Das Kinderspital plant darum einen Neubau, um ab 2021 seine verschiedenen Standorte zusammenzufassen. Das macht hohe Effizienzgewinne möglich, etwa dank kürzerer Wege für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten.

Zu tiefe Ertragskraft

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Vertreter von Spitälern mit tiefen Margen erklären, dass sie unter Ungleichgewichten im Spitalwesen leiden. Das Kinderspital Zürich etwa hat im Gegensatz zu kleineren öffentlichen oder zu privaten Spitälern die Pflicht, Assistenzärzte auszubilden. Die entstehenden Kosten sind laut Finanzchef Meier aber bei weitem nicht gedeckt.

Das Bild wird auch dadurch verfälscht, dass manche Kantone grosszügig Subventionen sprechen. Sie dürfen sogenannte gemeinwirtschaftliche Leistungen an ihre ­Spitäler ausrichten. Schwyz sei hier im Gegensatz zu anderen Kan­tonen zurückhaltend, sagt Reto ­Jeger. Die Folge: Das Spital Einsiedeln steht unter deutlich höherem finanziellem Druck als Spitäler mit freigiebigeren Besitzern.

«Wenn die Autoindustrie solch ­ineffiziente Prozesse hätte wie das Gesundheitswesen, wären Autos doppelt so teuer und doppelt so pannenanfällig.»

Comparis-Experte Felix Scheuwly

Die Ungleichgewichte sind aber keine Erklärung dafür, warum die Margen von privaten und öffentlichen Spitälern so weit auseinanderklaffen. Comparis-Experte Schneuwly sagt, dem öffentlichen Spitalsektor fehle es an Effizienz. «Wenn die Autoindustrie solch ­ineffiziente Prozesse hätte wie das Gesundheitswesen, wären Autos doppelt so teuer und doppelt so pannenanfällig.»

Beispiele dafür sind veraltete IT-Systeme oder komplizierte Abläufe in den Operationssälen. Laut Kurt Hess von Independent Credit View herrscht in öffentlichen Spitälern eine ganz andere Kultur als bei Privatspitälern, denn bei ihnen stehe der Profit nicht im Vordergrund. Falsch ist dagegen die weit verbreitete Meinung, dass sich Privatspitäler ihre höheren Margen durch schlechtere Leistungen erkaufen. Das belegt eine ­Analyse der von den Spitälern schweizweit erhobenen Daten zur Kundenzufriedenheit durch Independent Credit View: Patienten von Privatspitälern sind nicht ­weniger zufrieden als solche von öffentlichen Institutionen.

Nur mit Zusammenschlüssen kann richtig gespart werden Den öffentlichen Spitälern bleibt damit nur ein Weg: Sie müssen ­effizienter werden. Denkbar sind laut Kurt Hess Zusammenschlüsse oder verstärkte Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Häusern. Kleinere Spitäler könnten zum Beispiel keine Chirurgie mehr anbieten und diese an ein privates Spital übergeben. Der Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden prüft eine solche Massnahme.

Aus Sicht von PWC-Experte Philip Sommer lassen sich nur mit Zusammenschlüssen grosse Einsparungen erzielen. Innerhalb von Gruppen wird es einfacher, Strukturen anzupassen und Standorte zu redimensionieren oder zu schliessen.

«Die Tarife, welche die Spitäler erhalten, dürften aber nur leicht wachsen oder sogar stag­nieren.»

Philip Sommer, PWC

Die finanzielle Situation wird für die Spitäler derweil immer schwieriger. Die Kosten steigen weiter stark. «Die Tarife, welche die Spitäler erhalten, dürften aber nur leicht wachsen oder sogar stag­nieren», warnt Philip Sommer. Schon bald wird auch die öffentliche Hand die Löcher nicht mehr stopfen. Kantone, die heute hohe Subventionen auszahlen, können sich das angesichts des steigenden Drucks auf ihre Finanzen immer weniger leisten.

Trotz der wachsenden Probleme bauen die meisten Spitäler nicht ab, sondern aus, um sich im Markt zu behaupten. Gemäss der NZZ gehen Experten davon aus, dass in den nächsten Jahren 15 bis 20 Milliarden Franken verbaut werden. «Jedes Spital ist heute überzeugt, dass es am Ende zu den Gewinnern gehören wird», sagt ­Felix Schneuwly von Comparis. «Das kann nicht aufgehen».