Die Kliniklandschaft im Kreis Calw verändert sich. Das Krankenhaus in Nagold – hier im Foto – soll nach dem GÖK-Gutachten für annähernd 40 Millionen Euro saniert werden. Sollte das Gutachten nicht umgesetzt werden, will die CDU in Nagold prüfen lassen, ob nicht auch eine städtische Trägerschaft für die Klinik denkbar ist. Foto: Fritsch

CDU entwirft alternative Gedankenspiele für die Krankenhäuser. OB Großmann: "eine interessante Perspektive".

Nagold/Calw - Für den Fall, dass der Kreistag eine Strukturrefom der Kreiskliniken auf die lange Bank schiebt und damit den Bestand beider Kliniken gefährden sollte, hat die Nagolder CDU eine Option: die Übernahme des Nagolder Krankenhauses in städtische Regie. Landrat Helmut Riegger (CDU) reagierte, mit diesen christdemokratischen Gedankenspielen konfrontiert, "überrascht".

Die Idee, das 1977 erbaute Haus unter städtische Fittiche zu nehmen, ist nicht neu. Schon Alt-OB Rainer Prewo hatte, als er noch im Amt war, hinter verschlossenen Türen im Gemeinderat laut darüber nachgedacht, ohne dass diese Idee weiterverfolgt worden wäre. Und auch der freidemokratische Stadtrat Ulrich Mansfeld sinnierte erst vor wenigen Monaten in der Ratssitzung darüber, die Nagolder Klinik in kommunale Hand zu nehmen oder gar privat zu betrieben. Mansfeld stellt – auf Nachfrage unserer Zeitung – vor allem eines in Frage: den Verbleib im Klinikverbund. Der Verbund sei nicht nur "in der Struktur sehr schwerfällig". Den größten Nachteil bei den bestehenden Strukturen sieht der Freidemokrat daran, dass das "gut gehende Nagolder Krankenhaus dazu benutzt wird, um Defizite andernorts auszugleichen".

Hintergrund: Sollte das neueste Klinikgutachten umgesetzt werden – mit einem Neubau einer kleinen Calwer Klinik für 30 Millionen Euro und einer Schwerpunktversorgung in Nagold – würde ein wirtschaftlich gesundes Nagolder Haus ein weiter defizitäres Calwer Klinikum mittragen. So ist es in dem Gutachten vorgesehen. "So einfach geht es nicht, dass man das Nagolder Krankenhaus rauslöst", erklärte deswegen Landrat Helmut Riegger im Gespräch mit unserer Zeitung. Man brauche das Geld, das in Nagold erwirtschaftet werde, um Calw aufrecht zu erhalten. Riegger: "Ich glaube, dass die Stadt Nagold sich da verheben würde." Laut GÖK-Gutachten müssten in das Krankenhaus nahezu 40 Millionen Euro an Sanierungskosten gesteckt werden. Und überhaupt: "Das Konzept funktioniert nur, wenn beide Kliniken in einer Hand sind."

"Ein Weiter-so wäre der Tod beider Krankenhäuser"

Den Nagolder CDU-Stadtverband mit dem Vorsitzenden Kurt Reich und dem Fraktionschef Wolfgang Schäfer an der Spitze treibt bei seinen Gedankenspielen vor allem eine Sorge um: "Dass bedingt durch die öffentliche Diskussion und den dadurch entstehenden Druck es darauf hinausläuft, dass man sich wie vor zehn Jahren versucht durchzulavieren", erklärte Schäfer im Gespräch mit unserer Zeitung. Und er ist überzeugt: "Ein Weiter-so wäre der Tod beider Krankenhäuser." Falls also das Nagolder Haus dadurch in Gefahr gerate, müsse man eine städtische Trägerschaft ernsthaft prüfen. Vor allem weil dieses Haus – wie das GÖK-Gutachten zeige – wirtschaftlich betrieben werden könne.

Das Nagolder Klinikum, das lange schwarze Zahlen schrieb, war im Strudel der von der Bundespolitik gewollten Unterfinanzierung des Krankenhauswesens auch in die Miesen geraten. Im vergangenen Jahr lagen die Verluste bei 2,4 Millionen Euro, in Calw waren es sogar 3,8 Millionen Euro. Sollte sich der Landkreis nicht zu einer großen Strukturreform durchringen und den Status quo belassen, so haben die Gutachter prognostiziert, würde das Defizit der beiden Häuser in wenigen Jahren auf zehn Millionen anwachsen.

"Die Nagolder CDU hat das Gutachten offenbar genau gelesen und den Kern begriffen", reagierte Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann auf die von seinen Parteikollegen angestrengten Überlegungen und findet offenbar auch Gefallen daran: "Ich halte es für eine interessante und gute Perspektive." Sollte das Nagolder Haus wie von den Gutachtern vorgeschlagen zu dem 269-Betten-Klinikum mit Schwerpunktversorgung ausgebaut werden, würde es laut GÖK-Consulting im Jahr 2020 einen Überschuss von 5,3 Millionen Euro jährlich abwerfen. "Ein schönes Geld im Stadtsäckel", meint auch Fraktionschef Wolfgang Schäfer, der diese Überlegungen in der nächsten Fraktionssitzung debattieren will. OB Großmann hat eine "ernsthafte Prüfung" dieses Vorschlags, sobald er schriftlich gestellt würde, im Gemeinderat zugesagt.

Als CDU-Fraktionschef im Kreistag weiß Großmann indes auch um die Klippen einer kommunalen Lösung: "Ich wäre sehr überrascht, wenn der Landkreis Calw gerade dort die Trägerschaft aufgibt, wo er Geld verdienen kann." Vor allem Geld, das er dazu bräuchte, wie Landrat Riegger betonte, um Calw halten zu können. Die Calwer Klinik würde laut Gutachten im Jahr 2020 4,4 Millionen Euro Verluste schreiben. Ohne die finanziellen Transfers aus Nagold wäre das Calwer Haus also kaum überlebensfähig – es sei denn, der Landkreis übernähme die Defizite und würde sie über die Kreisumlage an die Kommunen weitergeben.

Von Roland Buckenmaier

Das Nagolder Klinikum in städtischer Hand? Auf den ersten Blick ist es eine Schnapsidee der Nagolder CDU. Selbst das finanziell weit potentere Sindelfingen gibt sein städtisches Krankenhaus auf. Und Nagold will sich jetzt einen sanierungsbedürftigen Koloss ans Bein binden? Sind da irgendwelche Unionisten größenwahnsinnig geworden? Bei Lichte betrachtet ist deren Szenario aber so abwegig nicht. In Nagold fürchtet man, dass die Klinikdebatte in einer Sackgasse enden und damit die ganze Strukturreform scheitern könnte. Insofern sind die Gedankenspiele nichts anderes als eine klare Ansage: Wenn der Kreis und vor allem Calw nicht mitmachen, dann machen wir’s halt alleine. Aber eines muss den CDU-Visionären auch klar sein: Mit ihrem Plan B haben sie Calw den Fehdehandschuh hingeworfen. Die Auseindersetzung wird an Schärfe zunehmen.