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Klinik-Chefin im Abseits

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Von Ude entmachtet: Klinik-Chefin Elizabeth Harrison ist an den Rand gedrängt. foto: marcus Schlaf
Von Ude entmachtet: Klinik-Chefin Elizabeth Harrison ist an den Rand gedrängt. foto: marcus Schlaf © -

München - Wer hat das Sagen bei den städtischen Kliniken? Bei der Sanierung hat die Politik die Macht an sich gerissen. Nun könnten die Tage von Elizabeth Harrison als Klinik-Chefin gezählt sein.

Ihre blauen Augen blitzen. Die grauen Haare trägt sie in alle Himmelsrichtungen verwuschelt. Sie kann äußerst charmant sein. Bezaubernd sogar. Sehr überzeugend. Und sie kann bissig werden. Kalkulierend. Gefährlich. Seit Februar 2011 leitet Elizabeth Harrison die städtischen Kliniken als Vorsitzende der Geschäftsführung. In ihrem Büro hängt ein Bild von Superman an der Wand. Die Kliniken, sie werden immer mehr zu ihrem persönlichen Kryptonit, jenem erfundenen Element, dem Superman einfach nicht gewachsen ist.

Die Medizinmanagerin trat als Heilsbringerin an. Als renommierte Expertin sollte sie das Stadtklinikum aus der Krise führen. Heute muss man feststellen: es ist ihr nicht gelungen. Die Heilsbringerin brachte keine Heilung.

Je deutlicher das wird, desto schärfer wird Harrison aus politischen Kreisen angeschossen. Sie habe nicht geliefert, heißt es. Kein Konzept. Keine Vision. Keine Trendwende. Unter Harrison hat sich die finanzielle Lage nicht verbessert. Es geht nur immer weiter bergab.

Harrisons Unterstützer entgegnen, der Stadtrat habe sie an die kurze Leine gelegt. Von Anfang an.

In der freien Wirtschaft greifen knallharte Sanierer meist zu zwei Instrumenten: Entlassungen und Standortschließungen. Beides darf Harrison nicht. Die Politik verbietet es. Eine Alternative lautet, hunderte Millionen Euro in die fünf Krankenhäuser zu stecken, um sie fit zu machen für den Markt - so wie es das Uni-Klinikum in Großhadern tut. Doch dafür fehlt Harrison das Geld. Das Stadtklinikum ist fast pleite, fährt jährlich rund 40 Millionen Euro Verlust ein. 1,5 Milliarden müssten in die marode Bausubstanz fließen. Doch es fließt nichts.

Die Politik fordert seit Jahren, das Klinikum solle Abteilungen zusammenlegen und Schwerpunkte bilden. Es macht wirtschaftlich keinen Sinn, dass jedes Haus alles anbietet. Doch Medizintechnik ist sensibel und komplex. Ohne bauliche Veränderungen sind Zusammenlegungen schwierig. Grob vereinfacht kann man es so ausdrücken: Harrison sagt, ohne Geld können wir nichts machen. Die Politik sagt, fangt endlich an etwas zu machen, sonst bekommt ihr kein Geld.

In diesem Teufelskreis verharrt die Sanierung seit drei Jahren. Im Oktober wurde dann öffentlich, was viele längst vermutet hatten: Der Sanierungsplan, den Harrison zusammen mit den Geschäftsführern Freddy Bergmann (Finanzen) und Hans-Jürgen Hennes (Medizin) zu verantworten hat, ist gescheitert. Bergmann gab zu, dass der Plan, mit dem Markt zu wachsen, nicht aufgegangen ist. Die schwarze Null: in weiter Ferne. Die Zuschüsse der Stadt: bald verfrühstückt.

Je schlechter die Nachrichten wurden, desto schlechter wurde auch das Verhältnis zwischen Harrison und der Stadtspitze. Vor einem Jahr sprach ihr OB Christian Ude noch wortgewaltig das Vertrauen aus. Heute klingt er anders. Darauf angesprochen, ob er Schwierigkeiten mit der Geschäftsführung habe, antwortet Ude: „Mit Bergmann und Hennes gibt es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Mit Harrison gibt es Anwaltsschriftsätze.“

Was Ude da zu verstehen gibt, lässt tief blicken. Offenbar kommuniziert die Klinik-Chefin in letzter Zeit verstärkt mit juristischem Beistand. Wie tief muss das Misstrauen sitzen, wenn ein Angestellter immer seinen Anwalt im Schlepptau hat, wenn er seinem Chef schreibt?

Die Situation eskalierte vollends im November, als Ude seinen Lenkungskreis gründete und die Kontrolle über die Sanierung an sich riss. Ude selbst hatte immer wieder davor gewarnt, wenn Stadträte oder Aufsichtsräte versuchten, ins operative Geschäft zu pfuschen. Jetzt hat er Harrison nicht nur entmachtet, er hat sie gedemütigt - egal ob es Absicht oder ein Kollateralschaden war.

Doch wofür braucht es eine Geschäftsführung, die jedes Jahr hunderttausende Euro verdient, aber nicht mehr führen darf? Statt ihr soll nun Boston Consulting einen Rettungsplan entwerfen. Ein Berater. Schon wieder. Was Rang und Namen hat, hatte schon seine Finger im Klinikum: McKinsey, PwC, Roland Berger und jetzt eben Boston. Viel, sehr viel Papier ist entstanden. Eine Lösung bisher nicht.

Noch macht Harrison, die Managerin, gute Miene. Doch in ihr brodelt es. Finanziell ist sie nicht abhängig von dem Job in München. Sie begreift sich als unabhängig, als Macherin. Die Vorstellung, zur Marionette der Politik zu verkommen, ist ihr zutiefst zuwider. „Sie glauben doch nicht, dass ich mir auf der Nase herumtanzen lassen“, sagte sie kurz nach Amtsantritt bei einem Treffen in ihrem Büro. Heute sagt sie nichts mehr. Ihr wurde ein Maulkorb verpasst, heißt es aus ihrem Umfeld. Es ist denkbar, dass ihre Schmerzgrenze bald erreicht ist und sie Ude eine Kündigung auf den Tisch knallt. Möglich ist auch, dass sie ihren Maulkorb dann herunterreißt und kräftig austeilt.

Das Szenario von einer Kündigung der Klinik-Chefin löst in politischen Kreisen nicht gerade Panik aus. „Dann sparen wir uns die Abfindung“, sagt einer trocken. „Ich beobachte das mit Ruhe“, sagt ein anderer. Rückendeckung hat Harrison kaum noch.

Zudem soll es auch innerhalb der Geschäftsführung knirschen. Bergmann und Hennes lassen Harrison oft allein im Regen stehen. Offiziell sagt natürlich niemand etwas dazu. Explizit darauf angesprochen, streitet Ude es aber auch nicht ab. Er lobt die beiden Männer im selben Atemzug, in dem er Harrison kritisiert.

Das Vertrauen ist zerrüttet. Das kann dem Unternehmen nur schaden. Noch fordert kein Stadtrat öffentlich Harrisons Entlassung. Vielleicht schafft die Managerin auch selbst Tatsachen, bevor es dazu kommt. Ob Bergmann und Hennes unter diesen Umständen bleiben würden, ist alles andere als sicher.

Thomas Schmidt

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