Privater Klinikbetreiber geht gegen Kritiker vor

Göttinger Zeitung muss Online-Artikel löschen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
2007 hatte Niedersachsens damalige CDU/FDP-Landesregierung zehn Landeskrankenhäuser (LKH) privatisiert. Der private Betreiber des früheren LKH Göttingen Asklepios hat nun juristische Schritte gegen Kritiker eingeleitet.

Nach der Veröffentlichung von Texten über vermeintliche Missstände in zwei seiner psychiatrischen Kliniken setzt der Krankenhauskonzern Asklepios nun die Kritiker unter Druck. Dem »Göttinger Tageblatt« wurde auf Betreiben des Konzerns gerichtlich untersagt, bestimmte Angaben von Mitarbeitern und Patienten zur Medikamentenausgabe, therapeutischen Gesprächen, Physiotherapie und Versorgung des Fuhrparks weiterhin zu verbreiten. Zudem erlegte das Göttinger Landgericht der Zeitung auf, einen mit »Patienten und Mitarbeiter gegen Asklepios« überschriebenen Bericht aus dem Internet herauszunehmen.

Über 100 Krankenhäuser

Die damalige niedersächsische, von CDU und FDP geführte Landesregierung hatte im Jahr 2007 gegen den massiven Protest von Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Patienten-Initiativen acht der zehn Landeskrankenhäuser (LKH) zur Behandlung psychisch Kranker an private Betreiber verkauft. Das LKH Göttingen und die in der Nähe der Stadt gelegene Klinik Tiefenbrunn gingen an Asklepios - der in Hamburg ansässige Konzern betreibt bundesweit mehr als 100 Krankenhäuser.

Der »Tageblatt«-Bericht, der nun nicht mehr veröffentlicht werden darf, beruhte nach Angaben der Redaktion auf Hinweisen von rund einem Dutzend Informanten, darunter Patienten, Pflegekräfte und Mediziner. In ihren Schilderungen ging es vor allem um Auswirkungen von Sparmaßnahmen in den Göttinger Asklepios-Häusern. So hätten Patienten nach Schließung der hauseigenen Bewegungsbäder ihre wassergymnastischen Übungen in einem öffentlichen Bad machen müssen - was Asklepios auch selbst einräumte.

Für den früheren ärztlichen Leiter der Klinik Tiefenbrunn, Prof. Ulrich Streeck, ist gerade dies ein Unding. Zumindest im Bad in Tiefenbrunn hätten Patienten »von qualifiziert ausgebildetem therapeutischen Personal in einem vertrauten, öffentlichen Blicken entzogenen Rahmen mit besonderen, anders nicht zu realisierenden psychosomatisch effektiven Mitteln behandelt werden« können. Die Schließung mit organisierten Besuchen im städtischen Hallenbad zu rechtfertigen, sei »entweder zynisch oder ahnungslos«.

Nach Ansicht von Streeck hat offenbar nicht mehr die medizinische Versorgung Priorität, »sondern die Ökonomie. Ihr ist die medizinische Versorgung abhängig nachgeordnet.« Auch aus einer Gruppe externer Therapeuten, die mit den Asklepios-Kliniken zusammenarbeiten, kommt Kritik. Sie verfolgten »mit großer Besorgnis die Verschlechterungen der stationären psychiatrischen Versorgung der Patienten seit Übernahme der Landeskrankenhäuser durch die Asklepios-Gruppe«, schreiben sie.

Auch gegen mindestens einen Leserbriefschreiber geht Asklepios vor. Anwälte des Unternehmens forderten ihn auf, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Der Mann aus dem Landkreis Göttingen hatte einen kritischen Leserbrief zur Unterbringung von Hamburger Asklepios-Mitarbeitern in den Göttinger Kliniken an das »Tageblatt« geschickt.

Gleich mit Rechnung

Aus Sicht der Anwaltskanzlei von Asklepios handelte es sich dabei um »Schmähkritik« und »üble Nachrede«. Der Schreiber sei deshalb »zur Unterlassung sowie zum Schadenersatz und zum Widerruf verpflichtet«. Und müsse zudem »die für die Abmahnung entstandenen Kosten« erstatten - die Rechnung sandten die Anwälte gleich mit. Für den Fall, dass die Erklärung nicht unterschrieben werde, drohten die Asklepios-Advokaten mit Schadenersatzklagen und »weitergehende(n) Maßnahmen«.

Die kritische Berichterstattung der Lokalzeitung rief inzwischen auch die Besuchskommission des Landes Niedersachsen auf den Plan, die die Zustände in den psychiatrischen Kliniken des Landes prüfen soll. Über die Ergebnisse der Visite im Göttinger Asklepios-Krankenhaus ist allerdings noch nichts bekannt geworden. Ihren Bericht will die Kommission erst 2014 dem Landtag überreichen.

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