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Per Ministerverordnung könnten unbewertete Behandlungsmethoden nach politischer Opportunität in die gesetzliche Krankenversicherung gelangen

Änderungsantrag des Bundesgesundheitsministeriums: Per Ministerverordnung könnten unbewertete Behandlungsmethoden nach politischer Opportunität in die gesetzliche Krankenversicherung gelangen (Gemeinsamer Bundesausschuss).



Zu dem am 10. Januar 2019 bekannt gewordenen fachfremden Änderungsantrag Nr. 28 zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) – Verordnungsermächtigung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Aufnahme weiterer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den
Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung – erklärt der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, heute in Berlin:

„Mit einer solchen Ermächtigung des BMG wäre der Weg in die Beliebigkeit und
Staatsmedizin vorprogrammiert. Per Ministerverordnung könnten
Behandlungsmethoden, deren Nutzen und Schaden völlig ungeklärt sind, nach
Belieben und politischer Opportunität in die gesetzliche Krankenversicherung
gelangen. Dies wäre ein vollständiger Systembruch.

Das BMG hätte nach geltender Rechtslage schon längst die Möglichkeit gehabt,
eine Behandlungsmethode – auch die Liposuktion beim Lipödem – zur
Kassenleistung zu machen, wenn es der Auffassung gewesen wäre, dass sie trotz
fehlender wissenschaftlicher Belege Patientinnen zur Verfügung stehen müsse.
Hätte das BMG – wie durch das Gesetz ermöglicht – vom G-BA eine
Beschlussfassung innerhalb von 6 Monaten verlangt und wäre diese Frist
fruchtlos verstrichen, wäre die Leistung per Gesetz Bestandteil der
Regelversorgung geworden. Die hieraus folgenden Risiken für die Gesundheit der
Patientinnen und die hieran anknüpfenden Rechtsrisiken hätten allerdings von
der Bundesregierung getragen werden müssen, wozu man offenkundig dann doch
nicht bereit war. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar und ungerechtfertigt,
dem G-BA hier Untätigkeit bzw. Verzögerung vorzuwerfen. Auch sind die
Beschlüsse in diesem wegen der unsicheren Studienlage leider langwierigen
G-BA-Verfahren vom BMG nicht beanstandet worden.

Nun liegt ein völlig systemfremder, überzogener und unangemessener Vorschlag in
Gestalt einer Verordnungsermächtigung auf dem Tisch, mit der ohne jede Evidenz
für 70 Millionen GKV-Versicherte nach politischem Belieben oder Kalkül
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die Regelversorgung gelangen
könnten.

Der geplante neue § 94a SGB V kann nur als ‚Methodenbewertung super light‘
bezeichnet werden und ist ein Schritt zurück ins medizinische Mittelalter, denn
er ersetzt in der Bundesrepublik Deutschland die mittlerweile sich weltweit
sogar in Schwellenländern als Standard durchsetzende evidenzbasierte Medizin
durch früher geltende Prinzipien der eminenzbasierten Medizin, die
jahrhundertelang Grundlage für unwirksame und gefährliche Anwendungen war, wie
etwa dem Aderlass.

Die aus gutem Grund vom Gesetzgeber im SGB V verankerte Bindung der
Versorgungsentscheidungen an die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin wird
damit über Bord geworfen. Aus gutem Grund müssen Leistungen der Krankenkassen
nach den grundlegenden Anforderungen des SGB V dem Qualitäts- und
Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen. Dies beinhaltet nach ständiger
Rechtsprechung und nach allen wissenschaftlichen Kriterien einen
Wirksamkeitsnachweis, der zumindest ein positives Nutzen-Schaden-Verhältnis
voraussetzt – ein elementarer Schutz vor unnützen oder gar schädlichen
Behandlungen. Auf diesen Wirksamkeitsnachweis soll nunmehr ausdrücklich
verzichtet werden. Dies kann Patientinnen und Patienten direkt gefährden,
insbesondere in den Fällen, in denen der G-BA nach einer Bewertung eine Methode
wegen eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises nicht in die Regelversorgung
aufgenommen oder sie sogar ausgeschlossen hat. Darüber hinaus verstößt die
geplante ‚Methodenbewertung super light‘ gegen das als Grundprinzip postulierte
Wirtschaftlichkeitsgebot, durch das die Versichertengemeinschaft vor
Überforderung durch den Ausschluss von nach dem Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse nicht nützlichen Interventionen aus der Finanzierung durch die GKV
geschützt werden soll. Diese Norm gewinnt angesichts des rasanten
medizinisch-technischen Fortschritts und der demographischen Veränderung, die
erhebliche Ausgabensteigerungen erwarten lässt, zunehmend an Bedeutung. Auch
sie würde durch den geplanten § 94a SGB V auf dem Altar von
Partikularinteressen einzelner Leistungserbringer oder
Medizinproduktehersteller geopfert.“

Hintergrund

Der G‑BA hatte am 18. Januar 2018 die Eckpunkte für die Studie zur Erprobung
der Liposuktion (Fettabsaugung) bei Lipödem beschlossen. Mit Hilfe der Studie
sollen dringend benötigte Erkenntnisse über die Vor- und Nachteile der
Liposuktion gegenüber einer alleinigen nichtoperativen Behandlung gewonnen
werden. Im Juli 2017 war der G-BA zu der Feststellung gelangt, dass zu dieser
Methode keine ausreichende Evidenz für einen Nutzenbeleg vorliegt, dass sie
aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Um eine
abschließende Entscheidung darüber treffen zu können, ob diese Operation
künftig ambulant zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht
werden kann und welcher Qualitätssicherungsvorgaben es hierfür ggf. bedarf, ist
die Studie notwendig. Die für die nähere Ausgestaltung des Studiendesigns sowie
die Durchführung und Auswertung der Erprobungsstudie notwendige Beauftragung
einer unabhängigen wissenschaftlichen Institution wird in Kürze abgeschlossen.

Quelle: Gemeinsamer Bundesausschuss, 11.01.2019

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