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Demenzreport 2020

HKK Demenzreport 2020 - Einsatz von Psychopharmaka hochbedenklich (Download, PDF, 1,9 MB).



Demenz-Studie: Einsatz von Psychopharmaka hochbedenklich. Bremer Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske kritisiert Fehlversorgung mit Neuroleptika. Hausärzt*innen in der Zwickmühle. Aktivierende Pflege statt chemischer Ruhigstellung. Rund 30 % aller demenzerkrankten männlichen hkk-Versicherten bekamen im Zeitraum eines
Jahres mindestens einmal ein Psychopharmakon verordnet, obwohl
diese Medikamente bei Menschen mit Alzheimer­demenz mehr schaden als nutzen.
Dabei handelt es sich größtenteils um Neuroleptika, die üblicherweise bei
Schizophrenie und Psychosen angewendet werden. Das ist das Ergebnis des
aktuellen Demenzreports der Universität Bremen unter der Leitung des
Arzneimittelexperten Prof. Gerd Glaeske in Kooperation mit der hkk
Krankenkasse.
Bremer Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske kritisiert Fehlversorgung mit
Neuroleptika
Die Neuroleptika-Fehlversorgung belastet männliche und weibliche Patienten in
ähnlicher Weise. Die Analysen zeigen, dass der prozentuale Anteil der
betroffenen hkk-Versicherten mit Neuroleptika-Verordnungen über die Jahre
insgesamt sogar angestiegen ist.

Unterschiedliche Psychopharmaka und Schlafmittel, vor allem Neuroleptika und
Benzodiazepine, werden zusammengenommen deutlich häufiger verordnet als
Antidementiva. Diese sollten trotz mancher Zweifel an ihrer Wirksamkeit jedoch
bevorzugt eingesetzt werden, um die Chance zu erhöhen, das Fortschreiten der
Demenz zu verlangsamen.

„Es gibt keinen Grund, Demenzerkrankte mit konventionellen Neuroleptika zu
behandeln, da nicht belegt ist, dass diese Medikamente Verhaltensstörungen bei
den Betroffenen positiv beeinflussen“, sagt Glaeske.

Darüber hinaus verdichten sich seit einigen Jahren die Hinweise, dass
Neuroleptika bei Demenzerkrankten schwerwiegende unerwünschte Folgen, wie etwa
Herzinfarkt, Schlaganfall sowie Lungenentzündung, haben können und mit einer
insgesamt erhöhten Sterblichkeit zu rechnen ist. Die noch immer häufige
Verordnung ist auch deshalb besorgniserregend, weil die Zulassungsbehörden und
auch die pharmazeutischen Unternehmen die Ärzt*innen schon vor mehr als zehn
Jahren auf das erhöhte Sterberisiko hingewiesen haben.

Außerdem können Neuroleptika bei Ruhelosigkeit und sogenanntem herausfordernden
aggressiven Verhalten von Demenzpatient*innen möglicherweise zu einem rapiden
Verfall der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen. Glaeske: „Eine
kurzfristige Anwendung ist lediglich dann vertretbar, wenn die Betroffenen ohne
entsprechende Medikation eine unbeherrschbare Gefährdung für sich oder andere
sind.“

Hausärzt*innen in der Zwickmühle
Als Ursache für die häufige Anwendung von Neuroleptika über lange Zeiten nennen
Forscher[1] unter anderem emotionales Stressempfinden bei den
Betreuungspersonen (überwiegend bei den Pflegenden), das von Hilflosigkeit,
Überforderung, Ärger, Unzufriedenheit und körperlicher Bedrohung geprägt ist.

Die Bremer Hausärztin und Geriaterin Heike Diederichs-Egidi kennt die immensen
Belastungen von Angehörigen und Pflegekräften aus ihrem Praxisalltag: „Es ist
für alle extrem belastend, wenn ein dementes Familienmitglied jede Nacht Kinder
und Eltern aufweckt. Die Kinder schlafen in der Schule ein und die Eltern sind
praktisch arbeitsunfähig. Da befinde ich mich als Hausärztin in einer
Zwickmühle – wem werde ich jetzt wie gerecht und wessen gesundheitliches Risiko
schätze ich höher ein?“ Natürlich verschreibe sie dann zunächst Neuroleptika,
damit sich die Situation entschärft. Denn die gesundheitlichen Belastungen
seien auch für pflegende Angehörige und Pflegekräfte enorm. „In den
Pflegeheimen kommt der Personalmangel hinzu – diese Situation erlebe ich
zunehmend als unwürdig.“ Gleichwohl lehnt auch sie die längerfristige
Verordnung von Neuroleptika ab.

[1] Höwler E (2010). Herausforderndes Verhalten bei Personen mit demenziellen
Veränderungen aus der Perspektive von Pflegenden – Erleben und Strategien.
Stuttgart: Kohlhammer.

"Aktivierende Pflege statt chemischer Ruhigstellung"
Glaeske fordert deshalb, dass Verhaltensstörungen bei Demenz vorrangig durch
eine Optimierung der Pflegesituation, ein gezieltes Training von
Alltagsfertigkeiten oder durch milieutherapeutische Maßnahmen wie Ergotherapie
behandelt werden. „Das Wichtigste ist, für die Erkrankten so lange wie möglich
ihre Würde sowie ihre Alltagsfähigkeiten aufrechtzuerhalten und ihnen
Erinnerungen aus ihrer früheren Lebenszeit zu bewahren. Die immer noch weit
verbreitete Verordnung von ruhigstellenden Mitteln bei Menschen mit Demenz ist
langfristig keine akzeptable Strategie“, sagt der Bremer Arzneimittelexperte.
„Insgesamt sollten zudem die sich mehrenden Hinweise auf
Präventionsmöglichkeiten zur Verringerung der Alzheimer­demenz berücksichtigt
werden – Bewegung, Ernährung, Kommunikation und Beschäftigungsmöglichkeiten
gehören dazu.“

Diederichs-Egidi empfiehlt darüber hinaus die Verwendung von Biografiebögen und
auf die jeweilige Person zugeschnittene Beschäftigungsangebote in Pflegeheimen,
um den individuellen Bedürfnissen und Erfahrungen der Patient*innen gerecht
werden zu können. „Nicht jeder will tagein, tagaus Mensch ärgere Dich nicht
spielen“, so Diederichs-Egidi. Eine individuelle Ansprache helfe
Demenzerkrankten, sich zu beruhigen.

Unterstützung und eine kostenlose Beratung für Betroffene und Angehörige gibt
es unter www.wegweiser-demenz.de, www.deutsche-alzheimer.de und für Bremen
unter www.diks-bremen.de.

Über die hkk Krankenkasse (Handelskrankenkasse):
Die hkk zählt mit mehr als 700.000 Versicherten (davon mehr als 550.000
beitragszahlende Mitglieder), 23 Geschäftsstellen und 2.100 Servicepunkten zu
den großen gesetzlichen Krankenkassen. 2019 betrug das Versichertenwachstum
mehr als 50.000 Kunden. Mit ihrem Zusatzbeitrag von 0,39 Prozent ist sie das
sechste Jahr in Folge die günstigste deutschlandweit wählbare Krankenkasse. Zu
den überdurchschnittlichen Leistungen zählen unter anderem mehr als 1.000 Euro
Kostenübernahme je Versicherten und Jahr für Naturmedizin, Vorsorge sowie bei
Schwangerschaft. Das vorteilhafte Preis-Leistungs-Verhältnis wird durch eine
über Jahrzehnte gewachsene Finanzstärke und Verwaltungskosten ermöglicht, die
mehr als 25 Prozent unter dem Branchendurchschnitt liegen. Die rund 1.000
Mitarbeiter*innen der 1904 gegründeten hkk betreuen ein Ausgabenvolumen von
mehr als 2,5 Mrd. Euro (2,0 Mrd. Euro für die Kranken- und 500 Millionen Euro
für die Pflegeversicherung).

Quelle: Pressemitteilung, 19.11.2020

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