Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme wegen Komplikation

  • Liebes Forum
    :d_gutefrage: Folgendes Problem: Patient mit Tonsillektomie geht nach vier Tagen stationärer Behandlung heim. Zwei Tage später kommt er wieder in die Notfallaufnahme mit Nachblutungen im Rachenraum. Logischerweise eine Komplikation der Tonsillektomie meint die eine Partei (MDK und Kasse). Die andere Partei (HNO-Ärzte) sind der Meinung, das Nachblutungen bei Tonsillektomie relativ häufig vorkommen können, ohne das das KH die Komplikation zu verantworten hat. Jetzt kommt die leidige Diskussion:
    ohne Tonsillektomie keine Nachblutung. (Kasse)
    Ohne chron. Tonsillitis keine Tonsillektomie, (Arzt)
    Ohne Tonsillektomie bei chron. Tonsillitis Dauergebrauch für Antiobiotika, Nährboden für kostenintensivere Krankheitsbilder (Arzt)
    Ich persönlich möchte keine Diskussion führen bis zur Entstehungsgeschichte der Menschheit.

    Hat MDK und Kasse recht? Ja oder nein.

    Noch einen schönen Abend :i_drink:
    (etwaige Rechtschreibfehler mögen zu später Stunde entschuldigt werden)

  • Schönen guten Tag moda,

    natürlich ist die Nachblutung nach Tonsillektomie eine Komplikation der Tonsillektomie - aber eine schicksalhafte. Es gibt ein bestimmtes Risiko dafür, das sich jedoch meines Wissens weder durch die Operationstechnik, noch durch sonstige postoperative Maßnahmen wesentlich beeinflussen lässt. Auch die Patienten im Krankenhaus zu behalten, bis das Nachblutungsrisiko (i d. Regel zwischen 6. und 8. Tag) vorbei ist, wäre keine Lösung, weil man ja nicht vorher wissen kann, welcher Patient nachblutet und die Kasse sonst bei allen anderen wegen OGVD-Überschreitung prüfen würde.

    Daher handelt es sich zwar um eine Komplikation, aber keine, die im Verantwortungsbereich des Krankenhauses liegt. Somit ist der Fall nicht zusammenzuführen.

    Begründung:

    1.
    Mit der Einführung des Begriffs \"Verantwortungsbereich des Krankenhauses\" in diese Regelung kann nur gemeint sein, dass das Krankenhaus bzw. die Ärzte auch einen gewissen Einfluss auf das Auftreten einer Komplikation haben müssen. Denn der Zusammenhang mit einer im Krankenhaus durchgeführten Leistung war ja bereits in der ursprünglichen Formulierung als Bedingung hinreichend dargestellt. Mit dem \"Verantwortungsbereich\" muss demnach etwas gemeint sein, was über den blosen ursächlichen Zusammenhang (\"ohne Leistung keine Komplikation\") hinausgeht.

    2.
    Auf jeden Fall ausgeschlossen sind durch die Formulierung Komplikationen durch Fehlverhalten des Patienten oder der weiterbehandelnden Ärzte. War der Patient mehrere Tage zu Hause, kann ein solches Fehlverhalten nicht ausgeschlossen werden (beispielsweise grobe, unzerkaute Nahrung, die zum Ablösen des Schorfs und damit zur Nachblutung führte.

    3.
    Der Krankenkasse (bzw. ihrem \"medizinischem Organ\" dem MDK) obliegt als Begünstigtem dieser Regelung nach allgemeiner Rechtauffassung auch die Beweispflicht, dass die Vorussetzungen für den Anspruch erfüllt sind. Dies dürfe jedoch aufgrund von Punkt 2 schwer sein.


    Zugegeben: Das ist ein bischen theoretisch. In der Praxis würde ich mich schon fragen, um wieviel es dabei geht.


    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo,

    mit dem Begründungspunkt 2 meines Vorredners stimme ich völlig überein. Obwohl ich die Auslegung von Hr. Schaffert zum Pkt. 1 selbstversändlich respektiere bin ich hier andere Meinung, da Komplikationen zum bekannten Risiko einer jeden, auch \"lege artis\" durchgeführten Behandlung gehören. Somit muss es sich bei einer Komplikation nicht um eine Verschulden des KH´s im Sinne einer Verletzung der ärztl. Sorgfaltspflicht handeln. Eine Fallzusammenführung erscheint für mich in diesem Fall angemessen.

    Die vorher angeführten 3 \"Begründungspunkte\" erwecken für mich (bei allen nötigen Respekt) den Eindruck, als wolle man eine Fallzusammenführung zw. Komplikationen nahezu gänzlich ausschließen, was aber bestimmt nicht im Sinne der FPV sein kann, denn ansonsten wäre der § 2 Abs. 3 FPV ja überflüssig...

    mfG
    Einsparungsprinz

  • Schönen guten Tag Einsparungsprinz!

    Es geht auch für mich nicht um den Schuldbegriff, wiewohl der gewählte Begriff \"Verantwortungsbereich\" über die Assoziation \"für etwas Verantwortlich sein\" unglücklicherweise doch in gewisser Nähe zum Schuldbegriff angesiedelt ist. Dennoch sollte man dies trennen und ich habe bisher auch nicht die (teilweise von Krankenhäusern befürchtete) Erfahrung gemacht, dass unmittelbar nach einer entsprechenden Fallzusammenführung der Regress der Krankenkasse kommt.

    Ich sträube mich auch nicht grundsätzlich gegen eine Fallzusammenführung wegen Komplikation, aber ich sehe das sehr differenziert. Wir hatten auch schon einmal eine Diskussion zum gleichen Thema, aber da ging es um eine postoperative Infektion. Dort sehe ich durchaus Zusammenlegungspotential. Zwar gibt es auch hier eine statistisch ermittelbare Komplikationsrate. Dennoch sehe ich es als hinreichend wahrscheinlich an, dass die Infektion, insbesondere wenn sie tiefergehend ist, ihren Ursprung während der OP hat (es sei denn, es wurde nachweisbar an der Wund gekratzt o. ä).

    Dagegen betrachte ich die Nachblutung nach Tosillektomie oder eine Thrombose trotz ausreichender Prophylaxe als schicksalhaft und nicht im Verantwortungsbereich des Krankenhauses.

    Man mag darüber streiten können (auch über die Notwendigkeit des § 2 Abs 3 überhaupt). Sicherlich gibt es Grenzfälle, aber ich denke, dass die Einfügung des Begriffs des Verantwortungsbereiches ja nicht nur eine redaktionelle Änderung war und daher natürlich auch Auswirkungen auf die betroffenen Fälle haben muss.

    Daher formuliere ich sozusagen als Antithese zu Ihrer Aussage: Manche Krankenkassen bzw. mancher MDK erwecken für mich (bei allem Respekt) den Eindruck, als wolle man eine Änderung der Fallzusammenführungsregelung gegenüber der Ursprungsversion ausschließen und betrachte jede Komplikation als Fallzusamenführungsgrund. Dann wäre aber die Änderung der Formulierung überflüssig...
    :d_zwinker:
    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Herr Schaffert und alle anderen,
    gibt es inzwischen eigentlich ein BSG Urteil zu diesem o.g. Sachverhalt. Bei mir häufen sich die ungeklärten Fälle, wo MDK auf eine Fallzusammeführung pocht und ich u.a. aus o.g. Gründen nicht zusammenführe.

    Gruß
    Jan Cramer

    Dr. J. Cramer
    AGAPLESION Diakonieklinikum Hamburg

  • Hallo,

    wenn Ihr MDK auf Fallzusammenführung \"pocht\" scheint mir das recht mutig. Natürlich darf der MDK im Rahmen eines Gutachtens feststellen, dass es sich um eine \"Wiederaufnahme\" wegen \"Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung\" handelte. Daraus dann aber schon eine (leistungsrechtlich) Fallzusammenführung zu fordern, ohne darzulegen inwieweit die Komplikation in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fällt ... ?

    Siehe hierzu auch ein aufschlussreiches Dokument der bayerischen KHG: http://www.bkg-online.de/media/file/6942.faq2008.zip

    mfG

    C. Hirschberg

  • Liebes Forum,
    wenn ich den Tenor der Eintragungen dieses Forums richtig verstehe, würde eine Nierendysfunktion nach Transplantation nun auch nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen, wäre also schicksalhaft (analog der Nachblutung nach Tonsillektomie) u. müsste somit keine Fallzusammenführung wg. Komplikationen nach sich ziehen?
    Ich bin im Bereich des Medizincontrollings u.a. für die Überprüfung der Kodierungen tätig u. bräuchte aktuell einen Tipp bzgl. des Vorgenannten.
    Danke im Voraus!
    Mit freundlichen Grüßen
    P. Rosenke

  • Hallo moda, hallo Herr Schaffert,
    bin sehr erstaunt zu lesen, dass Sie Fälle nur zusammenlegen wollen, wenn die Komplikation im Verantwortungsbereich des KH liegt.
    Dieser Ansicht war ich früher auch, mir wurde aber klargemacht, dass es um Komplikationen im allgemeinen geht, egal, wer schuld ist. So musste ich auch schon Fälle zusammenlegen, wo der Patient wegen fehlender Compliance wiederkam bzw. einen, wo die Patientin am Entlassungstag das zweite Mal stürzte und mit einer erneuten Fraktur hier aufgenommen wurde.
    Was ist nun richtig?
    Gibt es da klare Bestimmungen?
    Viele Grüße aus dem sonnigen Sachsen
    anneDD

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Zitat


    Original von anneDD:
    bin sehr erstaunt zu lesen, dass Sie Fälle nur zusammenlegen wollen, wenn die Komplikation im Verantwortungsbereich des KH liegt.
    Dieser Ansicht war ich früher auch, mir wurde aber klargemacht, dass es um Komplikationen im allgemeinen geht, egal, wer schuld ist.

    Wer hat es denn geschafft, Ihnen die klare Formulierung der Regel so darzustellen, dass der Inhalt der Regel nicht angewendet werden soll?? Da steht doch klar drin, dass es im Verantwortungsbereich des KH sein muss! Oder welches Jahr der FPV legen Sie hier zugrunde?

    Zitat


    Original von anneDD:
    So musste ich auch schon Fälle zusammenlegen, wo der Patient wegen fehlender Compliance wiederkam bzw. einen, wo die Patientin am Entlassungstag das zweite Mal stürzte und mit einer erneuten Fraktur hier aufgenommen wurde.

    Sind sie sich sicher, dass hier nicht andere Gründe die Fallzusammenlegung nötig machte (z. B. Wiederaufnahme und gleiche Basis-DRG)? Ansonsten sind diese Fälle bestimmt nicht wegen einer Komplikation im Verantwortungsbereich der Klinik zu sehen (flüchtige oder ungeschickte Patienten vor den Türen der Klinik). Auch nicht als Komplikation der durchgeführten Leistung ohne Zusatz des Verantwortungsbereichs (alte FPV-Formulierung).

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Zitat


    Original von prosenke:
    eine Nierendysfunktion nach Transplantation nun auch nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen, wäre also schicksalhaft (analog der Nachblutung nach Tonsillektomie) u. müsste somit keine Fallzusammenführung wg. Komplikationen nach sich ziehen?

    Keinesfalls Fallzusammenführung wenn Fall aus 2008 oder später :d_neinnein: Es sei denn, Sie hätten was echt verkehrt gemacht (z.B. eine Klemme auf der Nierenarterie vergessen oder ähnliches).

  • Hallo anneDD,
    auch auf die Gefahr hin, dass Sie das schon wissen:

    §2 (3) FPV: Werden Patienten [...] wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung...

    Ist wirklich nicht böse gemeint, ich wundere mich nur über Ihre Frage, ob es da klare Bestimmungen gibt.

    Viele Grüße
    RT