Artikel zur "Rechtmäßigkeit" der uGVD Prüfung

  • Schönen guten Tag allerseits,

    nur bevor ein falscher Eindruck entsteht: Auch wenn mich das Mainzer Urteil überrascht hat, kann ich es nachvollziehen und finde es zumindest beachtenswert. Nur die anderen Argumentationen, insbesondere die Verknüpfung von § 17c KHG und § 275 SGB V sehe ich anders.

    Die hinter dem Mainzer Urteil steckende Argumentation sagt ja im Prinzip, dass die Fallpauschale die Normalfälle der jeweiligen Behandlung abdecken sollte. Weiter gedacht liefe es darauf hinaus, dass Abweichungen von der Grenzverweildauer Einzelfälle bleiben sollten, die dann auch ggf. gesondert zu begründen wären. Juristisch gesprochen würde sozusagen eine Beweispflicht eingeführt und zwar in Bezug auf die Überschreitungen für das Krankenhaus (warum musste der Patient länger bleiben als \"normal\") und für Forderungen nach Unterschreitungen müsste - durch den der diese Unterschreitung fordert - eben auch begründet werden, warum der Patient vom \"Normalfall\" abweichen sollte.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo zusammen,

    ich möchte nicht in die juristische Diskussion der Experten einsteigen - viele Aspekte, viele Sichtweisen...

    Mir wäre wichtig, mal wieder den grundsätzlichen Aspekt der nachträglichen Herabkürzung eines stationären Falles in Erinnerung zu bringen:
    Die volle Leistung wurde (i.d.R.) erbracht, der volle Ressourceneinsatz wurde geleistet. Dafür sieht das DRG-System den regulären Erlös vor.
    Die derzeit massenhaft stattfindende Prüfpraxis, hinterher (und oft wider besseres Wissen) einfach eine frühere Entlassung zu postulieren, die man ja glücklicherweise nicht als Behandler zu vertreten hat, ist meiner Meinung nach verkehrt, steht im Widerspruch zur Intention der uGVD und nutzt eine Regelungslücke aus, die dringend geschlossen werden muss.

    Hier wäre meines Erachtens eher der Gesetzgeber als die Gerichte gefordert.

    Viele Grüße
    RT

  • Ich stimme Ihnen zu - allerdings sollte dann zunächst auch grundlegend die Definition der jeweiligen mittl. VWD überarbeitet werden! inzwischen dürfte in vielen Fällen eine Entlassung innehalb der UGVD möglich sein, nur dass diese dann als allg. gültige VWD zu werten sein sollte. Die Angaben der VWD der DRG sind oft einfach total antquiert...

    Ferner muss klar sein, dass z.B. obligat oder fakultativ amb. zu erbringende Prozeduren, die (aus welchen Gründen auch immer) stationär durchgeführt werden, nicht automatisch ein \"Recht\" auf volle VWD haben - in diesen Fällen halte ich die Forderung zur Entlassung am Folgetag in den meisten Fällen für absolut legitim.

  • Schönen guten Tag allerseits,

    in den Abschlussberichten zur Kalkulation wird regelmäßig auf die Verweildauer und deren Berechnungsgrundlage eingegangen, die MVD wird auch regelmäßig aktualisiert. Antiquiert dabei finde ich höchstens, dass es zu jeder DRG (außer den expliziten \"one-day\" DRGS) eine UGVD von mindestens einem Tag gibt. Das macht meines Erachtens bei DRGs mit einer MVD von um die 2 Tage wenig Sinn, insbesondere da mir der Kostenunterschied beispielsweise bei einer Commotio zwischen dem ersten Tag und dem weiteren Tag nicht einleuchtet.

    @Rotes Tuch:
    Laut InEK ist zumindest bei den meisten DRGs die Hauptleistung auch mit Abschlägen im Tagesfall berücksichtigt.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo miteinander, hallo Herr Schaffert,

    1. genau diese inhaltliche Gleichsetzung der Prüfung nach 17c und 275 ist ja eine wesentliche Basis des besprochenen Artikels, so wie Simon das auch angesprochen hat. Ist dies nicht zu halten- warum nicht?- dann bricht das Konstrukt des Artikels für die Einzelfallprüfung auseinander- jetzt spiele ich den advocatus diaboli.

    2. zur Problematik der \"Korrektheit\" der Verweildauern, Abschläge -Zuschläge verweise ich auf den sehr interessanten Artikel von Herrn Fiori (DRG-Research Group) im gleichen \"Krankenhaus\"

    Schönes WE an alle

    Uwe Neiser


  • Hallo ZUsammen,

    ich habe den Artikel zwar noch nicht gelesen, aber als ehemaliger Kassenfuzzi und nunmehriger Abrechnungsleiter möchte ich das Urteil und die Diskussion noch mal kurz kommentieren:

    1. Die großen Abschläge bei der UGVD =1 kommen daher, dass bei diesen DRG jeweils der eine Tag gesondert kalkuliert wird. Bei allen anderen wird der Abschlag nach einem Algorhitmus abgeleitet (nachzulesen beim INEK). Die Argumentation des LSG, wonach deshalb die UGVD nicht geprüft werden darf, halte ich deshalb für hinfällig, da genau diese Fälle durchaus vorgesehen sind.

    2. Laut ständiger Rechtssprechung des BSG, und laut § 39 SGB V und nach allem weiteren darf der Patient nur dann im KH liegen, wenn es nötig ist. Die KK müssen nach § 275 SGB V auch prüfen, ob eine wirtschafltiche Leistungserbringung vorliegt. Deshalb müssen wir KH die Patienten entsprechend früh entlassen und die KK müssen das dannwie gesagt überprüfen.

    3. Sollte das LSG recht haben, bedeutete dies, dass die Art der Abrechnung die VWD des Patienten determineirt. Spätestens hier wird das ganze dann etwas absurd. Der Patient leigt natürlich genau solange im KH, wie er aus medizinischen GRünden muss, und nicht je nach DRG.

    und 4: Herr Schaffert, Sie haben vollkommen recht. 17c und 275 sind zwei Paar Schuhe. Das die UGVD bei der Stichprobenprüfung nicht geprüft wird, liegt wohl an einem Versehen des Gesetzgebers, für dessen Korrektur die hohen Herren wohl zu stolz waren.

    Was mich mittlerweile sogar freut.

    Gruß

    Bern

    ehemaliger Versicherungsvertreter

  • Schönen guten Tag allerseits,

    wie (von mir) erwartet, hat der erste Senat des Bundesverwaltungsgericht das Verfahren an das LSG zurückverwiesen, da die \"notwendige\" Verweildauer zu prüfen ist. Somit bleibt auch in der Frage der Unteren Grenzverweildauer die Prüfung der notwendigen Verweildauer rechtmäßig.

    Zitat


    aus dem Terminbericht Nr. 37/09 des BSG

    Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Es ist derzeit noch offen, ob die von der Klägerin geforderte Vergütung überhöht und die beklagte Trägerin der knappschaftlichen Krankenversicherung berechtigt war, 381,75 Euro von einer unstreitigen Forderung der Klägerin abzusetzen. Die Beklagte durfte geltend machen, dass nur \"ein\" voll abrechnungsfähiger Krankenhaus (KH)-Behandlungstag für die Koronarangiographie des Versicherten erforderlich gewesen wäre, obwohl dies zu einem Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer führt. Denn ein KH hat auch bei einer Vergütung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch nur für \"erforderliche\" KH-Behandlung. Die untere Grenzverweildauer beschreibt die Mindestverweildauer im KH ohne Vergütungsabschläge. Sie knüpft nicht an medizinische Gründe des Patientenschutzes an, sondern nur an Grundsätze der statistischen Normalverteilung. Die Klägerin hat zwar die Hauptleistung der betroffenen DRG-Ziffer F49C (Anlage 1 Teil a KFPV 2005) erbracht. Es fehlen aber Feststellungen des LSG dazu, dass eine Verweildauer im Umfang der zwei abgerechneten Tage tatsächlich medizinisch erforderlich war oder dass nur ein abrechnungsfähiger Tag für die Behandlung ausgereicht hätte. Der Beklagten war es auch nicht etwa wegen der schon erfolgten Bezahlung der KH-Rechnung verwehrt, sich - zeitnah, wie geschehen - auf die Erforderlichkeit nur eines Tages der KH-Behandlung zu berufen. Sie hat sich die Prüfung der Erforderlichkeit der KH-Verweildauer rechtswahrend vorbehalten und lediglich der vertraglich vereinbarten umgehenden Zahlung nach Rechnungslegung Folge geleistet. Das ändert in einem späteren Rückforderungsstreit regelmäßig nicht die Verteilung der Beweislast.

    Ich wünsche dennoch einen schönen Tag,

  • Hallo,

    also alles wie erwartet. Wie mag bloß das LSG gedacht haben?

    Mfg

    Uwe Neiser


  • Hallo,

    Zitat


    Original von R. Schaffert:
    Antiquiert dabei finde ich höchstens, dass es zu jeder DRG (außer den expliziten \"one-day\" DRGS) eine UGVD von mindestens einem Tag gibt. Das macht meines Erachtens bei DRGs mit einer MVD von um die 2 Tage wenig Sinn, insbesondere da mir der Kostenunterschied beispielsweise bei einer Commotio zwischen dem ersten Tag und dem weiteren Tag nicht einleuchtet.


    Bei den meisten DRG leuchtet mir der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Tag auch nicht ein. Die medizinische Hauptleistung ist erbracht - egal ob eine oder zwei Übernachtungen notwendig waren (und sei es die präoperative Nacht). Und die \"Hotelkosten\" schlagen in der Kalkulation mit zweistelligen Eurobeträgen zu Buche - bei einer DRG mit vierstelligen Beträgen. Daher kann also die Differenz zwischen dem Erlös bei einer Übernachtung und bei zweien nicht kommen.


    Zitat


    Original von R. Schaffert:
    Laut InEK ist zumindest bei den meisten DRGs die Hauptleistung auch mit Abschlägen im Tagesfall berücksichtigt.


    Auch bei Katarakt-OPs? Wie erklären sich die Erlösunterschiede zwischen einer und zwei Übernachtungen bei der Katarakt-OP? Die medizinische Hauptleistung wird doch am OP-Tag erbracht. Wie oft der Patient dann übernachtet, ist doch aufwandsmäßig fast egal. Die Unterbringungskosten im Krankenhaus sind typischerweise im zweistelligen Euro-Bereich pro Nacht. Allein die Kosten des Implantates sind oft 10x so hoch.


    Es würde bei Abschaffung der uGVD für die meisten DRGs auf allen Seiten viel mehr Entspannung geben. Die wenigen deutschen Ärzte könnten dann Patienten behandeln, statt als MDK-Ärzte und Krankenhaus-Verwaltungs-Ärzte sich gegenseitig mit vielen langen Briefen zu erfreuen...

    Durch das System der Mischkalkulation der DRGs würden alle auch wieder auf ihre Kosten kommen - denn der durchschnittliche Preis für die DRG würde etwas sinken.

    Durch den abnehmenden Ärger/Arbeit könnte aber das Geld der Versicherten mehr für die Finanzierung der Hauptleistung als für die Verwaltung ausgegeben werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Björn Mehlhorn

  • Hallo Herr Mehlhorn,

    die Preisunterschiede sind in der Kalkulation begründet: bei den DRG mit UGVD =1 wird der Abschlag für einen BT nicht per Algorithmus aus der Normalieger-DRG abgeleitet, sondern einzeln kalkuliert. Somit hat man in Wirklichkeit zwei verschiedene DRG. Die deutlich höheren Kosten resultieren somit nicht aus dem einen Tag mehr, sondern aus dem Vergleich zum durchschnttlichen Inlier, der ja zumindest zum Teil noch andere prozeduren etc. bekommen wird. Ansonsten hätte er ja deutlich kürzer leigen können.

    Bei einer Abschaffung der UGVD würde demnach aus jeder dieser DRG zwei neue werden, da die Inek-Logik dies vermutlich hergeben würde.

    Gruß

    Bern

    ehemaliger Versicherungsvertreter