Wider das politische Getöse einiger Krankenkassen

  • Wenn ich das richtig lese, soll das InEK nun den Schiedsrichter spielen in Streitfragen bzw. die DKR diesbezüglich optimieren. Das findet uneingeschränkt meine Zustimmung. Bisher war es wohl eher so, daß sich die an der Formulierung der DKR Beteiligten gegenseitig blockiert haben, wenn es um die Problemfelder ging, zumindest klang das hier an verschiedener Stelle mal an. Das InEK war bisher auch beteiligt, hat sich aber wohl eher im Hintergrund gehalten. Um die strittigen Fragen zu klären, soll es nun zwei neue Mitarbeiter erhalten. Man darf gespannt sein, in wieweit diese beiden dem Druck der bisherigen "Partner" ausgesetzt sein werden, wenn es um hier um millionenschwere Entscheidungen geht.

    Wenn dann zukünftig die DKR eindeutig und unmißverständlich sein sollten und alle sich daran halten wollen, habe ich auch kein Problem mit einer entsprechenden "Strafzahlung". Das Problem der Verweildauer ist damit aber nicht gelöst. Der Passus "und sich alle daran halten wollen" kommt daher, daß der grundlegende Fehler des bisherigen Systems leider überhaupt nicht mal ansatzweise angegangen wurde, nämlich die Finanzierung des MDK. Ohne diese Schieflage bräuchten wir doch den ganzen Aufwand nicht. Aber gut, ist politisch nicht gewollt.


    Ich nehme mal an, daß die Schiedsstelle auch in Fragen der Notwendigkeit und Verweildauer angerufen werden kann. Mal sehen, wie die Schiedsstelle mit der Flut der Fälle umgehen wird.


    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

    2 Mal editiert, zuletzt von Blaschke (2. April 2012 um 13:22)

  • Das beste Vorhaben dieser Gesetzgebung ist die Einrichtung von hoffentlich neutralen Schlichterstellen. Wenn dadurch irgendwann erreicht werden kann, dass die MDK-Gutachten auch wirklich "Gutachten" sind, weil sich die Gutachter an die Regeln halten, wäre viel erreicht! Dieser Entwurf wird bei der endgültigen Verabschiedung wahrscheinlich etwas anders aussehen.

    Gruß

    Ordu

  • Hallo,

    für meinen Teil habe ich die Hoffnung auf Neutralität im System aufgegeben. Wenn man bedenkt, wie diese Gesetzesänderung zu Stande gekommen ist, hat man bedauerlicherweise keinen Grund zur Hoffnung. Vermutlich ist die Reduzierung der Kliniken in Deutschland für Politik und Versicherungen noch nicht weit genug fortgeschritten. Ich stehe auch für eine korrekte und sachliche Abrechnung, dies ist mit dem jetzigen System nie möglich ohne dass die Kassen alles hinterfragen können.
    Erst wenn alle Abrechnungsbestimmungen einheitlich interpretiert werden (InEK) können und somit FoKA und SEG 4 Empfehlungen überflüssig sind, wäre das System für mich einen großen Schritt weiter. Wie auch bereits ein vorheriger Kollege geschrieben hat, ist es interessant wie das InEK mit dieser Bürde umgehen wird... wenn es denn alles so kommen sollte.

    Es bleibt zu befürchten, dass die Politik wieder einmal im Hauruckverfahren ein Gesetz erlassen will, um der allgemeinen Pressestimmung
    genüge zu tun.
    Die Formulierungen sind für mich als nichtjuristen alles andere als klar formuliert und wieder einmal mehr frei interpretierbar.
    In der Zwischenzeit müssen Kliniken weiterhin klagen, um zu ihrem Recht zu kommen.
    Sehr schade! :thumbdown:

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal

  • Aus meiner Sicht ist auch problematisch, daß die erhoffte finanzielle Aufstockung des Budgets nicht in Betracht gezogen wird (Stichwort Grundlohnsummensteigerung). Wenn ich Wörter wie "Effizienzreserven" oder "Synergieeffekte" höre, dreht sich mir nur noch der Magen um, denn in der Medizin sind es die Personalkosten, und die Reserven unseres Personals sind weitgehend erschöpft. Dagegen wird der "Wettbewerbsgedanke" hochgehalten, umgekehrt jedoch den Kliniken dann in der Ausübung ihrer Abrechnungsmöglichkeiten der Betrugsvorwurf gemacht.

    Nur damit es nicht zu einfach wird, müssen dann auch noch Klinikkonzerne eine Rendite von 15% anstreben. Auf wessen Kosten die wohl erzielt wird? ...

    (Sorry, zugegebenermaßen in etwas frustrierter Stimmung ... X()

    There is a theory which states that if ever anyone discovers exactly what the universe is for and why
    it is here, it will instantly disappear and be replaced by something even more bizarre and inexplicable.
    There is another theory which states that this has already happened. ~Douglas Adams

  • Guten Morgen allerseits,

    ich habe mit großem Interesse die Beiträge zu der neutralen Schiedsstelle verfolgt und möchte mal nachfragen, wie diese ausgestaltet sein sollte.

    • Wie soll sie in das Gesamtverfahren eingebunden werden? Soll die Anrufung zwingend und Zugangsvoraussetzung zu den Sozialgerichten sein? Oder soll der Zugang freiwillig und die Schiedsstelle damit auf dem Weg zu den Sozialgerichten umgehbar sein? Je nach personeller Ausstattung der Stelle und Anzahl der zu bearbeitenden Schiedsverfahren, kann es ein ziemlich langes Verfahren werden. Das danach noch mögliche Verfahren vor den Sozialgerichten noch nicht mitgerechnet.
    • Wie soll die personelle Ausstattung im Idealfall aussehen? Wie gehabt eine paritätische Besetzung mit einem unabhängigen Vorsitzenden? Systematisch passt das natürlich gut zu den Vorstellungen der Selbstverwaltung, hat aber das Geschmäckle, dass verdiente Funktionäre beider Seiten mit Pöstchen versorgt werden (sorry, ich bin bei dem Begriff der paritätischen Besetzung vielleicht etwas überkritisch). Oder soll es von Anfang an ein reines Expertengremium sein?
    • Wie soll die sächliche Ausstattung aussehen? Eine unabhängige Schiedsstelle sollte wohl keine Büros in den Gebäuden einer Krankenkasse oder eines Krankenhauses nutzen. Wo bringt man sie unter? Wo kommen die Mitarbeiter (Sekretariat etc.) her?
    • Wie soll die örtliche Zuständigkeit der Schiedsstellen geregelt werden? Eine einzelne Schiedsstelle pro Bundesland wird insbesondere in Ländern wie NRW nicht genügen. Wonach bestimmt sich die Anzahl und Verteilung der Schiedsstellen?
    • Und jetzt die schwerste Frage: Wie soll die finanzielle Ausstattung geregelt werden? Unabhängig davon, wie das Schiedswesen letztlich organisiert wird, wird es kostspielig werden. Paritätische Finanzierung? Finanzierung abhängig vom Verfahrensausgang?

    Diese Fragen sollen nicht den Eindruck erwecken, dass die Errichtung einer Schiedsstelle, die auch ich für wünschenswert halte, unmöglich ist. Es sind jedoch noch viele Fragen offen und spätestens dann, wenn es konkret um die Finanzierung geht, wird die Luft für die Befürworter des Schiedswesens wohl dünner werden.

    Ihnen allen wünsche ich einen erfolgreichen Arbeitstag.

    Mit freundlichen Grüßen
    Heiner Fey

  • Schönen guten Tag allerseits,

    DRG-Recht
    Ich meine, es wird nötig sein, dass zumindest ein Teil der Finanzierung fallbezogen erfolgt, d.h. dass die unterlegene Partei etwas zu zahlen hat. Dass muss sicherlich nicht kostendeckend sein, verhindert jedoch die allzu inflationäre Inanspruchnahme.

    Insgesamt fehlt mir noch bei dem Ändreungsvorschlag ein Aufrechnungsverbot für die Krankenkasse, mindestens bis zur Schiedsstellenentscheidung. So lange ein Fall strittig ist, sollte keine Aufrechnung möglich sein, weil ansonsten die Initative für weitergehende Schritte immer am Krankenhaus hängt. Es ist ein Teil des Problems (und der von den Krankenkassen dargestellten Beträge), dass die Krankenhäuser nicht die Kapazität haben (oder noch nicht die vielleicht notwendige Priorität gesetzt haben), um gegen jede ungerechtfertigte Aufrechnung vorzugehen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Moin,

    ich bin ja für moderate Töne immer zu haben. Ich glaube nur: Es wird nicht möglich sein, jemals ein korrekturfreies Abrechnungsverhalten hinzubekommen. Studien aus der Frühzeit der DRGs haben beretis ergeben, dass verschiedene auch geschulte Kodierer in 30-50% zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

    Dazu kommt das uferlose Feld der Verweildauerdiskussionen, insbesondere bei der UGV.

    Wenn nun die 150% Rückzahlung kommt, ist das eine Rückerstattungsgarantie für die Kostenträger. Und die nachfolgende Kampagne der Kostenträger kann ich schon heute lesen:

    Zitat


    Krankenkassen beklagen Milliardenverluste 

    Bei den Prüfungen der Krankenhausabrechnungen stellt sich immer wieder heraus, dass ein Großteil der Abrechnungen falsch ist. Die Dunkelziffer ist hoch, wie hoch, bleibt seit 2013 das Geheimnis der Krankenhäuser. Der Gesetzgeber hat damals die Prüfquote nämlich auf 5% begrenzt. Jenseits der 5% haben die Krankenkassen keinen Zugriff mehr auf zuviel gezahltes Geld. Analysen der Wissenschaftlichen Institute der Kassen zeigen, dass noch viel mehr Fälle auffällig sind "aber selbst wenn ich das weiß, muss ich die Täter gewähren lassen" weiß Kurt Siebenbürger von der Ermittlungsstelle des Verbandes der Orts und Betriebskrankenkassen Brandburg-Mittelhessen. Immerhin können die Krankenhäuser einer Sonderprüfung unterzogen werden. Die Warteliste ist aber lang, der MDK hoffnunglos überlastet, mindestens 600 solcher so genannten Stichproben-Prüfungen sind derzeit auf unbestimmte Zeit verschoben.
    Klarheit sollte eine Schlichterstelle beim Insitut für die Kalkulation der Fallpauschalen schaffen. Die damals bewilligten Mittel von 200.000 Euro pro Jahr reichten aber gerade mal aus, um die Telefonzentrale und die EDV-Systeme in geeigneter Weise anzupassen, weiß Dr. Heimig, der Ehrenvorsitzende der Schlichtungsstelle. So warten die Betroffenen Kassen monatelang auf Entscheidungen des Insititutes, die oft nicht genau zu den Vorgaben einer anderen Expertengruppe, des so genannten DIMDI passen.

    Gesundheitsministerin Nahles hat bereits einen von Prof. Karl Lauterbach geleiteten Expertenrat einberufen, der die Schaffung einer neuen Kontrollinstanz zum Ziel hat, geplant ist eine Sonderermittlungsgruppe beim BKA. Die hierbei geplante persönliche Haftung der kodierenden Ärzte, Pflegekräfte und Kodierassistenten findet aber nach zwischenzeitlichen Verlautbarungen keine Mehrheit in der Koalition, da insbesondere Justiminister Flinn von den Piraten rechtliche Bedenken hat. 


    ;) Gruß
    merguet

    3 Mal editiert, zuletzt von merguet (3. April 2012 um 11:55)

  • Hallo zusammen.
    Der Prüfgrund Nr.1 ist ja Verweildauer/medizinische Notwendigkeit.
    Vielleicht sollte man von der DKG-Seite - und auf der gleichen Weise medienwirksam - darstellen, was der Vorstoß der Krankenkassen gerade für die alternde Bevölkerung bedeutet - dass viele ältere Patienten werden nicht mehr stationär behandelt werden können bzw. mit Drainagen "ohne medizinisches Risiko" werden nach Hause gehen müssen usw.
    Gruß
    GenS

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag


    Verwalten, Evaluieren, Kontrollieren (verweigern, bezweifeln, ablehnen) , Schiedsstellen
    Immer weniger Ärzte sind „vor Ort“
    Immer weniger Ärzte sind an der Wertschöpfung beteiligt


    Aber es geht noch schlimmer...
    siehe zum Vergleich:


    „Über 13 000 Bürokraten kontrollieren die Wasserstraßen. Dort fahren nur 8000 Schiffer

    Ist das nicht ein bizarres Missverhältnis? Auf knapp 8000 Binnenschiffer kommen in Deutschland über 13 000 Bürokraten. Wenn man sämtliche Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes an den rund 7500 Kilometern schiffbarer Flüsse und Kanäle aufstellen würde, stünde nahezu alle 500 Meter jemand am Ufer und winkte. "


    FAS Nov. 2010


    Gruß
    E Rembs

  • Hallo Herr Rembs,

    das Missverhältnis zwischen Mitarbeitern der Binnenschifffahrtsverwaltung und Binnenschiffern kannte ich nicht. Schöner Vergleich. Sehen Sie es positiv, wenn ein derartiges Missverhältnis im Gesundheitswesen erreicht wird, haben wir Vollbeschäftigung!!

    Hallo Herr Schaffert,

    wenn die Kosten des Schiedsverfahrens teilweise den Unterlegenen auferlegen werden sollen, bleibt zu überlegen, wie dies auszugestalten ist. Es käme eine Pauschalgebühr oder eine Staffelung, etwa so, wie im Gerichtskostengesetz, in Betracht. Ich fürchte nur, dass die Akzeptanz mit steigenden Gebühren nachlässt und sich manches Krankenhaus überlegen wird, doch sofort das zuständige SozG anzurufen. Dort fehlt es zwar häufig - auch nach Sachverständigengutachten - an dem erforderlichen Sachverstand. Dafür sind die Richter von Krankenkassen und Krankenhäusern unabhängig.

    Was Ihren Vorschlag angeht, die Aufrechnung für die Dauer des Schiedsverfahrens für unzulässig zu erklären, stimme ich Ihnen zu. Dieses Aufrechnungsverbot lässt sich sehr gut in einem 112er-Vertrag regeln. Hier müsste dann aber den Krankenhäusern eine Frist gesetzt werden, innerhalb derer die Schiedsstelle anzurufen ist, um die Aufrechnung zu verhindern. In diesem Punkt werden die Krankenkassen Rechtssicherheit zu der Frage haben wollen, ab wann sie wirksam aufrechnen dürfen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Heiner Fey