formale Vereinbarung zur Kodierung ICD 10

  • Hallo,

    habe mal was ganz neues.

    Pat. mit bekannter Demenz bei uns. Hat beim Lagern das Pflegepersonal angegriffen und beschimpft.

    Von uns wurde die F05.1 als Nebendiagnose angegeben, der Fall wird dadurch natürlich teurer.

    Wie gehabt : MDK Prüfung (Brief und Pflegebericht) -> F05.1 abgelehnt.

    Widerspruch: Verweis auf die Hinweise in der ICD 10.

    Dort steht [eckige Klammern von mir]:
    \"Ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom, das charakterisiert ist durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins [1] und der Aufmerksamkeit[2], der Wahrnehmung[3], des Denkens[4], des Gedächtnisses[5], der Psychomotorik[6], der Emotionalität[7] und des Schlaf-Wach-Rhythmus[8].\"

    Heute das erneute Gutachte vom MDK bekommen.

    Darin steht (ohne Witz):\"Der Hinweis bei F05 fordert das gleichzeitige bestehen von Störungen in 8 Kategorien[…]“. 8o :erschreck: :a_augenruppel:

    Also entweder habe ich in den vergangenen 7 Jahren was falsch gemacht, da ich davon ausgegangen bin, dass das Wörtchen \"und\" in der ICD 10 immer für \"und\" oder \"oder\" steht, oder der Gutachter will mich ärgern.

    Nun mein Problem. Ich bin mir sicher, dass es irgendwo in der ICD steht, aber wo??? kann mir jemand helfen?

    Wenn`s nicht so traurig wäre könnte ich echt :laugh: :totlach: :laugh:

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Zitat


    Original von papiertiger:
    \"Ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom, das charakterisiert ist durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins [1] und der Aufmerksamkeit[2], der Wahrnehmung[3], des Denkens[4], des Gedächtnisses[5], der Psychomotorik[6], der Emotionalität[7] und des Schlaf-Wach-Rhythmus[8].\"

    Dort steht gleichzeitiges Bestehen von ... und ... .
    Wie wollen Sie dann hier von einem \"oder\" ausgehen? Gleichzeitig können nur mindestens 2 Eigenschaften vorliegen. Wenn sie überall ein \"und\" als \"oder\" verstehen wollen, müsste hier die Formulierung dann doch anders lauten.

    Aber können sie nicht die einzelnen genannten Qualitäten belegen (Pflegebericht)?

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo -

    also ich finde im ICD: \"... durch gleichzeitig bestehende Störungen des
    Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens,
    des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität und des
    Schlaf-Wach-Rhythmus.\"

    Gleichzeitig - ist aus meiner Sicht ohne Interpretationsspielraum.

    Die (bei uns) alte MDK \"Deliernummer\". Abhilfe: letztlich \"Textbausteine\" z.B. in der Pflegedoku.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Hallo,

    Zitat


    Original von papiertiger:
    Ich bin mir sicher, dass es irgendwo in der ICD steht, aber wo??? kann mir jemand helfen?

    Es steht nicht in der ICD, sondern in DKR D013c \"Im Systematischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen\", Abschnitt \"\'Und\' in Titeln\". Aber es hilft Ihnen nichts, da es sich nur auf Titel bezieht.

    Allerdings: das Kapitel V der ICD-10 hat insofern eine Sonderstellung, als sich die psychiatrische Diagnostik ja hierüber definiert. Deswegen sind bei jedem Titel mehr oder minder ausführliche Beschreibungen des Krankheitsbildes enthalten, welches durch den dazugehörigen Kode festgelegt wird. Da es sich dabei meist um komplexe Störungen handelt, ist es m.E. aber unsinnig, in einem Kodierungsgutachten Belege für jede Einzelstörung zu fordern. Zur Kodierung eines Alkoholrausches müssen Sie ja auch nicht belegen, dass gleichzeitig die Bewusstseinslage, die kognitiven Fähigkeiten, die Wahrnehmung, der Affekt, das Verhalten sowie noch andere psychophysiologische Funktionen und Reaktionen gestört waren!

    Sofern also aus der Pflegedokumentation die klinische (!) Diagnose \"Delir\" abgeleitet werden kann, gibt es für die Forderung des MDK-Gutachters meiner Ansicht nach keine Grundlage.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Guten morgen,

    @Herrn Hollerbach:

    Genau das meinte ich. Es müssen nicht alle aufgezählten Bedingungen erfüllt sein.

    Das Wort \"gleichzeitig\" bezieht sich m.E. nicht auf die nachfolgende Aufzählung , sondern vielmehr darauf, dass EINER der aufgeführten Zustände GLEICHZEITIG mit der Demenz besteht.

    Was wäre wenn die ersten sieben Punkte erfüllt wären, der Patient aber jede Nacht durchschläft? Fällt dann der Kode weg, trotz des Aufwandes am Tag? Ich denke nicht, dass das damit gemeint ist.

    Ich werde aber noch mal mit dem DIMDI Kontakt aufnehmen und genau nachfragen.

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

  • Hallo -

    papiertiger: Respekt auf diese Lesart muss man erst mal kommen.

    Hier nun aber meine Bitte bevor Sie das DIMDI involvieren: charakterisieren Sie bitte ein unspezifisches hirnorganisches Syndrom (Delier) unter Verwendung von nur einem der aufgeführten Zustände: Störungen des Bewusstseins [1] und der Aufmerksamkeit [2], der Wahrnehmung [3], des Denkens [4], des Gedächtnisses [5], der Psychomotorik [6], der Emotionalität [7] und des Schlaf-Wach-Rhythmus [8]. Ich fürchte das Delir würde so binnen kürzester Frist die Diagnosehitlisten anführen.

    Bitte beachten Sie auch, es geht m.E. hier nicht um die Demenz sondern um das Delier - bei Demenz!

    Im übrigen würde ich Punkt 8 nicht nur mit dem Kriterium \"Durchschlafen\" fassen. Die Schlafmedizin kennt z.B. Ein- und Durchschlafstörungen.

    Nix für Ungut.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Zitat


    Original von papiertiger:

    Nun mein Problem. Ich bin mir sicher, dass es irgendwo in der ICD steht, aber wo??? kann mir jemand helfen?

    Wenn`s nicht so traurig wäre könnte ich echt :laugh: :totlach: :laugh:

    Meines Wissens bezieht sich die und/oder-Regelung in der ICD-Systematik (UND bedeutet auch zugleich ODER) auf die Textbeschreibung des ICD-Kode selbst und nicht auf die an einer anderen Stelle aufgeführte Zusatzinformation/Erklärung.

    Gruß
    Ordu

  • Schönen guten Tag allerseits,

    Zitat


    Original von TT:
    Gleichzeitig - ist aus meiner Sicht ohne Interpretationsspielraum.

    Bei der Formulierung ist schon eine Interpretation möglich, die sich aus dem \"und\" zwischen Bewusstsein und der Aufzählung ergibt.

    Man kann also

    gleichzeitig: (Bewusstsein) und (Aufmerksamkeit, ... , Schlaf-Wach-Rhythmus)

    oder

    gleichzeitig: (Bewusstsein) und (Aufmerksamkeit) und ... und (Schlaf-Wach-Rhythmus)

    lesen.

    Da sich zwischen \"Bewusstsein\" und den restlichten aufgezählten Qualitäten noch ein \"und\" befindet, neige ich zu ersterer Lesart (Bewusstsein + mindestens eine weitere Störung), da ansonsten das Bewusstsein gleich mit in der Aufzählung hätte erscheinen können.

    Der Hinweis zum \"und\" in den Titeln findet sich im
    ICD WHO Regelwerk (Band 2)

    Dort findet sich auch der folgende Hinweis:

    Zitat

    Kapitel V „Psychische und Verhaltensstörungen“ enthält außer den Ein- und Ausschlußbezeichnungen ein Glossar mit inhaltlichen Hinweisen zu den Rubriken. Es wurde deshalb eingesetzt, weil die Terminologie der psychischen Störungen unterschiedlich ist, insbesondere in den verschiedenen Ländern. Zur Beschreibung gänzlich unterschiedlicher Krankheitszustände werden oft dieselben Bezeichnungen verwendet. Das Glossar ist nicht zur Benutzung durch das für die Verschlüsselung zuständige Personal vorgesehen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo -

    also aus meiner Sicht wird der \"Quatsch jetzt immer Quätscher\"

    Zitat


    Original von R. Schaffert:
    Schönen guten Tag allerseits,


    Bei der Formulierung ist schon eine Interpretation möglich, die sich aus dem \"und\" zwischen Bewusstsein und der Aufzählung ergibt.

    Was machen Sie eigentlich mit dem letzten \"und\" bei: \"der Emotionalität und des Schlaf-Wach-Rhythmus\"?

    Möglichkeiten über Möglichkeiten. Evtl. hilft: http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=385

    Zitat:

    Für eine endgültige Diagnose müssen leichte oder schwere Symptome in jedem der folgenden Bereiche vorliegen:

    Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit (auf einem Kontinuum zwischen leichter Bewusstseinsminderung und Koma; reduzierte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auszurichten, zu fokussieren, aufrechtzuerhalten und umzustellen).

    Globale Störungen der Kognition, Wahrnehmungsstörungen, wie Verzerrungen der Wahrnehmung, Illusionen und meist optische Halluzinationen; Beeinträchtigung des abstrakten Denkens und der Auffassung, mit oder ohne flüchtige Wahnideen, aber typischerweise mit einem gewissen Grad an Inkohärenz; Beeinträchtigung des Immediat- und des Kurzzeitgedächtnisses, aber mit relativ intaktem Langzeitgedächtnis; zeitliche Desorientiertheit, in schweren Fällen auch Desorientierung zu Ort und Person.

    Psychomotorische Störungen (Hypo- oder Hyperaktivität und nicht vorhersehbarer Wechsel zwischen beiden; verlängerte Reaktionszeit; vermehrter oder verminderter Redefluss; verstärkte Schreckreaktion).

    Störung des Schlaf Wach Rhythmus (Schlafstörungen, in schweren Fällen völlige Schlaflosigkeit oder Umkehr des Schlaf Wach Rhythmus; Schläfrigkeit am Tage; nächtliche Verschlimmerung der Symptomatik; unangenehme Träume oder Alpträume, die nach dem Erwachen als Halluzinationen weiter bestehen können).

    Affektive Störungen wie Depression, Angst oder Furcht, Reizbarkeit, Euphorie, Apathie oder staunende Ratlosigkeit.Der Beginn ist gewöhnlich akut, im Tagesverlauf wechselnd, die Gesamtdauer der Störung beträgt weniger als sechs Monate.


    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Hallo zusammen,

    Hinweise wie eine \"Und\" klassifikatorisch zu verstehen ist geben, wie bereits angemerkt wurde, die Kodierrichtlinien D013 und P003. Da die uneingeschränkte Übertragbarkeit sicherlich zu Diskussionen führt hatte ich mich zu dem Problem von papiertiger bereits an das DIMDI gewandt.

    Die Antwort war folgende:
    \"Klassifikatorisch ist das \"und\" als und/oder einzuordnen, d.h. die genannten Erkrankungen müssen nicht in ihrer Gesamtheit vorliegen.\"

    Wer die gesamt Mail gerne weitergeleitet bekommen will, kann sich gerne per PN melden.

    Viele Grüße
    S. Seyer

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,


    Zitat


    Original von TT:
    ... Ich fürchte das Delir würde so binnen kürzester Frist die Diagnosehitlisten anführen.


    Fakten - Delir


    “The prevalence of delirium at hospital admission ranges from 14 to 24 percent,

    and the incidence of delirium arising during hospitalization ranges from 6 to 56 percent among general hospital populations.
    Delirium occurs in 15 to 53 percent of older patients postoperatively and
    in 70 to 87 percent of those in intensive care.
    Delirium occurs in up to 60 percent of patients in nursing homes or post-acute care settings and
    in up to 83 percent of all patients at the end of life. “

    Inouye Delirium in older persons. NEJM 2006 354 1157-65


    siehe auch:
    Studies suggest that between a third and two thirds of delirium goes unrecognised.

    Delirium is a bedside, clinical diagnosis and understanding of its clinical features is
    crucial to its diagnosis.

    In order to make a diagnosis of delirium, a patient must show
    each of features 1–4 listed below

    http://pmj.bmj.com/content/85/1006/405.full.pdf+html


    und


    Symptom required for diagnosis of delirium
    http://neuro.psychiatryonline.org/content/vol14/…e/R64557T1.jpeg


    und
    S 204 Tabelle2
    http://neuro.psychiatryonline.org/cgi/reprint/15/2/200


    Gruß

    E Rembs