• Hallo Forum!

    Folgenden Fall möchte ich zur Diskussion stellen:

    Ein 73jähriger Patient wird mit einer Vorfuß-Gangrän aufgenommen. Der Fuß kann erhalten werden, es wird diesbezüglich nicht operiert. Im Verlauf wird eine Phimose festgestellt. Der Patient kann wegen des schlechten AZ nicht entlassen werden. Die Phimose wird operiert.

    Beim Gruppieren erhalten wir jetzt die Fehler-DRG 902Z „nicht ausgedehnte OR-Prozedur ohne Bezug zur Hauptdiagnose“ mit einem Relativgewicht von 0,9.

    Frage: Gibt es Möglichkeiten, den Patienten optimaler zu kodieren, da der vereinbarte „Vorrat“ an Fehler-DRG’s nur klein ist (eigentlich hätte man den Patienten entlassen müssen ...)?

    S. Stolper

  • Hallo Sören,

    nach meiner Auffassung hast Du korrekt offenbar kodiert und auch ein korrektes Gruppierungsergebnis.

    Auch wenn es evtl. nicht sonderlich patientenfreundlich erscheint, zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern, dass bei DRG-Einführung tatsächlich ein vermehrtes Fall-Splitting zu beobachten war. Insofern ist Dein Impuls nur allzu verständlich, den Patienten "intermittierend" entlassen zu wollen.

    In Deiner Fallkonstellation möchte Dir ich nicht raten, irgendwelche Kodier"optimierungen" anzuwenden, wenn Du nicht alles lückenlos anhand Deiner Dokumentation belegen kannst. Dann handelt es sich aber auch lediglich um die Abbildung des tatsächlichen Geschehens (und nicht um eine Optimierung im falsch verstandenen Sinne eines Upcodings).

    Wie kann der Vorrat an Fehler- und Prüf- DRGs (hier typisches Beispiel für das Nichtvorliegen einer Fehler-DRG) zu gering sein? Was passiert eigentlich bei Überschreitung?

    Was ich meine ist, dass Deine vorgetragene Kasuistik für mich ein Beispiel für eine wenig (bis gar nicht) zu beeinflussende "Produktion" einer Prüf-DRG darstellt. Habe also "leider" keine kreative Idee, die Dir weiter helfen könnte.
    --
    Mit freundlichem Gruß

    Hermann Scheffer
    Berlin

    Hermann Scheffer
    Berlin

  • Hallo Herr Stolper,

    Man müßte hier mehr Informationen haben.
    Handelt es sich um einen Diabetiker bzw. ein diabetisches Fußsyndrom ? Wurde nur keine Amputation durchgeführt oder überhaupt keine operative Prozedur (Inzision, Debridement o.ä.).

    mit freundlichen Grüßen,

    P. Möckel
    Facharzt für Chirurgie

  • Hallo Herr Möckel!
    Zur Ergänzung nähere Falldaten: Bei dem Patienten handelte es sich um einen übergewichtigen 73jährigen langjährigen (12 Jahre?) tablettenpflichtigen Diabetiker, der durch den Hausarzt mit einer Gangrän der ersten und zweiten Strahl eines Fußes in die Chirurgie eingewiesen wurde. Nebendiagnosen COLD und KHK. Die chirurgische Therapie war rein konservativ mit Beta-Salbe, Kühlung, ...). Der Patient hat zum Zeitpunkt der Verlegung aus der Chirurgie kein Messer gesehen (keinerlei Inzision, Debridement o. ä.).
    Weder auf der Einweisung noch bei der Aufnahme war von der Phimose die Rede.
    Mit freundlichen Grüßen

    S. Stolper

  • Liebe Forumsteilnehmer,

    wie schon die bisherigen Antworten bestätigen, führt dieser Fall bei korrekter Kodierung unweigerlich in die FehlerDRG 902Z.
    Bei einer nicht zu langen Aufenthaltsdauer des Patienten könnte das Relativgewicht 0,9 durchaus in Ordnung gehen.
    Andererseits wird in solchen Fällen immer vom möglichen "Fallsplitting" gesprochen.
    In diesem speziellen Fall lässt sich sicherlich kein Zusammenhang zwischen der zur Aufnahme führenden Diagnose und der Phimose herstellen.
    Somit ist die weitere Therapie dieser Phimose während dieses Aufenthaltes als "Serviceleistung" zu verstehen.
    M.E. ist bei "Fallsplitting" aber gerade dieser "Serviceteil" am Patienten zu berücksichtigen. Gerade bei älteren Patienten stellt eine intermittierende Entlassung nach Hause und eine erneute Aufnahme nach wenigen Tagen eine große Belastung dar.
    Patient und Angehörige werden sicherlich in solchen Fällen, angesichts mangelnder Einsicht in die Abrechnungssystematik, der Meinung sein: "Das hätten die doch wirklich noch machen können"
    "Wenn ich mal was habe, gehe ich in ein anderes Krankenhaus!"
    Ob da der Hinweis auf die Abrechnungssystematik dem Patienten oder den Angehörigen die nötige Einsicht und das Verständnis ermöglicht, sei dahingestellt.
    Fazit: In jedem Fall, der gesplittet werden kann, ist kurzfristig gedacht ökonomisch das Splitting die optimale Lösung. Langfristig gedacht jedoch könnte ein "Servicepack" mit kurzfristigem Mindererlös durchaus zum Vorteil gereichen.

    Wie sehen das die Forumsteilnehmer?

    Grüsse

    Nusser
    Arzt/MedCo

    [mark=grey]Schöne Grüsse

    F. Nusser[/mark]

  • Hallo,

    eine ambulante OP wäre bei dem schlechten AZ - wie geschildert - vielleicht nicht der Renner.

    Aber eine Alternative wäre das Setzen der KHHD als "Phimose" gewesen - das bringt auch wenig Geld - ist aber retrospektiv auch Anlaß der Aufnahme gewesen (denn nach eingehender Untersuchung hat man´s gefunden). Ähnlich der "Schwäche" und hinterher "Tumor" - war bei Einweisung auch noch keine Rede von, daß man an "Schwäche" operiert wird....

    Bessere Alternative:
    Entlassen und ambulant in der urologischen Poliklinik vorstellen - die werden dann eine Einweisung schreiben und den Patienten am selben Tag noch aufnehmen.
    Da nur Fälle mit ursächlicher Aufnahme wegen Komplikationen der ersten Behandlung zusammenzuführen sind, können hier 2 Fälle eng beieinander entstehen.

    Gruß :x

    Björn Mehlhorn

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Mehlhorn:
    Aber eine Alternative wäre das Setzen der KHHD als "Phimose" gewesen - das bringt auch wenig Geld - ist aber retrospektiv auch Anlaß der Aufnahme gewesen (denn nach eingehender Untersuchung hat man´s gefunden

    Hallo Björn,

    das ist keine Alternative!
    Nochmal die Beschreibung der Aufnahme:
    "Ein 73jähriger Patient wird mit einer Vorfuß-Gangrän aufgenommen. Der Fuß kann erhalten werden, es wird diesbezüglich nicht operiert. Im Verlauf wird eine Phimose festgestellt."
    Da ist keine Rede von der Phimose, dass heißt, dass einzig das Gangrän schon die stationäre Aufnahme bedingt hatte. Später die Phimose als gleichberechtigte HD zu erklären, ist doch eher gewagt.
    Und zu "denn nach eingehender Untersuchung hat man´s gefunden" ist zu sagen, dass, was man da gefunden hat in irgendeinem Zusammenhang mit der Aufnahmesituation stehen sollte, ansonsten kann ich Alles retrospektiv zur HD erklären. Diab. Fuß/Phimose kriege ich da nicht unter.
    Die von Dir in Deinem Post beschriebene bessere Alternative ist die einzige Alternative. ;)

    Gruß

    Dirk


    --
    D. D. Selter

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Zitat


    Original von Selter:


    "Ein 73jähriger Patient wird mit einer Vorfuß-Gangrän aufgenommen. Der Fuß kann erhalten werden, es wird diesbezüglich nicht operiert. Im Verlauf wird eine Phimose festgestellt."
    Da ist keine Rede von der Phimose, dass heißt, dass einzig das Gangrän schon die stationäre Aufnahme bedingt hatte. Später die Phimose als gleichberechtigte HD zu erklären, ist doch eher gewagt.
    Und zu "denn nach eingehender Untersuchung hat man´s gefunden" ist zu sagen, dass, was man da gefunden hat in irgendeinem Zusammenhang mit der Aufnahmesituation stehen sollte, ansonsten kann ich Alles retrospektiv zur HD erklären.

    Also das ist ja auch Humbug - nicht alles kann KHHD werden!
    Eine Wundinfektion nach OP (selber Aufenthalt), eine Hüftfraktur während einer Cat-OP-Behandlung, eine Anämie nach OP, ein Harnwegsinfekt nach zunächst sterilen Verhältnissen im Harntrakt, eine akute SAB nach 14 Tagen internsitischem Aufenthalt - all das kann nie KHHD werden. Aber ein Herzinfarkt nach Aufnahme wegen "Schwäche" oder "Bauchschmerzen" ist doch nix besonderes, oder? Und so will sich das DRG-System doch nur wehren gegen das Codieren von Komplikationen als Haupt-Diagnose, damit Komplikationen nicht im Einzelfall "lukrativ" gemacht werden, sondern immer als Malus bei den "schlechten" Krankenhäusern bleiben ("Bestrafung" einer schlechten Qualität).

    Daher wäre es auch möglich, die Phimose als KHHD anzugeben, wenn sie sich nicht erst im Krankenhausaufenthalt entwickelt hat. Auch wenn das - zugegeben - das System sehr strapaziert. Aber auf dem Einweisungsschein steht nicht immer die ganze Wahrheit - daher darf man da nicht drauf schielen!
    Wenn der jetzt noch nen Tumor oder ne Leukämie gehabt hätte, die man nach 2 Tagen feststellt, hätte das dann nicht KHHD sein dürfen, wenn es operiert oder behandelt worden wäre? Oder der Diabetes erst nach Einweisung festgestellt worden wäre, wär das dann nicht von einem simplen Ulcus zu einem "Diabetischen Fuß" mutiert? Ich denke, wir dürfen nicht im Khs dafür bestraft werden, daß die HÄ ggfs. was nicht entdecken mit den etwas eingeschränkteren Resourcen und es nicht auf dem EW-Schein bereits "Thema" ist.

    Gruß :x

    Björn Mehlhorn

  • Hallo,

    ich sehe die Sache ähnlich wie Herr Selter.

    Ich bleibe aber dabei: Am wichtigsten stellt sich für mich aber auch hier die Dokumentation dar. Denn anhand derer müsste der Kasus im Zweifel geprüft werden.

    Und wenn aus der Dokumentation hervorgeht, dass die Aufnahme nicht durch die Phimose bedingt wurde, kann diese auch nach meiner Lesart der Kodierrichtlinien nicht Hauptdiagnose sein. (Dass hier die Hauptdiagnose erst "nach Analyse" als Phimose identifiziert wurde, kann bei der vorliegenden Kasuistik doch nur als recht konstruiert gelten. Zur Erinnerung: "Die Hauptdiagnose wird definiert als ' Die Diagnose die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." (DKR D002))

    Eine irgendwie geartete Manipulation der Dokumentation oder "gewagte Interpretation" der DKR würde ich ablehnen. Dies "rentiert" sich meiner Einschätzung nach mittel- und langfristig nicht (die Gefahr der Aufdeckung ist vorhanden und die Abwägung des Nuten-Kosten-Verhältnisses könnte im Endeffekt schnell zu einem negativen Ergebnis führen). Abgesehen davon dürfte es auch ziemlich illegal sein.

    Von einer "Bestrafung" von Krankenhäusern durch das DRG-System zu sprechen, kann ich zwar "aus Krankenhaussicht" emotional nachvollziehen, trifft die Sache aber nicht wirklich.

    Denn das, was auf dem Einweisungsschein steht, dürfte nur eingeschränkt entscheidend sein. Nach §39 SGB V trifft nämlich der Krankenhausarzt (übrigens im Zweifelsfalle zu Lasten der Krankenversicherung) die Entscheidung über die stationäre Aufnahme(-notwendigkeit) des Patienten.

    Wenn der Krankenhausarzt in der Aufnahmesituation feststellt, dass die stationäre Aufnahme wegen des Krankheitsbildes xy (ausgedrückt durch die Vergabe der Diagnose z)notwendig ist und dies auch dokumentiert, ist das, was auf dem Einweisungsschein steht, im Zweifel erst einmal als nachrangig zu betrachten. Alles das müsste aber durch das Krankenhaus / den KH-Arzt dokumentiert werden.

    Davon kann aber bislang (nach der hier vorliegenden Schilderung)in diesem Falle meines Erachtens nach nicht die Rede sein.

    --
    Mit freundlichem Gruß

    Hermann Scheffer
    Berlin

    Hermann Scheffer
    Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Wir sind doch prinzipiell der gleichen Meinung. Ich habe gesagt, dass wenn es möglich wäre eine HD (Phimose) festzulegen, die in keinem Zusammenhang mit der Aufnahmesituation steht (in vorliegendem Fall eindeutige Beschreibung Aufnahme wegen Diab. Fuß), es einem ermöglichen würde, alles im Nachhinein zur HD zu machen. Natürlich geht das nicht, genauso wenig, wie es hier erlaubt ist, die Phimose als HD zu kodieren.
    Das die Einweisungsdiagnose keine tragende Rolle spielt und der HA nicht die HD für das KH vorformuliert ist sowieso klar und auch hier schon ausgiebig besprochen. Das war aber doch gar nicht Grundlage für die Entscheidung der HD Diab. Fuß im vorliegenden Falle, hier hat doch der KH-Arzt dies festgelegt.

    Mehlhorn:"Oder der Diabetes erst nach Einweisung festgestellt worden wäre, wär das dann nicht von einem simplen Ulcus zu einem "Diabetischen Fuß" mutiert?"
    Natürlich darf eine Aufnahmediagnose Ulcus später zur HD Diab. Fuß werden, deswegen der Passus "nach Analyse" in der DKR-HD. Hier ist aber doch auch die Aufnahmesituation im Einklang mit der Diagnose und deswegen vollkommen unproblematisch.
    Die Problematik der regelgerechten HD-Zuordnung und der u.U. resultierenden "ungerechten" DRG-Bewertung ist ja auch in der angesprochenen DKR-HD schon kommentiert:
    Anmerkung 1: Es ist nicht auszuschließen, dass diese Definition der Hauptdiagnose vereinzelt im DRG-System keine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung erlaubt.
    Im Rahmen der Entwicklung und Pflege des Entgeltsystems werden solche Fälle verfolgt und auf ggf. notwendige Maßnahmen geprüft.

    Was auch immer dabei herauskommen wird....

    Gruß

    --
    D. D. Selter