Haupdiagnosenzuweisung?

  • Liebe Forummitglieder,

    folgender Sachverhalt:

    Patient lag in einem Krankenhaus vom 24.05. bis 12.06.2009 betreffend einer Bronchopneumonie links. Aufgrund ihrer chronisch leukämischen Anämie wurde ihr empfohlen nach Entlassung ihre Hämatologin aufzusuchen.
    Am 12.06.2009 abends. Temperaturanstieg - Vorstellung in einem anderen, \'wo jetzt die Codierung abgefragt wird\', Krankenhaus (sie stellt sich vor im Zusammenhang mit ihrer bekannten hämatologischen Erkrankung) in der Aufnahme wurde eine weiterhin bestehende linksseitige Bronchopneumonie festgestellt. Es wurde eine pulmonale Therapie mit Tazobac eingeleitet. In der Nacht zum 13.06. war die Patn. bewußtlos. Es wurde eine Anisokorie diagnostiziert, wobei das AKUT-CCT ein deutliches subdurales Hämatom rechts mit Mittellinienverlagerung um ca. 1 cm links zeigte. ITS mit notfallmäßiger Intubation- dann am 13.06. Verlegung in ein wiederum anderes Krankenhaus zur operativen Therapie des subduralen Hämatoms.

    So nun Krankenhaus-Codierung 12.06. 2009 bis 13.06.2009: HD C91.10 Chronisch lymphatische Leukämie ohne Angabe einer Remission und

    MDK J18.1 Lobärpneumonie.

    Nach der Sachlage würde ich glatt weg den MDK RECHT geben, wenn auch sehr ungern.

    Erbitten Ihr Feedback. Vielen Dank im Voraus.

  • Hallo,

    ich denke, die MDK-Einschätzung ist korrekt: Aufnahme wegen Fieber bei Bronchopneumonie.
    Das subdurale Hämatom trat erst im Verlauf auf, ist also ND, genau wie die Leukose, welche nicht die Aufnahme veranlaßt hatte.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo,

    ich finde den Fall nicht ganz so einfach zu beantworten anhand der vorliegenden Informationen.

    Der MDK-Gutachter macht es sich einfach: er führt das Fieber einfach auf die im vorherigen Krankenhausaufenthalt behandelte Pneumonie zurück. Schließlich haben die Ärzte im neuerlichen Krankenhausaufenthalt ja auch sofort mit einer kalkulierten Antibiose begonnen.

    Im Verlauf der Behandlung kam es jedoch zur Ausbildung der Pupillen-Anisokorie und dem Nachweis der subduralen Blutung. Spätestens an der Stelle wäre zu prüfen, ob es sich bei dem Fieber wirklich um ein infektions-bedingtes Fieber gehandelt hat oder nicht vielmehr um ein \"zentrales Fieber\", ausgelöst durch den zunehmenden Hirndruck (zentrales Fieber ist neben den Kopfschmerzen und neurologischen Ausfällen ein klassisches Symptom für Hirnblutungen/Hirndruck).

    Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Pneumonie, die zuvor über mehr als zwei Wochen vollstationär (höchstwahrscheinlich antibiotisch)behandelt wurde, kurz nach der Entlassung auf einmal wieder mit hohem Fieber imponiert oder die Patientin mit entsprechend hohen Entzündungsparametern entlassen wurde.

    Sollten sich also außer dem Fieber keine weiteren Hinweise auf ein Wiederaufflammen/Neuausbildung der Pneumonie finden, wäre das subdurale Hämatom durchaus als Hauptdiagnose zu diskutieren (auch wenn die Diagnose letztlich erst im Verlauf des Aufenthaltes gestellt werden konnte, war das subdurale Hämatom als chronische Blutung mit Sicherheit bei der Aufnahme bereits vorhanden).

    Sollte das Fieber jedoch von der klinischen, laborchemischen und radiologischen Konstellation her tatsächlich auf die Pneumonie zurückgeführt werden, so ist durchaus aber auch die Leukämie als Hauptdiagnose zu prüfen. Diese wäre dann als Hauptdiagnose auszuwählen, wenn die Patientin aufgrund dieser bekannten Vorerkrankung entsprechend immunkompromittiert war und die Infektion (Pneumonie) somit als Komplikation der bekannten Grunderkrankung aufgefasst werden muss. Hier wäre dann zu prüfen, inwieweit die Leukämie in irgendeiner Form tatsächlich behandelt wurde (z.B. durch Fortführung einer vorbestehenden Medikation). \"Heidiberlin\" hat in Ihrer Anfrage nämlich auch explizit geschrieben, dass sich die Patientin wegen Ihrer Leukämie im weiterbehandelnden Krankenhaus vorstellte. Weitere Ausführungen hierzu sind jedoch nicht erfolgt.

    Aus meiner Sicht, ohne weitere Angaben aus der Patientenakte zu kennen, vermute ich, dass letztlich die Ursache des Fiebers im Nachhinein den Schlüssel für die Wahl der Hauptdiagnose liefert. Hier sollte die Patientenakte entsprechend gesichtet und -wenn das nicht reicht- der behandelnde Arzt befragt werden, ob es sich am Ende um ein pneumonie-bedingtes Fieber oder um ein hirndruck-bedingtes Fieber gehandelt habe.

    Schließlich soll auf Grundlage der DKR auch bei anfänglich anderer (antibiotisch behandelter) Verdachtsdiagnose letztlich retrospektiv die Diagnose als Hauptdiagnose ausgewählt werden, die tatsächlich zur Aufnahme der Patientin geführt hat.

    beste Grüße

    Dr. René Holm, MBA
    elbamed GmbH
    Geschäftsstelle Hamburg

  • Hallo Herr Dr. Holm,

    Zitat

    Original von Dr_R_Holm:
    ich finde den Fall nicht ganz so einfach zu beantworten anhand der vorliegenden Informationen.


    hier stimme ich Ihnen zu: Weitere Angaben aus der Patientenakte könnten hilfreich sein.

    Zitat

    Original von Dr_R_Holm:
    Im Verlauf der Behandlung kam es jedoch zur Ausbildung der Pupillen-Anisokorie und dem Nachweis der subduralen Blutung.


    Dies bedeutet aber auch, dass die Subarachnoidalblutung ex ante eben nicht zur Aufnahme geführt hat.

    Zitat

    Original von Dr_R_Holm:
    Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Pneumonie, die zuvor über mehr als zwei Wochen vollstationär (höchstwahrscheinlich antibiotisch)behandelt wurde, kurz nach der Entlassung auf einmal wieder mit hohem Fieber imponiert ......


    Solch Situationen sind ungewöhnlich, aber durchaus vorstellbar und auch bekannt!

    Zitat

    Original von Dr_R_Holm:
    .... war das subdurale Hämatom als chronische Blutung mit Sicherheit bei der Aufnahme bereits vorhanden....


    Was macht Sie da so sicher? Eine entsprechende neurologische Symptomatik lag nicht bei Aufnahme nicht vor. Zentrales Fieber ohne sonstige Symptomatik?
    heidiberlin schrieb: \"In der Nacht zum 13.06. war die Patn. bewußtlos. Es wurde eine Anisokorie diagnostiziert, wobei das AKUT-CCT ein deutliches subdurales Hämatom rechts mit Mittellinienverlagerung um ca. 1 cm links zeigte.\"
    Dies belegt m.E. eine Akutsituation und keinen chronischen Verlauf.

    Der Fall bietet sicherlich reichlich Diskussionsstoff. Derzeit aber basieren die Ausführungen auf Hilfskonstrukten, Konjunktiven und Vermutungen:
    Sollte das Fieber ..... auf die Pneumonie zurückgeführt werden ........... wäre dann als Hauptdiagnose auszuwählen ...... ..... wäre dann zu prüfen, inwieweit die Leukämie in irgendeiner Form tatsächlich behandelt wurde ....... vermute ich, dass letztlich die Ursache des Fiebers im Nachhinein den Schlüssel für die Wahl der Hauptdiagnose liefert.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo,

    vielen Dank für Ihre nochmalige Wortmeldung.
    Sie merken ja selbst, wie man ohne Blick in die Patientenakte und ohne weitere Daten und Fakten in diesem Fall in verschiedene Richtungen gelangen kann.

    Genau dies aufzuzeigen, war mein Anliegen. Und eben deswegen habe ich auch die Häufung von Konjunktiven (Möglichkeitsform) gewählt und darauf hingewiesen, dass es sich um Mutmaßungen handelt bis weitere Fakten geprüft sind.

    Mir waren die vorhandenen Hinweise nicht ausreichend, um dem MDK-Gutachter Recht zu geben oder ihm zu widersprechen.

    Ob die Patientin nicht bei Aufnahme bereits neurologische Auffälligkeiten hatte, kann ich nicht sagen. Eine Mittellinienverschiebung um einen Zentimeter bildet sich bei einem subduralen Hämatom nicht innerhalb von 5min aus. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Patientin bereits bei Aufnahme einige Stunden vor der Bewusstlosigkeit das subdurale Hämatom hatte und ggf auch schon so etwas wie Kopfschmerzen (Die Patientin hatte ein subdurales Hämatom und keine Subarachnoidalblutung. Subdurale Hämatome bilden sich -abgesehen von größeren Schädeltraumen- langsam und stetig aus und werden nicht innerhalb kurzer Zeit hochdramatisch)

    Dass keine neurologischen Auffälligkeiten vorlagen war nicht beschrieben, ein zentrales Fieber kann es (je nach Lokalisation des subduralen Hämatoms) auch ohne Bewusstlosigkeit auftreten. Deswegen bin ich mir ziemlich sicher, dass das subdurale Hämatom schon bei Aufnahme vorhanden war, sofern die Patientin nicht aus dem Bett gefallen ist oder sich sonstwie ein gößeres Schädeltrauma zugezogen hat. Typisch für ein chronisches subdurales Hämatom ist das Auftreten der Symptomatik erst später als 14Tage nach auslösendem Ereignis, das die Patienten selbst meist gar nicht mehr erinnern...

    Nochmals: Ich erhebe keinen Anspruch darauf, dass meine Vermutung richtig sein muss, sondern sie wäre zu prüfen, bevor man dem MDK-Gutachter einfach Recht gibt.

    Ich wünsche allen einen schönen Feierabend!

    beste Grüße

    Dr. René Holm, MBA
    elbamed GmbH
    Geschäftsstelle Hamburg

  • Hallo zusammen,
    unglaublich....
    Mit meinem Basisfallwert geht es um 150 EUR - da haben wir alle zusammen hier im Forum schon mehr Zeit (=Geld) verplempert....
    Vermutlich war die Erst-Fragestellung die nach der stat. Notwendigkeit ;) weil der Pat. ja gleich wieder verlegt wurde. Dass sich dann die HD ändert, ist schön für die Kasse, sonst müsste sie ja auch noch 300 EUR extra zahlen, also quasi einen 50 % Aufschlag auf die Rechnung.
    Und so ein Unsinn zählt nachher auch zu den altbekannten 50 % falschen KH-Rechnungen!

    Schönen Tag!
    P. Dietz

  • Hallo P_Dietz,

    es geht hier allerdings nicht um \"Entgeltrelevantes\" kodieren, sondern um RICHTIGES kodieren.
    Somit würde ich die bisher von uns investierte Zeit nicht als VERPLEMPERT ansehen.

    Schönes Wochenende.
    CARSI

  • Hallo,
    sorry, ich übersah, dass hier das \"praktische Kodierforum\" ist (wo auch ich schon Fragen stellte)...

    Grundsätzlich bin ich auch für das richtige Kodieren - denn dem richtigen Kodieren folgt auch das richtige Entgelt via der korrekten DRG. Insofern ist richtiges Kodieren immer Entgelt-relevant. Wenn es aber um geringe Summen geht, und die Sachlage noch dazu unklar ist, dann würde ich ein pragmatisches Vorgehen ehrlich gesagt vorziehen.

    Falls es nun aber doch noch interessiert: Ich würde auch das subdurale Hämatom als HD nehmen - ich würde auch vermuten, dass es schon in die Klinik mitgebracht wurde - und damit/deshalb wurde dann ja auch verlegt.

    Viele Grüße
    P. Dietz