Arztbriefschreibung

  • Moins,

    ich wollte mal nachfragen, ob hier im Forum jemand ist, in dessen KH ein Standard für die Arztbriefschreibung definiert wurde. Mich würde insbesondere interessieren, wie die Ärzte darauf reagiert haben. :teufel: :biggrin: und ob dies von der Geschäftsleitung irgendwie \"erzwungen\" werden musste.

    Es geht mir darum, dass ein Arztbrief unser Haus nach aussen repräsentiert. Dementsprechend sollte der Arztbrief auch aussehen. Leider muss ich feststellen, dass viele Briefe von mir nur mit ganz viel gutem Willen eine 4 bekommen würden. Der Rest ist eher mit 5 oder 6 zu bewerten. Dabei meine ich nicht irgendwelche Rechtschreibfehler, sondern solch nebensächliche Sachen wie fachlich widersprüchliche Aussagen innerhalb einer Epikrise.
    (Solche Sachen wie eine rektovaginale Fistel bei Herrn XY (nicht Transsexuell) sind ja noch halbwegs lustig, dennoch peinlich, wenn ein solcher Brief rausgeht.)

    Was fehlt ist eine Struktur, nach der jeder Arztbrief abgehandelt wird. Es fängt an mit den Vordiagnosen (Mal an die Ärzte hier: Wen interessiert im Jahr 2010 noch die Appendektomie von 1958? Muss dass unbedingt im Arztbrief stehen?[Nein, der Patient kam nicht wegen Bauchschmerzen] Wenn ja: Warum wird dann solch eine Nebensächlichkeit wie ein Dekubitus weggelassen? Weil die Lagerung und der Verbandswechsel keine ärztlichen Tätigkeiten sind?[Ja, ich weiß. Können mir nur die Ärzte hier beantworten]) und hört auf bei Sachen wie: eine Hyperkaliämie wurde mit Kalinor p.o. behandelt. :a_augenruppel: [wobei das wieder den Ober- bzw Chefärzten auffallen müsste, wenn die den Brief denn lesen]

    Vernünftige Anamnese im Brief? Fehlanzeige. Schlüssige Epikrise? WAS? Als wichtigste Diagnose wird die AP genannt, laut Anamnese wegen Übelkeit und Durchfall ins Haus gekommen, und laut Epikrise gab es nichts wichtigeres als die COPD (Welche natürlich bei den Diagnosen nicht mal erwähnt wird). :sterne:

    Ich schweife ab. Bitte um Entschuldigung.

    Um auf meine Ausgangsfrage zurückzukommen: Gibt es so was bei jemandem im Haus?

    Viel Grüße

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

  • Hallo Papiertiger,

    der Sinn eines Standards für die Arztbriefschreibung bleibt mir dahingehend verschlossen, als daß allein im Bereich Innere Medizin zahlreiche Subspezialitäten ihre eigenen Schwerpunkte in den Mittelpunkt des Briefes stellen.
    Ist das \"Kardiovakuläre Risikoprofil\" ein Obligo für den Kardiologen, so interessiert den Rheumalogen eher das Knötchen an Dig III.

    Widersprüche in den Aussagen, ellenlange Untersuchungsergebnisse seit Geburt, unkritische Mitteilung von Befunden, unschlüssige Epikrisen sollten die interne Diskussion bedingen, werden aber nicht durch \"Standards\" zu verhindern sein - und sind weder von der Geschäftsleitung \"erzwungen\" noch in anderer Art beeinflußt.
    Anamnese, körperliche Untersuchung, gezielte Untersuchungen (Labor, Röntgen, Sonographie usw. usw.) sind in der Ausbildung zu erlernen - und in der Zusammenschau sinnvoll abzubilden.

    Noch zwei Aspekte: Im Einzelfall können auch \"asbach-uralte\" Befunde von Wichtigkeit sein - alles eine Frage der \"W\":
    W - Welche Beschwerden lagen vor, welche Vorbefunde?
    W - Warum kam der Patient?
    W - Welche Befunde wurden WIE erhoben?
    W - Welche Konsequenzen folgen hieraus?
    W - Wie geht es weiter?

    Zum Briefeschreiben allgemein: Im Zeitalter der DRG sehen viele Briefe anders aus als zuvor: Hatten wir zuvor dem Hausarzt ausführlich z.B. über eine maligne Erkrankung berichtet, so steht heute im Bericht auch ausführlich die Blutgasanalyse und Sauerstoffgabe, der Kaliumwert und die Angabe der Substitution - anderenfalls streichen viele MDKs sofort die entsprechenden ND.

    Zurück zu Ihrer Frage: Bei uns nicht! :d_zwinker:

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Schönen guten Tag Papiertieger,

    \"Wenn Du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis\"

    Unser Arbeitskreis tagt schon (gelegentlich), immerhin mit Geschäftsführer und einigen Chefärzten recht hochrangig besetzt.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Einen wunderschönen guten Tag Herr Schaffert,

    Zitat

    Original von R. Schaffert:
    \"Wenn Du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis\"


    lassen Sie das bitte nicht unsere Geschäftsführung/Chefärzte lesen - das wäre der Arbeitskreis Nr. 9 :d_zwinker:

    Einen schönen sonnigen Rest-Mittwoch wünsche ich.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo,

    noch eine AG. :biggrin: [Ich soll schon länger Bestandteil einer AG Kostenträgerrechnung sein. Die Betonung liegt auf \"soll\" :d_zwinker: ]

    @Lunge: Ich weiß, aber ich musste mir irgendwie mal Luft machen, und solch eine Anhäufung von, sorry, blödsinnigen Arztbriefen, die aussehen als ob die von einem Schimpansen mit Augenbinde eher zufällig auf der Tastatur erstellt wurden, hatte ich schon lange nicht mehr.

    Ich meinte auch nicht, dass es um die medizinischen Aspekte geht, eher der formale Aufbau. z.B.:

    1. Diagnosen aktuell; HD nach Möglichkeit als Erstes genannt (wird nicht möglich sein)

    2. Anamnese

    3. aktuelle Befunde mit Datum in chronologischer Reihenfolge (selbst das ist manchmal ein Problem)

    4. Epikrise / Verlauf / Therapieempfehlung

    @Lunge: zu Ihren W`s

    1: Schmerzen Knöchel nach umknicken bei Glatteis
    2: s.o.
    3: Röntgen -> eindeutig OSG Fx
    4: Osteosynthese
    5: Schonung bis Fx geheilt :augenroll: Warum also Z.n. APP 1958? Das hat m.E. auch nichts mehr mit Gründlichkeit zu tun.
    Ich gestehe: Der Dekubitus war ein anderer Fall.

    Viele Grüße

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

  • Hallo papiertiger,

    Zitat

    Original von papiertiger:
    1. Diagnosen aktuell; HD nach Möglichkeit als Erstes genannt (wird nicht möglich sein)


    doch: das ist MEIST möglich!

    Zitat

    Original von papiertiger:
    2. Anamnese


    und zwar kurz und knackig.

    Zitat

    Original von papiertiger:
    3. aktuelle Befunde mit Datum in chronologischer Reihenfolge (selbst das ist manchmal ein Problem)


    eher organbezogen, meine ich. Sonst geht es oftmals zu wie „Kraut und Rüben“.

    Zitat

    Original von papiertiger:
    4. Epikrise / Verlauf / Therapieempfehlung


    mit wenigen Sätzen – aber inhaltlich nachvollziehbar.

    Zitat

    Original von papiertiger:
    @Lunge: zu Ihren W`s
    Warum also Z.n. APP 1958? Das hat m.E. auch nichts mehr mit Gründlichkeit zu tun.

    Tja, ich schrieb ja: Falls von Wichtigkeit! Wir hatten unlängst ein Karzinoid-Syndrom gesehen. Da die Appendix häufigste Lokalisation dieses Tumors ist, kann der Hinweis auf die bereits früher erfolgte Appendektomie hinsichtlich der weiteren Diagnostik hilfreich sein..... :d_zwinker:

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo zusammen,

    die Optimierung der Arztbriefe ist ein jahrelanger Prozeß, der ständig fortgesetzt werden muß, weil die Anforderungen und Gegebenheiten (ständig neue Ärzte frisch von der Uni) sich ändern. Ich habe kürzlich einem Chefarzt (Internist) ein Lob ausgesprochen, weil ich in den vergangenen 15 Jahren gesehen habe, was sich zum Positiven verändert hat. Standards im eigentlichen Sinne sind sicher nicht immer und überall sinnvoll, aber gute Strukturen helfen auch bei der Codierung und z.B. der Entscheidung HD / ND bei gleichrangigen.

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo,
    spätestens dann wenn Sie automatisierte Arztbreife erstellen, müssen sie sich über Inhalte und bestimmte Formalien Gedanken machen.
    sonst weiss der kleine Japaner in Ihrem PC nicht, wie er die Befunde ordnen soll und ob die Anamnese nach der Epikrise kommt oder anders herum.
    Eine Reihung der Befunde organbezogen und chronologisch ist per se sicher sinnvoll, solle aber einer \"händischen Endkontrolle\" unterliegen, da sonst bei längeren Verläufen etwas Unübersichtlichkeit auftreten kann.
    Ansonsten ist mein Eindruck, dass viele Briefe geschrieben werden, wenn man den Patienten geistig vor Augen hat und demzufolge davon ausgeht, dass dies jeder andere auch hat, der den Brief in Händen hält. Deswegen werden dann \"augenfällige\" Befunde wie Gehbehinderung, Marasmus, offenen Beine etc. gerne vergessen, weil \"das sieht man ja sowieso\".
    Die Loslösung von dem Fall und der Rückzug auf die rein formale Ebene der Krankengeschichte ist die eigentliche gedankliche Transferleistung. Und die wird meines Erachtens unterbewertet, bzw. zu wenig berücksichtigt.
    Und in der Epikrise sollte mehr stehen, als eine nochmalige Auflistung der Befunde. Sondern eher eine kritische Bewertung derselben. Auch da besteht vereinzelt Nachholbedarf, v.a. in den kosvativen Fächern. Die operativen sind da aussen vor, die sind eh nur meist Schnitt-/ Organbezogen. :d_zwinker:

    eine schöne Übersicht zum Thema Arztbriefe fand ich in der Ausgabe vom 12.11.1999 im Deutschen Ärzteblatt (Seite B-2326 ff.) von Peter Semler.
    Ob es die online noch gibt, weiss ich nicht. :d_gutefrage:

    Un der Arztbrief dient nicht der Kommunikation mit dem Kostenträger und Rechnungsprüfer, sondern ist allenfalls ein Bestandteil davon. Insofern sollten die Bemerkungen zu kodierrelevanten aber sonst irrelevanten ND draussen gelassen werden, ebenso die Adaptierung eines Briefes an gerade gültige DKR oder ähnliches (persönliche Meinung von mir).

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch