Nicht ausreichend kodierte, also falsch zu niedrige Abrechnungen

    • Offizieller Beitrag

    Sehr geehrte Foren-Teilnehmer,

    in meiner Praxis - also aus der Sicht eines Externen (Medizincontrollers, Revisors, wie auch immer Sie dies bezeichnen wollen) - kommt es länderübergreifend (ca. 190 Krankenhäuser), auch (oder gerade ? ) in spezialisierten Kliniken, nach meiner Erfahrung zunehmend vor, dass in den Patientenakten dokumentierte Leistungen gar nicht kodiert wurden und somit auch keinen Eingang in die Abrechnung finden. Ehrlich gesagt, bin ich überrascht über die Häufigkeit, da meist hälftig eine Zufallsstichprobe zusammen mit einer gezielten Suche (üblicherweise ca. 10% der Gesamtfälle) derartige Ergebnisse liefern, z.B. \"vergessene\" OP-Kodierungen, obwohl ein operativer Eingriff am Herzen durchgeführt wurde, also eher augenfällige und damit grobe Unterkodierung (die Gründe dafür interesssieren mich zunächst nicht). Solcherlei herausgegriffene Fälle machen bisweilen minderabgerechnete 5-stellige Euro-Beträge je Fall aus... In der aktuellen Literatur/Begleitforschung finde ich dazu keine Untersuchungen, wie auch, da diese Fälle nur einer (repräsentativen) ex-post-Aktenprüfung zugänglich sein dürften.

    Meine Frage hierzu: Hat sich schon jemand mal der Mühe unterzogen, derartige Fälle zu identifizieren ? Hat sich schon mal jemand mit den NICHT berechneten Leistungen auseinandergesetzt ? Kann man automatisiert fälschlicherweise NICHT kodierte Leistungen identifizieren? Das ist schwierig, ich weiß, aber wenn man sich in einem ersten Schritt mit den augenfälligen Unterkodierungen beschäftigt, könnte man auch eine Untersuchung zur Unterkodierung starten...

    Dies nur als Gedanke und Anregung zur Diskussion.

    Viele Grüße
    sendet
    B. Sommerhäuser

  • Sehr geehrter Herr Sommerhäuser,

    es gibt hier externe Anbieter, welche die (automatisierte) Analyse der Patientenakte bzw. des Entlassungsbriefes als Ausgangspunkt für den Abgleich mit den abgerechneten Kodes (Leistungen) gegen Provisionszahlung im Erfolgsfall anbieten.

    Auch unser Krankenhaus hat für die Jahre 2007 und 2008 im jeweiligen Folgejahr eine automatisierte Analyse der Arztbriefe aller Behandlungsfälle durchführen lassen. Der Aufwand zur Plausibilisierung der Vorschläge ist groß, lohnt sich aber dennoch. Die Rate plausibler Vorschläge ist natürlich abhängig von der Güte der analysierten Arztbriefe.

    Strenge Auswahlkriterien und eine sorgfältige Überprüfung der vorgeschlagenen Kodes unter Berücksichtigung der Kataloghinweise, der DKR und \"MDK-üblicher\" Beurteilungen sorgen später für wenige Ablehnungen der Korrekturen im meist folgenden MDK-Verfahren.

    Allerdings muss unter Berücksichtigung der der neueren Rechtsprechung (B 1 KR 11/09 R / B 3 KR 12/08 R) die Rechnungskorrektur zügig erfolgen bzw. die Überprüfung noch vor Rechnungslegung erfolgen.

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

  • Guten Morgen,

    kann es sein, dass hier ein innerer Zusammenhang (nur spiegelverkehrt) zum Thema
    http://mydrg.de.dedi694.your-server.de/apboard/userac…st&postid=66308
    besteht? Ketzerisch gesprochen, ist das Erinnerungsvermögen des Arztes besser, wenn eine nachgehende Prüfung über den eigenen Arbeitgeber angestossen wird?

    Aber ich schließe mich Dr. Linz an. Am günstigsten und besten ist die Überprüfung vor erstmaliger Rechnungslegung.

    Viele Grüße und einen entspannten Resttag vom
    Rheinkilometer 660

  • Hallo DRG-Rowdy,

    auch wenn ich nicht ganz sicher bin, ob ich Ihre Anmerkung richtig verstehe:
    neue Rechnung -> neuer Prüfauftrag -> neue MDK-Prüfung -> neue Fristen
    aber sonst gleicher §275 Abs. 1c SGB V mit In-Kraft-Treten zum 1.4.2007/25.3.2009 (aus meiner Sicht bezogen auf Datum des Prüfauftrags)

    Die nachträgliche Rechnungsprüfung und Plausibilisierung der Vorschläge lief zumindest in unserem Krankenhaus ohne Beteiligung der behandelnden Ärzte (nur ich als Medizincontroller und meine Kodierfachkräfte \"durften\" hier nachdenken), so dass es auf deren Erinnerungsvermögen nur in der MDK-Prüfung auf Basis der Patientenakte ankommt.

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

  • Hallo,
    vielleicht zum Verständnis für manche Kassenmitarbeiter:
    in einigen / manchen / vielen Kliniken besteht ein historisch gewachsenes abteilungszentriertes Denken. Das führt dazu, dass dann nur Leistungen und Diagnosen der eigenen Abteilung kodiert werden, da man die der anderen entweder ausblendet oder auch gar nicht versteht (im Sinne des korrekten OPS-Kodes).
    Auch werden oft Leistungen, die \"en passant\" erbracht werden (z. B Transfusionen, Medikamentengabe, Punktionen) gerne vergessen, wenn sie nicht direkt am Ort der Leistungserbringung oder vom Leistungserbringer kodiert werden.
    Insofern hat das nichts mit Erinnerungsvermögen zu tun, sondern damit, das für den normalen Stationsarzt die Kodierung eine ungeliebte und aufoktroierte Zusatzbelastung ist, die man dann möglichst schnell hinter sich bringen will.
    Aber das sind KH-interne Probleme, die dann wieder Ausgangspunkt für Beratungsleistungen und weiterführende Fachliteratur sind.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Moin Forum,

    dies bewegt mich schon lange, zumal ich schon wiederholt darauf hingewiesen habe, dass der MDK diese Fälle nie findet, oder wir nicht davon erhfahren.

    Für einige, scharf abgegerenzte Leistungen ist das gut kontrollierbar (V.a. bei Material - oder Medikamenteneinsatz) für ander wieder nicht.

    Das ganze wird vor dem Hintergrund des BSG-Urtelils vom Dezember zum Problem, weil die Kassen bginnen, in Serienbriefen jede Nachhberechnung abzulehnen, sei der Fehlbetrag auch noch so hoch.
    Derzeit häufigste Begründung: Der \"offensichtliche\" Kodierfehler müsste auch für die Kasse offensichtlich sein.

    Die Nicht-Realisierung von Abrechnungsrelvanten sachverhalten war immer eines meiner Haupt-Argumente. Ich habe mich anfangs mit den Redakteuren KH-kritischer Betiräge auch noch in Verbindung gesetzt, um diese auf genau das aufmerksam zu machen, allein: Alle hielten dies für so nebensächlich, dass sie es nicht in ihrer weiteren Berichterstattung berücksichtigen wollten.

    Gruß

    merguet

  • Hallo -

    merguet - unterhalb der Schlagzeile: \"Wahnsinn - Krankenhäuser retten deutsches Gesundheitswesen und stellen Fantastilliardenbeträge nicht in Rechung!\" - läuft da eben nix.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Hallo,
    hat eigentlich schon jemand eine Klage am Laufen, wenn bei der Rechnungsprüfung mit dem MDK eine fehlerhaft vergessene relevante Nebendiagnose ausgegraben wird und die dann von der Kasse wegen BSG-Urteil nicht akzetiert wird?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo -

    wir nicht - aber in diesem Fall (haben wir mit unseren Rechtsverdrehern \"vorsorglich\" besprochen) würden wir zukünftig und ab sofort bei Übermittlung der Unterlagen an den MDK alle GA unter Hinweis auf dieses Vorgehen der Kasse innerhalb einer Woche zurückfordern um zukünftig solche Konstellationen zu vermeiden ... und dann Klagen.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Hallo,

    das BSG-Urteil macht doch eigentlich nur für die Fälle Sinn, wenn die Klinik von sich aus nachkodieren will. Hat die Kasse dagegen eine MDK-Prüfung angestrengt, erwartet sie ja eine neue Rechnung im Zuge der Überprüfung.
    Ich habe dieses Urteil allerdings noch nicht gelesen und bin mir nicht sicher, ob ich mit meiner Einschätzung richtig liege.

    Gleichzeitig muss im Fall der MDK-Einschaltung m. E. aber auch noch zwischen zwei Konstellationen unterschieden werden, je nachdem, ob der vergessene DRG-relevante Sachverhalt vom Prüfauftrag der Kasse an den MDK mit erfasst wird oder nicht.

    Lautet die Fragestellung z. B. lapidar \"DRG korrekt?\", dann kann ich alle bei der Erstkodierung vergessenen DRG-relevanten Sachverhalte anbringen, und der MDK hat sie m.E. in seinem Gutachten zu berücksichtigen. (Damit hätte diese sehr allgemeine Fragestellung der Kassen sogar mal etwas Gutes.)

    Ist dagegen etwa nur nach Nebendiagnosen gefragt, kann ich im Zuge der MDK-Prüfung keine vergessenen OPS-Ziffern nachschieben.
    Sollte allerdings in Folge der Prüfung eine Rechnungskorrektur erforderlich sein, müsste doch die vom BSG gesetzte Frist erneut beginnen mit der Folge, dass die korrigierte Rechnung wiederum storniert werden (diesmal aber kurzfristig!)und anschließend inkl. der zuerst vergessenen OPS-Ziffern erneut übermittelt werden kann.

    Herzliche Grüße,
    fimuc

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,
    es ging mir gar nicht um Klein-Klein und vergessene Nebendiagnosen, es geht mir um offensichtliche Fehler i.S. OP vergessen. Dies nur zur Klarstellung. Damit geht es ebenfalls nicht um die Frist der Nachberechnung.

    DRG-Rowdy: Es gab bei meiner völlig offenen Fragestellung keinen Bezug zu anderen Beiträgen. Auch mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und deren etwaigem Erinnerungsvermögen hat meine Frage nichts zu tun. Interessant ist aber, wieso Sie darauf kommen ? Reflektorisch ?

    Meine Kern-Frage war, ob es zur Unterkodierung Ihnen bekannte und belastbare Literatur gibt.

    Viele Grüße
    B. Sommerhäuser