Wahl der Hauptdiagnose

  • Guten Morgen -

    m.E. ist der \"Knackpunkt\" die Auslegung/Definition des Begriffes der \"Veranlassung\". Hier hilft evtl. ein Blick über den Tellerrand. Der Begriff ist im Steurrecht (Dienstreisen etc. hier bei sog. betrieblich veranlassten Aufwendungen) wichtiges Thema - Zitat: Der Begriff der betrieblichen Veranlassung erfordert, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Betrieb (Beruf) besteht (BFH Urteil vom 1.6.1978, IV R 36/73, BStBl II 1978, 499). Eine OP am Fuß wird eher durch eine Fraktur daselbst und weniger durch eine Problem am der Gebärmutter veranlasst - das dürfte so auch ein - erfreulich häufig gar nicht so sehr um die Ecke denkender - Richter nachvollziehen können. Und natürlich auch verstehen was gemeint ist mit: Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen.

    Oder einfach der Blick z.B. in: http://de.thefreedictionary.com/Veranlassung

    Ver•ạn•las•sung die; -; nur Sg
    1. ein wichtiger Grund für eine Handlung <es gibt, es besteht Veranlassung; jemand hat keine Veranlassung für etwas/etwas zu tun>: jemanden ohne jede Veranlassung beschuldigen; Er hat keine Veranlassung, einen solchen Schritt zu unternehmen
    2. auf jemandes Veranlassung (hin) weil es jemand so will, so festgelegt hat

    Es ist im \"Rahmen der Entwicklung und Pflege des Entgeltsystems\" ja wohl auch kaum nützlich eine zukünftige Fallgrupppe Fußbruch bei Gebärmutterproblem zu definieren.

    Ich finde das hilft evtl. bei der Meinungsbildung etwas.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Lieber Herr Balling,

    Zitat

    Verstehe ich Sie richtig, dass ich, statt auf die threads zu verweisen, lieber eine kurze Zusammenfassung hätte liefern sollen?

    wenn Sie mich so direkt fragen: natürlich JA! Nichts wäre naheliegender! Sie waren doch seit 2003 intensiv an der von Ihnen zitierten Diskussion beteiligt. Es sollte Ihnen von daher ein Leichtes sein, Ihre Auffassung kurz zu begründen.

    ME ist in einem konkreten Fall unsicher, welche von zwei in Frage kommenden Alternativen die bessere Hauptdiagnose ist. Vielleicht hat sie die Suchfunktion schon benutzt, ist aber nicht fündig geworden, weil die Suchfunktion mal wieder viele Threads zurückgegeben hat, von denen die meisten zwar schon irgendwie was mit der Frage zu tun haben, unter denen aber trotzdem keiner richtig auf das konkrete Problem passt, das Ihr gerade unter den Nägeln brennt. Vielleicht steht sie einfach auch nur unter Zeitdruck und kann es sich nicht leisten, seitenweise Beiträge aus 2003 durchzuackern.
    Falls auch Sie keine Zeit haben, brauchen Sie ja nicht zu antworten. Wenn Sie aber dennoch Zeit haben und der Auffassung sind, dass Sie eine Antwort auf Me‘s Frage wissen, begründen Sie diese doch kurz in zwei, drei Sätzen. Das braucht auch nicht mehr Zeit, als alte Threads auszugraben und zu verlinken und ist zudem hilfreicher - gerade auch für jene Nutzer, die in Zukunft die Suchfunktion nutzen und es leid sind, in den Such-Ergebnissen ständig auf Threads zu stoßen, in denen der ursprüngliche Fragesteller auf die Suchfunktion verwiesen wird.

    Um nochmal zum eigentlichen Problem zurückzukommen: ein Umstand, der bei Antritt des stationären Aufenthaltes nicht besteht, kann auch nach Analyse etc. pp. nicht Anlass desselben sein. Wenn ich ME richtig verstanden habe, war die Patientin bereits stationär aufgenommen, als sie sich die Mittelfußfraktur zugezogen hat, und die stationäre Behandlungsbedürftigkeit war wegen des bekannten Uterusmyoms gegeben und festgestellt. Auch wenn nun ausschließlich die Fraktur behandelt wurde, kann diese den Aufenthalt gar nicht veranlasst haben, da die Patientin mit unversehrten Füßen in die Klinik einmarschiert ist. Dass es sich wie im von ihnen zitierten Fall Gonarthrose/Divertikulitis anders verhalten mag, wenn Erkrankungen, die bei Aufnahme existent sind, aber weder Einweisungs- noch Aufnahmediagnose darstellen, nicht sofort erkannt werden oder nicht von Anfang an im Fokus stehen, steht auf einem anderen Blatt, trifft aber auf den hier diskutierten Fall aus meiner Sicht nicht zu.

    TT:

    Zitat

    Eine OP am Fuß wird eher durch eine Fraktur daselbst und weniger durch eine Problem am der Gebärmutter veranlasst

    Es ist ja von der Veranlassung des Aufenthaltes die Rede und nicht von der Veranlassung der durchgeführten Therapie! Ich finde die Fraktur als Hauptdiagnose intuitiv auch nachvollziehbarer - nur: wenn alle Welt das so sieht, müsste man konsequenterweise irgendwann auch die DKR anpassen und die Hauptdiagnose wieder als diejenige Diagnose mit dem höchsten Ressourcenverbrauch definieren. Vielleicht erleben wir das ja noch...

    Schöne Grüße,

    B. Liebermann

  • Sehr geehrte Mitstreiter/-innen,

    dass die DRG-Hauptdiagnose nicht der Einweisungsdiagnose und/oder Aufnahmediagnose entsprechen muss, wurde in der Diskussion ja bereits klar.

    Ergänzend möchte ich auf das Urteil des SG Würzburg vom 13.11.2006 (S 15 KR 293/04) zur Frage der Hauptdiagnose in einem ähnlich gelagerten Fall verweisen (siehe BKG-Mitteilungen Nr. 19/2006 vom 20.12.2006):
    \"In dem anhängigen Fall war eine Patientin im Jahre 2003 mit der Einweisungsdiagnose M16.9 (Coxarthrose, Hüftgelenksverschleiß) zum Einsetzen einer Totalendoprothese (TEP) ins Krankenhaus aufgenommen worden. Bei den Untersuchungen im Vorfeld zum geplanten Eingriff wurde eine bösartige Geschwulst des Darms festgestellt, deren Entfernung anstelle der geplanten Hüftgelenksoperation durchgeführt wurde. Als Hauptdiagnose wurde – wegen der Tumorbehandlung, bei entfallener Hüftoperation – vom Krankenhaus die Hauptdiagnose C18.2 (bösartige Neubildung: Colon ascendens) kodiert und an die Krankenkasse übermittelt.

    Das Gericht kam zur Überzeugung, dass das Krankenhaus richtig kodiert und abgerechnet hatte. Das Gericht führte dazu aus, das DRG-Vergütungssystem bezwecke, einerseits durch Pauschalierungen einen praktikablen Differenzierungsgrad zu ermöglichen, andererseits aber auch komplexe Fälle abbilden zu können und eine leistungsorientierte Vergütung zu gewährleisten.

    Aus diesen Gründen sei bei Unklarheiten wie vorliegend (“Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts“) für das Gericht diejenige Auslegung der DKR vorzuziehen, die leistungsorientiert ist und eine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung ermöglicht. Diese führe dazu, dass die Diagnose C18.2 (bösartige Neubildung: Colon ascendens) als Hauptdiagnose anzusehen sei. Zwar habe die Krankheit, die nach Auffassung der beklagten Krankenkasse zur Bestimmung der Hauptdiagnose heranzuziehen sei (M16.9 – Coxarthrose) die Einweisung ins Krankenhaus und auch (nach der ersten Aufnahmeuntersuchung) die Aufnahme ins Krankenhaus veranlasst. Sie war in diesem Sinne jedoch nur verantwortlich dafür, dass der Krankenhausaufenthalt überhaupt angetreten wurde. Unter der Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten im Sinne der DKR sei aber etwas anderes zu verstehen. Um die Hauptdiagnose feststellen zu können, ist den Hinweisen zufolge eine Analyse notwendig. Diese Analyse besteht nach den weiteren Ausführungen der DKR in einer Evaluation aller beim Patienten erhobenen Befunde am Ende des Aufenthaltes. Es ist demnach – rückblickend – aus einer Fülle von Informationen und ggf. den verschiedensten Untersuchungen, Behandlungen, Beratungen und anderen Maßnahmen zu entscheiden, was als Hauptdiagnose anzusehen ist. Zwar könnte ein weiterer Hinweis in den DKR („die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen“) lediglich diejenigen Fälle meinen, in denen die Aufnahme- oder Einweisungsdiagnose schlichtweg falsch war. Es habe sich im vorliegenden Fall jedoch mit M16. 9 (Coxarthrose) gar nicht um eine Falschdiagnose gehandelt. Vielmehr werde gerade am denkbaren Falle einer falschen Aufnahme- oder Einweisungsdiagnose deutlich, dass es darauf ankommt, welche Krankheit den Krankenhausaufenthalt – und in Verbindung damit auch die während des Aufenthaltes erbrachten Leistungen – veranlasst hat, und zwar im doppelten Sinne, nämlich:
    1. insofern, dass wegen der Krankheit tatsächlich über rein diagnostische Maßnahmen hinausgehende Behandlungen erbracht wurden und
    2. in dem Sinne, dass bei rückblickender Bewertung am Ende des Aufenthaltes die als Hauptdiagnose in Betracht kommende Krankheit die Dauer des Aufenthaltes mindestens mitbestimmt hat.
    Nur bei einem solchen Verständnis des Begriffs der Hauptdiagnose mache es Sinn, eine Analyse, nämlich die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes als Mittel zur Feststellung der Hauptdiagnose vorzuschreiben, wie dies zu Beginn des Abschnitts D002 der Fall ist.\"

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

  • Moin Dr. Linz,

    widerspricht dieses Urteil aber nicht der DKR D002, die ja eindeutig den Aufnahmengrund als Kriterium festhält und sogar selber die Problematik dabei erkannt hat:

    Zitat: Anmerkung 1: Es ist nicht auszuschließen, dass diese Definition der Hauptdiagnose vereinzelt im DRG-System keine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung erlaubt. Im Rahmen der Entwicklung und Pflege des Entgeltsystems werden solche Fälle verfolgt und auf ggf. notwendige Maßnahmen geprüft.

    D.h. doch dass dem InEK/Selbstverwaltungspartnern im Gesundheitswesen dieses Problem bewusst ist, aber in Einzelfällen einfach nicht zum \"Vorteil\" des Krankenhauses interpretiert werden kann.

    Grüße
    Jannis

  • Hallo -

    Zitat


    Original von DRGist:
    TT:


    Es ist ja von der Veranlassung des Aufenthaltes die Rede und nicht von der Veranlassung der durchgeführten Therapie!

    Nach meiner Erfahrung besteht zwischen Therapie und Aufenthalt meist ein gewisser Zusammenhang. Ich denke Sie erklären sich den Begriff \"Veranlassung\" aber ohnehin zu sehr aus der Sicht des Aufnahmestandpunktes - es kommt auf den Gesamtverlauf an. Das o.g. Urteil mach es ja auch deutlich.

    Schönes Wochenende.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Wenn die Patientin bereits auf der Station war (also in ihrem Bett lag) und erst danach gestürzt ist, bleibt die HD die gynäkologische Erkrankung. Bei der Fraktur handelt es sich in diesem Fall um eine Komlikation. Somit gibt es wahrscheinlich eine Fehler-DRG, die ja auch für solche Fälle konstruiert und höher bewertet sind.

    Gruß
    Ordu

  • Hallo Forum,

    so ganz verstehe ich die Diskussion nicht.
    Wenn ein Patient erst nach (!!!) stationärer Aufnahme, d.h. er ist stationär, etwas erleidet, kann dieses Leiden die Aufnahme ins KH nicht veranlasst haben, scheidet somit als HD aus. Auch wenn das ursprüngliche Aufnahmeleiden wegen dieses Sonderfalles nicht (mehr) behandelt wurde, so ist es trotzdem Hauptdiagnose.

    Das Gerichtsurteil beschäftigte sich mit einer anderen Konstellation: die Aufnahme wurde offensichtlich durch die Coxarthrose veranlasst, das mitgebrachte (obwohl noch nicht bekannte und bei der Prä- OP Untersuchung entdeckte) Tumorleiden trat aber in den Vordergrund und musste zuerst behandelt werden.
    Hier treten aus Retrosicht zwei Diagnosen, die beide bei Aufnahme bestanden in Konkurrenz als HD.


    Die Geschichte hat eine zweite Dimension: Kostenträger ist und bleibt für die Behandlung die Kasse und nicht die BG, die für den Krankenhausunfall sonst aufkommt (§ 15 a SGB VII). Die BG wäre nur primärer Kostenträger, wenn der Unfall vor der Aufnahme entstanden wäre.

    Zu klären wäre allenfalls rechtlich, ab wann der Patient als stationär aufgenommen gilt: wenn er sich in der Verwaltung angemeldet hat oder wenn er das KH betreten hat oder wenn er auf Station ist. Darum sollten sich aber wohl die Juristen kümmern.

    Gruß

    P.Host

  • Hallo Forum !

    Wann gilt ein Patient als stationär aufgenommen?

    Ich meine, sobald er sich in der Patientenaufnahme gemeldet hat und im PC erfasst ist.

    Gibt es andere Meinungen von Forumsteilnehmern?

    Schönen Abend noch!

    Viele Grüße
    kemia

  • Hallo,

    wie ich oben schon schrieb: Wer fällt die Entscheidung zur stationären Aufnahme: Der aufnehmende Arzt, und sonst keiner. Sobald dieser also eine Behandlungsplanung für min. einen Tag und eine Nacht hat und die stat. Behandlung begonnen wurde (vgl. dazu die laufende BSG-Rechtsprechung zur Frage der stat. Behandlung), ist der Patient aufgenommen. Die Angabe von Daten in irgendwelchem Computer - es gibt erste KH, in denen der Patient das selber am Terminal macht - kann wohl kaum eine ärztliche Entscheidung ersetzen...

    Viele Grüße,
    J.Helling

  • Hallo,

    B 3 KR 11/04 R, z.B. bei http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.…l=esgb&id=23098

    \"Eine vollstationäre Behandlung iS einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Der Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus zur Durchführung einer Operation bedeutet deshalb allein ebenso wenig wie die Unterzeichnung eines Krankenhausaufnahmevertrages, die Durchführung einer Vollnarkose oder eine mehrstündige, intensive postoperative Überwachung im Krankenhaus bereits eine vollstationäre Behandlung.\"

    Gruß, J.Helling