• Guten Abend,

    ich argumentiere so:
    1. Die Diagnose wird ex-post erstellt, also nach Sichtung aller Befunde. Diese sind aber zu Beginn der Behandlung noch gar nicht da, z.B. die Blutkulturen. Letztendlich muss man fragen, ob die Behandlung unter der Annahme einer Sepsis anders geplant worden wäre.
    2. Eine Behandlung (i.d.R. Antibiotika) ist ja tatsächlich erfolgt. Ob der Assistenzarzt dabei eine Sepsis im Kopf hatte, ist unerheblich. Wenn ich bei unklarem Fieber z.B. zunächst einen bronchitischen Infekt behandle, sich nach einigen Tagen aber herauskristallisiert, dass in Wirklichkeit eine Cholecystitis vorliegt, kann ich diese ja trotzdem verschüsseln.
    3. Was im Brief steht, ist daher unerheblich, es zählt die Aktenlage. Der Brief hat einfach einen anderen Informationscharakter als die Codierung. Da gehören auch Dinge rein, die nicht kodierrelevant sind, und umgekehrt auch andere Dinge, die codiert werden, sollten draußen bleiben, wie z.B. Hypokaliämie.
    Ansonsten könnte ich ja auch umgekehrt im Brief irgendeine Diagnose schreiben, die besser passt als die tatsächliche Diagnose, und diese dann abrechnen, auch wenn sie in Wirklichkeit gar nicht stimmt, Hauptsache ich habe etwas gemacht, das auch zu dieser Diagnose passen würde.. Da würde dann ja auch das in der Akte dokumentierte zählen und nicht das im Brief (ist auch schon verschiedentlich vorgekommen, da habe ich dann dem MDK Recht geben müssen).
    4. Vielleicht kann man das vermeiden, indem man jeden, der mit Fieber aufgenommen wird, als Aufnahmediagnose "Sepsis" verschlüsselt, da sich ja immer am Ende eine Sepsis herausstellen könnte. Wenn der MDK das so will....

    5. und nicht zulezt wird uns ja immer eingehämmert, dass die DRG nichts mit Medizin zu tun haben, sondern wirtschaftlichen, d.h. kalkulatorischen Hintergrund haben.

    OKIDOCI 8)

  • Ich kann okidoci nur zustimmen: Brief und Kodierung sind 2 verschiedene paar Schuhe. Und es gibt durchaus Konstellationen, in denen die Sepsis für den Hausarzt nicht interessant ist. Wenn z.B. ein wochenlang auf Intensiv liegender Patient zwischendurch mal für 2 Tage die Kriterien der Urosepsis erfüllt, ist das dem Hausarzt später genauso wurscht wie das Kalium von 3,59 am Aufnahmetag (wie's im konkreten Fall aussah, wissen wir ja nicht).

    Natürlich kann man mit einer Bestätigung der Sepsiskriterien durch den Stationsarzt die Sache vereinfachen, bestreitet ja niemand. Aber "der MDK" muss endlich mal kapieren, dass nicht er der primäre Adressat des Briefes ist, sondern der weiterbehandelnde Arzt - und dass deswegen auch nicht alles, was kodierrelevant ist, im Brief stehen muss.

    Leider werden seit einigen Jahren Arztbriefe zunehmend zu einer bloßen Auflistung kodierrelevanter Sachverhalte, wobei der ursprüngliche Zweck (Information des Weiterbehandlers) verloren geht - entweder, weil dieser die wichtigen Informationen zwischen den seitenlangen Auflistungen nicht mehr findet, oder weil er sich schlicht und einfach die Lektüre nicht mehr antut. Ich ertappe mich ja auch immer wieder dabei, dass ich "MDK-Abwehr-Formulierungen" in meine Briefe einbaue, aber primär dient der Brief einem anderen Zweck. Der MDK-Gutachter hat alle relevanten Informationsquellen heranzuziehen. Und wir sollten ihn nicht noch in seiner Oberflächlichkeit bestärken, indem wir ihm noch extra darlegen, warum wir ihm nicht alle informationen auf dem Silbertablett präsentiert haben...

    novemberneblige Grüße

    MDK-Opfer

  • Hallo,


    ich muss zugeben, dass auch ich Briefe im Hinblick auf MDK-Tauglichkeit überprüfe und ggf. ergänze, wenn eine Anfrage kommt und der Brief noch nicht raus ist (das liegt nicht an den Ärzten sondern an dem durch das ständige für-den-MDK-Akten-Raussuchen von seiner eigentlichen Arbeit abgezogenen Schreibdienst...Da werden dann z.B. vorübergehende Umstellungen der Medikation wegen Niereninsuffizienz beschrieben, oder so Selbstverständlichkeiten wie Kaliumsubstitution bei Kaliummangel. Was den Hausarzt nicht interessiert. Im schlimmsten Fall fühlt er sich belehrt und ist zu Recht sauer.

    Ich muss einräumen, dass im vorliegenden Fall wirklich erst im Nachhinein die Sepsiskriterien als erfüllt gesehen wurden. Das spielt aber m.E. letztendlich keine Rolle. Klinisch hat sich das ganze wie ein aufsteigender Harnwegsinfekt dargestellt und wurde entsprechend behandelt. Dass nach den formalen Kriterien eine Sepsis vorgelegen hat, ist letztendlich für den Hausarzt nicht wirklich interessant. Als "Gegenleser" kann ich auch nicht bei jedem Harnwegsinfekt, der mir von den Assistenzärzten präsentiert wird, nachsehen, ob vielleicht doch die Sepsiskriterien erfüllt waren. Ich glaube im Übrigen, dass wir manche Sepsis "verpassen".

    ET.gkv: das mit der Codier-Sepsis kann man so sehen. Da aber, wie weiter oben ausgeführt, das ganze DRG-System eine kalkulatorisches System ist und nicht ein klinisches, ist das notwendigerweise so. Es gibt ja auch den umgekehrten Fall, in dem klinisch eine Sepsis vorliegt und wir uns drehen und wenden aber die Kriterien nicht "zusammenkriegen", vielleicht nur weil man bloß eine statt 2 Blutkulturen abgenommen hatte, alles andere aber passt. So ist das eben.

    Und wenn es gewollt wäre, dass diese "leichten" Sepsisformen nicht als aufwandsrelevant angesehen werden, dann hätte man eben im Definitionshandbuch das entsprechend berücksichtigen müssen. Siehe auch die leidige Diskussion um Behandlung auf Intensivstation. Da müsste der Verordnungsgeber bzw. das INEK ja nur eine Sperre einbauen, dass ohne OPS 8-930 eine Sepsis keine vergütungstechnischen Konsequenzen hat, und schon wäre da die Luft draußen. Hat er aber nicht, daher ist für meine Begriffe das mit der Intensivstation weiterhin der Phantasie des MDK entsprungen, beruht aber nicht auf Tatsachen.

    OKIDOCI 8)

    Einmal editiert, zuletzt von okidoci (21. November 2012 um 23:04)

  • hallo Herr Dr. Selter!
    Es ist mir ja (fast) peinlich, der einzige begriffsstutzige hier im forum zu sein. Sie haben recht, wir hatten das schon. Ich klebe emotional leider immer noch an "Diagnosis related coding" obwohl dies obsolet ist und "Coding related diagnosis" in der IT-welt angesagt ist.
    Vielleicht habe ich einfach zu wenig Asperger-Gene. Ich setze meine hoffnug auf die gen-transfer-medizin. Mit ein paar selcher gene würde ich schneller in "Coding related diagnosis" und krieg vielleicht sogar mein heimnetzwerk hin. Ob das die KK zahlt?


    hallo okidoci, hallo MDK.Opfer!
    Ich bin zu langsam, um auf alle Ihre sachlichen argumente einzugehen.
    Daher beschränke ich mich auf die Codiersepsis.
    Die dürfte es gar nicht geben. Nach D002 werden die diagnosen/hd rüchschauend am Ende des stationären aufenthaltes festgelegt. Das sind die minuten vor der entlassung. Der kurz-arztbrief ist wichtig! Da steht drin, was zu diesem zeitpunkt wichtig/ richtig war. Setze ich voraus, das keine befunde nach entlassung eingehen, dann wird der E-bericht nicht vom Kurz-arztbrief abweichen.
    Die Kodierabteilung hat die medizinischen Diagnosen dieses augenblicks vor der entlassung in das system ICD zu übersetzen.
    Abänderungen nach entlassung ( "Coding related diagnosis") wie vereinbaren Sie das mit D002?


    abschließend noch: herzlchen dank für Ihre sachlichen beiträge.

    mfg ET.gkv

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Dr. Trump,

    zur Frage der Kostenübernahme Ihrer Wunschtherapie, rate ich, bereits im Vorfeld eine Kosten-Nutzen-Analyse durch einen neutralen MDK-Gutachter (so ein gesetzliches KK-Versicherungsverhältnis vorliegt) erstellen zu lassen. Nicht, dass hier im Nachhinein was schiefgeht! Auf alle Fälle wünsche ich gute Besserung!

  • hallo Herr Dr. Selter!


    Danke für die Genesungswünsche!


    Wie auch immer die entscheidung des mdk ausfällt, ich werde sie akzeptieren, weil -wie ich schon öfter hier schrieb - der mdk immer recht hat. Wird aber noch ein bißchen dauern mit dem gen-transfer. Rechnen Sie also nicht so schnell mit besseren posts von mir.


    mfg ET.gkv

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Dr. Trump,

    werde versuchen, meine Erwartungshaltung zu bremsen. Falls das aber in diesem Leben mit dem Gen-Transfer nicht mehr hinhaut, ist ggf. Kryonik eine Option. Die Kostenübernahme der Kasse sehe ich allerdings hier als eher unwahrscheinlich an, das vorausgegangene Ableben dürfte hier Totschlagargument sein...

  • hallo Herr Dr. Selter!

    kryonik, nein danke. Selbst wenn es gkv-kassenleistung wäre nein danke.
    Nur ärzte die selbst kein rheuma haben verordnen kältetherapie.
    Ich jedenfalls habe mir vor einer woche ( ohne kk-zuschuss) eine große heizdecke gekauft. Beweglichkeit jetzt wieder ++

    mfg ET.gkv

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    bevor jetzt jemand anderes postuliert, die Diskussion schweife ab: Ja, so ist es! Daher wieder zurück zur kodiertechnisch anzugebenen Sepsis bei Vorliegen einer medizinisch angezweifelten Diagnose. Falls da noch Bedarf besteht...

    • Offizieller Beitrag

    Ich jedenfalls habe mir vor einer woche ( ohne kk-zuschuss) eine große heizdecke gekauft.


    Guten Tag

    "Man konnte in den letzten Tagen schon etwas verwirrt sein über den
    krassen Imagewechsel der elektrischen Heizdecke: Bis vor Kurzem galt sie
    ja noch als eine klar dem Seniorenmilieu zugeordnete Gerätschaft, auf
    Kaffeefahrten zu überteuerten Preisen verhökert an Menschen, deren
    Durchblutung nicht mehr von selbst für die nötige Körperwärme sorgen
    kann."


    http://www.spiegel.de/kultur/tv/roch…m-a-781224.html


    Gruß
    E Rembs

  • Hallo ET.gkv

    Nach D002 werden die diagnosen/hd rüchschauend am Ende des stationären aufenthaltes festgelegt. Das sind die minuten vor der entlassung. Der kurz-arztbrief ist wichtig! Da steht drin, was zu diesem zeitpunkt wichtig/ richtig war. Setze ich voraus, das keine befunde nach entlassung eingehen, dann wird der E-bericht nicht vom Kurz-arztbrief abweichen.


    Das stimmt so nicht ganz. Selbstverständlich dürfen Befunde aus einem stationären Aufenthalt, die nach Entlassung eingehen, in die Kodierung mit eingearbeitet werden. Sonst müsste man ja alle Patienten so lange stationär behalten, bis alle Befunde da sind, und da möchte ich hören, was der MDK dazu sagt. Es ist - davon abgesehen, in KR D002f ausdrücklich vorgesehen:

    Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen.


    Ganz am Anfang des DRG-Systems war das nicht so, daher sollten Sie sich da mal updaten, falls Sie noch die KR von 2004 oder so besitzen. Bei aller Kritik, die ich für dieses System habe (und die sich inzwischen weniger gegen das System als solches richtet sondern gegen die Schwerpunkte und Fehlanreize, die es setzt) - es ist irgendwie schon eine lernendes System und hat diesen anfänglich Blödisnn ausgemerzt. Und - je kürzer die Liegezeiten werden, umso mehr Befunde treffen erst nach Entlassung ein, wie Histo-Befunde, Bakteriologie (im Extremfall TBC nach Wochen und Monaten!), Spezialuntersuchungen z.B: bei Kurzliegern in der Rheumatologie, humangenetischen Untersuchungen etc.

    So, guets Nächtle jetzt...

    OKIDOCI 8)

    Einmal editiert, zuletzt von okidoci (24. November 2012 um 00:39) aus folgendem Grund: Korrektur