Dies und das aus Budgetverhandlungen

  • Liebe Leute,

    da sitzt man nicht selbst in den Budgetverhandlungen, und muss sich dennoch in am besten allem, jederzeit auskennen. Ich kann Euch sagen:

    Ich habe anbei 3 Fragen formuliert, bei denen ich Euch bitten würde, sie so zu beantworten, als wäre ich ein Laie. Gern stichpunktartig.

    1.) Was ist der Unteschied zwischen Mehrleistungsausgleich und Mehrerlösausgleich?
    2.)Was bedeuten beim Landesbasisfallwert Ausgleiche und Berichtigungen?
    3.) Wie kommt es zu Verlagerungen von der Erlössumme ins Erlösbudget?

    Vielleicht kann mir jemand helfen. Ich würde mich freuen.
    LG

  • Hallo wunderblume83,

    zu 1.) der Mehrerlösausgleich erfolgt für die im Vorjahr erzielten Erlöse, die über dem vereinbarten Budget des Vorjahres liegen. Diese Erlöse müssen zu 65% an die Kostenträger zurückgezahlt, das Krankenhaus darf nur 35% davon behalten.

    Der Ausgleich erfolgt über die laufenden Rechnungen ab dem Zeitpunkt der Genehmigung der Entgeltvereinbarung des aktuellen Jahres, in dem das Rückzahlungsvolumen in der Restlaufzeit als prozentualer Abschlagsbetrag auf die restlichen Fälle verteilt wird. Dieser Ausgleich nach § 4 Abs. 3 KHEntgG wird mit anderen Ausgleichen im Gesamtausgleichsbetrag nach § 5 Abs. 4 KHEntgG \"verwurstet\".

    Dagegen wird der Mehrleistungsabschlag (nicht -ausgleich) für Leistungen (bzw. die cm-Punkte) vereinbart, welche oberhalb des Istniveaus des Vorjahres als Budget des laufenden Jahres (unter Berücksichtigung des Katalogeffektes) vereinbart werden. Der Mehrleistungsabschlag wird als Rabatt auf zusätzlich vom Krankenhaus an die Kostenträger \"verkaufte\" Leistungen verstanden, auch wenn er mit vermutlich 30% im Jahr 2011 allenfalls im Sommerschlußverkauf zu erwarten wäre und somit eher nicht als Skonto zu verstehen ist.

    zu 2. Ausgleiche und Berichtigungen in den Landesbasiswerten berücksichtigungen (Leistungs-)Entwicklungen, welche zusätzlich zur \"üblichen\" Anpassung des LBFW an das laufende Jahr (Veränderungsrate, Orientierungswert, ...) relevant sind.

    zu 3. Die Erlösbudget nach §4 KHEntgG bezeichnet das DRG-Budget aus Fallpauschalen und Zusatzentgelten, die Erlössumme nach §6 Abs. 3 KHEntgG das Budget aus krankenhausindividuellen Zusatzentgelten und teilstationären Leistungen oder besonderen Einrichtungen (ohne NUB-Entgelte und ZE Bluter) .

    Durch Wanderungen von Leistungen aus den Anlagen 1, 2, 5 und Anlagen 3, 4, 6 der FPV ergeben sich dann ggf. auch Verschiebungen zwischen Erlösbudget und Erlössumme oder umgekehrt.

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

  • Hallo Herr Linz,

    erlauben Sie eine Frage bezüglich des Mehrleistungsabschlages und der Budgets:
    Ich dachte immer, die KH-Budgets sind - abgeleitet aus den \"traditionellen\" Budgets - im Prinzip festgeschrieben und steigen nur um die Grundlohnrate bzw. 2011 nur um die halbe Grundlohnrate. Ist der Mehrleistungsabschlag von 30% dann von dieser (sehr moderaten) Steigerung des Budgets abzuziehen (€-Betrag) oder von den im Vergleich zum Vorjahr mehr verhandelten Casemix-Punkten?

    Beste Grüße,

  • Hallo Cardiot,

    der Mehrleistungsabschlag bezieht sich nur auf die -im Vergleich zum Vorjahr- zusätzlich vereinbarten cm-Punkte für zusätzliche Leistungen.

    Der Mehrleistungsabschlag wird letztlich ebenso wie alle anderen Zu-/Abschläge in der Restlaufzeit über den Gesamtausgleichsbetrag nach § 5 Abs. 4 KHEntgG \"abgewickelt\".

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

  • Hallo Herr Linz,

    alles klar, danke!
    Damit ist das eigentlich eine Abkehr vom Gedanken des DRG-Systems (\"das Geld soll der Leistung folgen\"), oder? Schließlich trifft\'s dann im Gegensatz zum Mehrerlösausgleich auch Kliniken die ihr Leistungsspektrum tatsächlich erweitern (z.B. neuer Schwerpunkt mit mehr Betten und mehr Personal).

    Beste Grüße

  • Hallo Cardiot,

    der Mehrleistungsabschlag gilt ja nur für das jeweilige Jahr. Die zusätzlich vereinbarten cm-Punkte werden im Folgejahr dann zu 100% vergütet.

    Im Prinzip entspricht dies den Regelungen der Konvergenzphase, in der Mehrleistungen von den Kostenträgern im jeweiligen Jahr nicht zu 100% vergütet werden mussten. Dabei waren die Prozentsätze über die Jahre der (verlängerten) Konvergenz gestaffelt, aber in vergleichbarer Höhe des Mehrleistungsabschlages.

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    siehe auch heute in den news:


    http://www.uniklinika.de/vud.php/cat/19…_Krankenhaeuser


    Der aktuelle Referentenentwurf eines GKV-Finanzierungsgesetzes sieht zur Kosteneindämmung im Gesundheitswesen vor, dass die Vergütungen für Mehrleistungen der Krankenhäuser 2011 pauschal um 30% gekürzt werden.
    ...
    „Es geht nicht an, auf der einen Seite zu Organspenden aufzurufen und die transplantierenden Zentren dann zu bestrafen, wenn sie tatsächlich ihre Fallzahl steigern können. Widersinnig ist zudem, dass einerseits der Gemeinsame Bundesausschuss die Frühgeborenenversorgung in Zentren konzentrieren will, diese Zentren aber auf einem Teil der Mehrkosten sitzen bleiben sollen. Das ist ordnungspolitisch falsch“, analysiert Strehl.


    Zum Vergleich:


    Banker (HRE) ruinieren ihr Unternehmen und erhalten jetzt Bonuszahlungen (25 Mio Euro)


    Die Bundesregierung verteidigte dagegen die Zahlung von Millionenprämien


    Begründung:

    Die einmaligen Ausgleichszahlungen seien notwendig und \"nicht unangemessen\", um erfahrene Spezialisten im Unternehmen zu halten. Das Geld solle zudem die \"hohe Arbeitsbelastung\" während des akuten Krisenmanagements im Jahr 2009 kompensieren.
    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/hrehilfen104.html


    Gruß
    E Rembs

  • Hallo Herr Rembs & Forum,

    exzellente Gegenüberstellung!

    Um Ihre Analogie aufzugreifen und weiterzuspinnen: Es wird wohl auch im Kliniksektor Einrichtungen geben, die \"too big to fail\" sind, allerdings auch die anderen. Wenn ich mein Teilgebiet so anschaue, wundere ich mich schon, wie die alle Nase lang neu eröffneten Katheterplätze sich rechnen sollen und ob nicht Kooperationsmodelle im Sinne von Netzwerken sozio-ökonomisch und qualitativ sinnvoller wären. Das wird wohl auch in anderen Disziplinen so sein. Da ist halt viel Prestigedenken und Lokalpolitik dahinter.

    Daher kann ich mir gut vorstellen, dass der durch die o.g. Entwicklungen getriebene Privatisierungstrend der Bundespolitik als Kostendämpfer ganz recht ist. Die \"Flurbereinigung\" erledigen andere und das kostet kein Geld und keine Wählerstimmen (zumindest nicht unmittelbar). Ob das Endergebnis gesellschaftlich gesehen mit dieser Strategie immer das Bessere ist, bleibt allerdings zweifelhaft.

    Schönen Abend und beste Grüße

  • Hallo,

    der Mehrleistungsabschlag ist betriebswirtschaftlich begründet und hat nichts mit einem großzügig gewährten Rabatt oder gar einem den Krankenkassen einzuräumenden Skonto zu tun.

    Grundgedanke ist, dass die Leistungserstellung X mit bestimmten Durchschnittskosten verbunden ist. Bei der Erstellung von Leistungen X+n, also bei Mehrleistungen, machen sich sogenannte Skaleneffekte bemerkbar – mit der Folge, dass die Durchschnittskosten pro Leistung sinken.

    Anders ausgedrückt: Die Herstellung von 800.000 Waschmaschinen verursacht Durchschnittskosten pro Waschmaschine von 200,00 Euro. Die Herstellung von 1.000.000 Waschmaschinen lässt die Durchschnittskosten pro Waschmaschine auf 195,00 Euro sinken. Die Massenproduktion von zahlreichen Konsumgütern ist der Grund für einen Preisverfall“ dieser Konsumgüter.

    Ob und inwieweit der beschriebene Effekt auf die stationäre Krankenhausversorgung übertragen werden kann, ist hochgradig strittig. Es gibt eine Reihe von Krankenhausleistungen (Endoprothetik), bei denen der Skaleneffekt beobachtet werden kann. Es ist sicher kein Zufall, dass gerade die Hüft- und Knieendoprothetik mit hohen Fallzahlen besonders interessante Objekte der Integrationsverträge gewesen sind. Es gibt aber auch viele Krankenhausleistungen, bei denen der Skaleneffekt nicht vorliegt oder nicht vorliegen kann. Es muss sich dabei keineswegs nur um die Versorgung von Schwerstbrandverletzten oder um die Transplantationschirurgie handeln. Eine pauschale, auf nahezu alle Mehrleistungen aller Krankenhäuser bezogene Abschlagsregelung ist daher nicht unbedingt „fair“ und sachgerecht. Ob der Gesetzgeber sich bei seiner 30 %-Regelung auch von diversen Schiedsstellenentscheidungen außerhalb Niedersachsens – Gruß an den VKD – hat leiten lassen, bleibt unbekannt.

    Gruß

    Der Systemlernende

  • Sehr geehrter Systemlernender,

    es sollte eine kurze und einfache Darstellung des Mehrleistungsabschlag sein, deshalb habe ich diese Aspekte \"unterschlagen\".

    Wie steht es allerdings mit \"sprungfixen Kosten\", welche sich durchaus auch bei Mehrleistungen ergeben können?

    Dr. med. Jürgen Linz
    Weiterbildungsassistent Orthopädie/Unfallchirurgie
    Facharzt für Chirurgie (BLÄK), Sportmedizin (BLÄK)
    Diplom-Krankenhausbetriebswirt (VKD), Qualitätsmanagement (BLÄK)

  • Guten Tag Herr Dr. Linz,

    das Thema ist in der Tat sehr vielschichtig bzw. komplex. Sie haben völlig Recht, \"sprungfixe Kosten\" und der \"Grad der Kapazitätsauslastung\" spielen natürlich auch eine wichtig Rolle, wenn es gilt, die Höhe des Mehrleistungsabschlages annährend qualifiziert bestimmen zu wollen.

    Gruß

    Der Systemlernende