Befangenheitsantrag gegen den MDK-Gutachter

  • Guten Tag zusammen,

    ich hätte eine Frage an die Juristen unter uns - gibt es eine Möglichkeit, einen Befangenheitsantrag gegen den MDK-Gutachter zu stellen? Bzw. geht es nur vor Gericht, oder kann/darf man einen bestimmten Gutachter (aus mehrfach gegebenem Anlass) auf dieser Weise ablehnen, auch ohne klagen zu müssen?

    Gruß
    GenS

  • Hallo GenS,

    die schlechte Nachricht vielleicht vorab: Es sieht eher schlecht für Ihr Ansinnen aus.

    Die §§ 275 ff. SGB V als speziellere Regeln treffen keine Anordnungen für den Fall, dass der MDK-Gutachter \"befangen\" sein könnte.

    Die allgemeineren §§ 16, 17 SGB X (Ausgeschlossene Personen/ Besorgnis der Befangenheit) dürften nach meiner Auffassung nicht direkt anwendbar sein. Dafür gibt es meines Erachtens zwei Gründe:

    Erstens ist der MDK-Gutachter kein Beteiligter am Verwaltungsverfahren im Sinne des § 12 SGB X. Es ist vielmehr so, dass der Sachbearbeiter der KK als Verfahrensbeteiligter nur Rat beim MDK einholt und dann eine eigene, u.U. auch von der Auffassung des MDK abweichende Entscheidung trifft. Er ist an dessen Empfehlungen nicht gebunden.

    Zweitens kommt es darauf letztlich aber auch gar nicht an, zumal im Verhältnis zwischen KK und KH kein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X stattfindet. Die Beteiligung an einem Verwaltungsverfahren setzt nach der klassischen Definition ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen \"Staat und Bürger\" voraus. Weiterhin dient das Verwaltungsverfahren der Vorbereitung und dem Erlass eines Verwaltungsaktes oder öffentlich-rechtlichen Vertrages. Zwischen KK und KH besteht jedoch weder ein Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern grundsätzlich ein Gleichordnungsverhältnis, noch ist die KK ermächtigt, Fragen der Abrechnung durch Verwaltungsakte zu regeln.

    Auch wenn es sich bei den Regelungen über die Befangenheit um einen Rechtsgedanken von grundsätzlicher Bedeutung handelt, so sehe ich aus den vorstehenden Erwägungen keinen Raum für eine entsprechende Anwendung der §§ 16, 17 SGB X. Einen ordentliche Rechtsbehelf, ich gehe davon aus, dass Sie so etwas meinten, sehe ich nicht.

    Auch wenn es sich beim MDK um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, ist auch die Möglichkeit der Formulierung einer Fach- oder Dienstaufsichtsbeschwerde zweifelhaft, zumal Sie von der Empfehlung des MDK an die KK nicht unmittelbar betroffen sind. Der MDK ist vorrangig der KK gegenüber zur ordnungsgemäßen Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben verpflichtet. Aber selbst wenn man diese Möglichkeit in Erwägung zöge - ich möchte betonen, dass ich das nicht tue -, wäre es sehr schwer.
    Wenn Sie Ihre Bedenken auf fachliche Fragen stützen dürfen Sie nicht übersehen, dass \"die Ärzte des Medizinischen Dienstes [...] bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen [sind]\" (§ 275 Abs. V S.1 SGB V). Ob der Gutachter seinem Gewissen gefolgt ist lässt sich nur schwer prüfen und zu Gewissensentscheidungen kann man niemanden zwingen. Ich lese aus dieser Vorschrift, dass er einer fachlichen Weisung durch dienstvorgesetzte Stellen nicht unterworfen ist. Auch wenn das Ergebnis des Gutachtens objektiv falsch ist, dürfte eine Fachaufsichtsbeschwerde eher weniger Aussicht auf Erfolg haben.
    Mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde kann gerügt werden, der Amtsträger habe sich persönlich nicht korrekt verhalten. Ohne die Einzelheiten Ihres Falles zu kennen kann ich zumindest sagen, dass so etwas recht schwer sein dürfte, denn die persönlich Verfehlung muss schon von einigem Gewicht sein und setzt einen wie auch immer gearteten persönlichen Kontakt voraus. Dieser besteht indes, sofern der Gutachter nicht in ihrem Hause war, in der Regel im Schriftverkehr zwischen Ihnen und dem Gutachter. Da ist eine persönliche Verfehlung nicht leicht nachzuweisen. Erlauben Sie mir erneut daran zu erinnern, dass diese Erwägung unter dem Vorbehalt stehen, dass Sie überhaupt von der Möglichkeit einer Fach- oder Dienstaufsichtsbeschwerde ausgehen. Auch die Möglichkeit eines außerordentlichen Rechtsbehelfs sehe ich nicht.

    Jedoch kann Sie das freilich nicht daran hindern, den Sachbearbeiter bei der KK auf Ihre Bedenken hinzweisen und um Begutachtung durch einen anderen Gutachter zu bitten. Hier geraten Sie jedoch in eine Zwickmühle. Einerseits kennen Sie die Tatsachen, die Ihren Bedenken zugrunde liegen. Diese dürfen Sie wegen des Datenschutzes dem Sachbearbeiter nicht nennen, sofern es sich um solche Daten handelt, die den Patienten betreffen.

    Nachdem ich einiges geschrieben habe, was Sie bestimmt nicht lesen wollten, sehe ich persönlich letztlich nur die Möglichkeit den zuständigen Sachbearbeiter zu kontaktieren, ihn unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen objektiv auf Ihre Bedenken hinzuweisen und ihn zu bitten seinerseits tätig zu werden, evt. eine Begutachtung durch einen anderen Gutachter zu fordern. Letztlich dient Ihr Begehren ja der friedlichen Beilegung des Streits, was auch der Sachbearbeiter der KK anstreben sollte.

    Aber resignieren Sie nicht, denn es werden bestimmt noch praktischere Hinweise und Ratschläge gegeben werden, die Sie meine eher theoretischen Überlegungen vergessen lassen werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    DRGRecht

  • Hallo GenS
    nachdem DRGRecht uns einen wunderschönen Epilog über unsere Hilflosigkeit gehalten hat, ein kleiner Tipp.
    In einem deratigen Fall habe ich den Leiter der entsprechenden MDK Abteilung mit den Gutachten konfrontiert. Es gab eine interne Klärung und Rüge.
    Der KK hatte ich mitgeteilt, dass wir alle 10 Fälle des Gutachters vor Gericht bringen werden, der kurze Dienstweg gab dann eine Klärung 8:2 für uns. Die zwei Einwände waren berechtigt, aber nicht in der Form des Gutachtens.
    Der MDK befürchtet langsam, dass die Fälle mehr und mehr unter Umgehung des MDKs geklärt werden, bzw, dass irgendwann einmal das Monopol des MDk in Sachen Begutachtung fällt.
    Soll heißen, Beschwerden treffen zumindest manchmal auf offene Ohren.

    Gruß

    Dr. F. Schemmann
    FA f. Orthopädie, Chirurgie, O&U

  • Hallo zusammen,

    das ist ein spannendes Thema!

    Wäre denn eine Klage gegen einen MDK-Gutachter wegen grober Verletzung der Sorgfaltspflicht (?) oder seiner gutachterlichen Neutralität (?) und oder wegen wirtschaftlicher Schädigung des Krankenhauses durch Falschgutachten denkbar?

    Vielleicht bietet ja das Strafrecht Möglichkeiten, wenn schon das Verwaltungsrecht keine bietet...

    Beste Grüße - NV

  • Moin,

    Allegro, ma non troppo!
    Es mag ja den ein oder anderen geben, an dessen Neutralität man zweifelt, aber mit einer solchen Schlacht würde ich nicht anfangen.

    Ein Kampf, den man nicht führt, hat man nicht verloren!

    merguet

  • Tagchen,
    normalerweise würde ich darauf antworten, \"Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!\" aber ich würde in diesem Fall auch dazu raten, eine einvernehmliche Lösung mit dem MDK/der Kasse zu suchen. Strafrecht hört sich doch sehr nach Schlammschlacht an!

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

  • Hallo,
    bei groben Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht wäre an die Berufsaufsicht der Ärztekammern zu denken, der auch MDK-Ärzte unterliegen!
    Gruß

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

  • Hallo,

    ich will kein \"Scharfmacher\" sein und auch niemanden pauschal verunglimpfen. Meist gelingt es auch bei uns, mit der Kasse (oder auch mal dem MDK) eine halbwegs akzeptable Lösung zu finden.

    In letzter Zeit erleben wir jedoch gehäuft unglaubliche Auswüchse und fühlen uns hilflos ausgeliefert. Viele Kassenmitarbeiter zucken mit den Schultern (\"Im Gutachten steht´s aber so drin\") und leider zunehmend mehr MDK-Kollegen stellen sich stur und zeigen sich einer Falldiskussion unzugänglich. Das war früher mal anders!

    Wir wollen eigentlich nicht massenhafte Zahlungsklagen gegen Kassen anstrengen, nur weil diese sich (mangels anderer Möglichkeiten) auf ihre MDK-Gutachten verlassen.

    Das fehlende Rechtsverhältnis zwischen KH und MDK zwingt einen aber regelrecht dazu, die Kasse als Geschäftspartner härter anzugehen als man will, weil man den Urheber der Auseinandersetzung nicht belangen kann. Oft lässt man es dann halt lieber, um das Verhältnis nicht zu sehr zu belasten...

    Beste Grüße - NV

  • Hallo zusammen,
    und vielen Dank für die Rückmeldungen!

    Zitat


    [In letzter Zeit erleben wir jedoch gehäuft unglaubliche Auswüchse und fühlen uns hilflos ausgeliefert.

    Darum geht es mir auch - und nicht um Schlammschlacht.

    Ein Paar frische Beispiele hier im Forum:

    http://mydrg.de.dedi694.your-server.de/apboard/thread…b9ccf11b80e5f1c

    und

    http://mydrg.de.dedi694.your-server.de/apboard/thread…b9ccf11b80e5f1c

    Gruß
    GenS

  • Hallo allerseits,

    wenn Sie überlegen Schadensersatzansprüche gegenüber dem MDK geltend zu machen, so müssen Sie bedenken, dass der MDK Ihrem Haus keinen wirtschaftlichen Schaden zufügen kann. Der MDK berät die KK und diese entscheidet in der Sache und nicht der MDK. Wenn also jemand einem KH einen Schaden zufügen kann, dann ist es allein die KK. Ein Schaden selbst ist oft leicht zu behaupten aber u.U. schwer zu beweisen. Im übrigen dient ja gerade die Leistungsklage zum Sozialgericht der Vermeidung eines Schadens, so dass das KH es gar nicht erst zu einem Schaden kommen lassen muss. Andersherum gewendet bedeutet dies, dass wenn das KH meint, es habe einen Anspruch gegen die KK auf Zahlung und macht diesen Anspruch nicht in der dafür vorgesehenen Weise gelten, dann ist es selber schuld und wird mit einem wie auch immer gearteten Schadensersatzanspruch nur schwerlich durchdringen.

    Die Einleitung eines Strafverfahrens, das oben auch vorgeschlagen wurde, ist immer so eine Sache. Zum einen ist nicht jedes aus Perspektive des KH vorwerfbare Fehlverhalten zugleich strafbar und zum anderen wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein Strafantrag wegen falscher Verdächtigung folgen. Ein wenig hilfreiches Vorgehen, wenn man bedenkt, dass die \"gedeiliche Zusammenarbeit\" zwischen KH, KK und MDK auch nach einem Strafverfahren, so es denn über das Ermittlungsverfahren überhaupt hinauskommt, weitergehen muss.

    Sehen Sie mir nach, dass ich meinen Epilog der Hilflosigkeit, wie ihn Schemmi so vortrefflich genannt hat, hier fortführe. Es erscheint am zweckmäßigsten seinem und dem Rat derer zu folgen, die auf eine einvernehmliche Lösung verweisen. Damit sparen Sie letztlich Geld und setzen sich nicht den Unwägbarkeiten eines Prozesses aus.

    Mit freundlichen Grüßen
    DRGRecht

  • Hallo,

    kürzlich bei einer Fortbildung hat Herr Dr. Hambüchen gegenüber den Teilnehmern erwähnt, dass es in Bayern ca. 5 Dienstaufsichtsbeschwerden
    gegenüber MDK-Gutachtern gegeben hätte, diese wären wohl über das Gesundheitsministerium alle erfolgreich verlaufen, bzw. bestätigt worden.
    Kann mir hierzu jemand etwas näheres berichten, zumal wir gegenüber 1-2 Gutachtern langsam keine Nerven mehr haben.
    Ständig müssen wir - zwar die Kasse - aber eben indirekt diese schlechten MDK-Gutachten beklagen, der Aufwand ist enorm.
    Entweder handelt es sich um böswillige Absicht, die harmloserer Variante wäre die Unkenntnis...

    Hat hier jemand Ideen, bzw. Vorschläge wie man dieses Thema angehen könnte.

    Gerne auch als private Nachricht.
    Danke!

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal