Bestimmung der Hauptdiagnose

  • Hallo,

    ich bin mir bei einer Kodierung nicht 100% sicher. Mein Oberarzt und ich sind da verschiedener Meinung. Vielleicht weiß es hier jemand genauer.

    Ein Patient wird bei uns mit entgleistem Diabetes vom Hausarzt eingewiesen. Im Aufnahmegespräch schildert er Herzbeschwerden und es wird ein akutes Koronarsyndrom festgestellt. Er wird sofort auf die Intensivstation verlegt und nach Stabilisierung seines Zustandes am 7. Tag bekommt er eine Koronarangiographie wo eine schwere koronare 3.Gefäßerkrankung mit Hauptstammbeteidigung festgestellt wird. Er wird sofort in den OP verlegt und bekommt Bypässe. Nachdem er alles gut überstanden hat wird er wieder in die Diabetesabteilung verlegt woraufhin sein Diabetes dann noch eingestellt wird.

    Ist nur die kornare Herzkrankheit oder der Diabetes die Hauptdiagnose?

    Vielen Dank im voraus.

  • Hallo und willkommen im Forum,
    gemäß der Kodierrichtlinien ist die Hauptdiagnose jene Diagnose, die nach Analyse des Gesamtaufenthaltes die stationäre Aufnahme veranlasst hat. Ich nehme an, dass das \"Aufnahmegespräch\" in Ihrem Haus die Erstanamnese ist, die über die Frage der stationären Behandlungsnotwendigkeit entscheidet. Also müssen Sie sich fragen, aus welchem Grund der Pat. aufgenommen wurde: hätten Sie ihn wirklich aufgrund des entgleisten Diabetes stationär aufgenommen? Wenn ja, haben Sie zwei konkurrierende HD und Sie \"dürfen\" entscheiden, welche Diagnose den höheren Ressourcenverbrauch ausgelöst hat - ich nehme doch schwer an, dass das das ACS war...?

    Dr. Lars Nagel
    Leiter Medizincontrolling
    Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
    [Groß-Umstadt | Seeheim-Jugenheim]

  • Hallo DanieKK,

    wenn die Aufnahme wegen der KHK erfolgte und nur wegen der KHK, ist das akute Koronarsyndrom (die instabile AP) Hauptdiagnose (s. DKR 0901f) und das aktuelle Urteil (L 5 KR 363/10). Wenn bei Aufnahme auch noch der entgleiste DM bestanden hat, was wohl anzunehmen ist, haben Sie m. E. konkurrierende Hauptdiagnosen und müßten dann nach Aufwand zuordnen. Klingt angesichts der OP für mich unzweifelhaft so, daß die KHK mehr Aufwand verursacht hat. So oder so, für mich ist die AP Hauptdiagnose.

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Der Hausarzt hatte den Patienten bei uns wegen des entgleisten Diabetes eingewiesen. Und ja Herr Dr. Nagel das Aufnahmegespräch ist die Erstanamnese :)

    Mein Oberarzt ist die ganze Zeit der Meinung das der Diabetes die HD wäre weil er deshalb eingewiesen wurde. Ich wollte mir deshalb hier fachmänischen Rat einholen. Ich selbst sehe auch die IAP als HD.

    Vielen lieben Dank für Ihre schnellen Antworten.

  • Hallo DanieKK,

    auf dieses Missverständnis stoße ich auch immer wieder. Mit \"verantwortlich für die Veranlassung\" ist nicht die Einweisungsdiagnose des niedergelassenen Arztes gemeint, sondern, wie o. g. die Diagnose(n), wegen der/denen der Arztes nach der Erstanamnese die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung feststellt.

    Beste Grüße

    E. Rah.

    E. Rah.

    Medizinische Dokumentarin

  • Guten Morgen zusammen,

    ich nehme diesen thread auf für meinen Fall zur Frage der HD:

    Pat. stürzt vom Dach, Aufnahmediagnosen: Commotio cerebri, Pneumothorax li. mit Lungenkontusion, Frakturen Proc. spinosus BWK III und IV, Fraktur Proc. transversus LWK III, venöses Ulkus li. Unterschenkel, MRSA!

    Therapie: Unfallchirurgie (11 Tage): Bülaudrainge, KG, AG; Viszeralchirurgie (+ 11 Tage): Debridement Ulkus + Meshgarft.

    Zweifellos ist die HD unfallchirurgisch zu suchen, das Ulkus cruris mit MRSA ist natürlich ND, aber kein unwesentliches "Schmankerl" für den sog. internen Ressourcenverbrauch!

    Sowohl C.C., Pneumothorax und die BWK/LWK-Frakturen sind alle parallel als "veranlasste" Aufnahmediagnosen geeignet. In diesen Fällen soll nach der D002f ".... nach Analyse ..... vom behandelnden Arzt diejenige Diagnose ausgewählt werden, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat."

    Darf nun als HD die BWK oder LWK Fraktur verwendet werden, da sie am ehesten die verbrauchten Krankenhaus-Ressourcen deckt (DRG I02C cw 4,815) oder muss der Pneumothorax (höchster Einzelaufwand wegen Bülau) als HD gewählt werden (E02C cw 1,494), was natürlich die Kasse favorisiert?

    Besten Dank für eine Antwort.

    riol

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

  • Schönen guten Tag Riol,

    in der Traumatologie ist statt der allgemeinen Kodierrichtlinie D002 zunächst die spezielle Kodierrichtlinie 1911 zu beachten. Dort heißt es:

    Zitat von DKR 1911a:

    Reihenfolge der Kodes bei multiplen Verletzungen
    Im Fall von mehreren näher beschriebenen Verletzungen ist als Hauptdiagnose die Erkrankung auszuwählen, die am schwerwiegendsten ist.

    Bei Verletzungen wird somit nicht auf den Ressourcenverbrauch, sondern auf die "schwere" der Verletzung abgehoben. Wenn das Schädel-Hirn-Trauma nicht über eine Commotio hinaus ging und die Frakturen nicht die Wirbelkörper betrafen, dann halte ich den Pneumotorax für die schwerwiegendste (weil potentiell lebensbedrohliche) Verletzung.

    Im Übrigen legitimiert auch die DKR D002 nicht dazu, die höherwertigste DRG auszuwählen, weil "sie am ehesten die verbrauchten Krankenhaus-Ressourcen deckt". Es geht bei dieser Formulierung nicht um die Erlöse (also die Kostendeckung) sondern den Ressourcenverbrauch (also die Kosten selbst). Auch hier würde ich - bei konservativer Behandlung der Frakturen - den Pneumothorax als die ressourcenaufwändigste Behandlung (Bülaudrainage legen, überwachen, entfernen, Rö-Kontrollen) betrachten.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Herr Schaffert,

    hatte auch schon so etwas "im Gefühl", es hat mir nur Ihre überzeugende Darstellung gefehlt ;)

    Besten Dank und ein schönes WE

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

  • Hallo liebe Forenmitglieder,

    gemäß DKR 1911a Mehrfachverletzungen wird ja die Verletzung als HD ausgewählt, die am schwerwiegendsten ist.

    Nun hat sich unser Patient mit einem Messer eine Schnittverletzung am linken Daumen zugezogen und konnte den Daumen nicht mehr beugen.
    Diagnose: Schnittwunde im Bereich des linken Daumens beugeseitig mit Durchtrennung der Beugesehne sowie des radialen Nerven.
    Therapie: Wundrevision, Naht der Beugesehne nach Kirchmayr-Kessler. Mikrochirurgische Naht des ulnaren Daumennervs, Wundverschluss.

    Als HD seitens der Klinik S64.3 (Verletzung nervi digitalis Daumen), Argumentation: Zuhilfenahme eines Operationsmikroskops unter entsprechend notwendiger Fachkompetenz, Verletzung der Beugesehne braucht erhöhte Fachkompetenz nicht.
    MDK legt als HD die Sehnenverletzung fest, da diese unversorgt mit einem Funktionsverlust des Fingers einhergehe und einschließlich einhergehender Nachsorge mit Funktionsgips deutlich aufwändiger und kostenintensiver bewertet sei.

    Wie wird dies hier im Forum gesehen?

    Danke und schöne Grüße

  • Hallo,

    so ganz abwegig finde ich die Argumentation nicht. Ohne Flexor pollicis longus ist die Beugung im Daumenendglied nicht möglich und auch die Oppositionsfähigkeit des Daumens eingeschränkt.
    Bei einer fehlenden Sensibilität (radial oder ulnar? ulnar ist sicherlich problematischer für die Funktion) ist die Funktionalität sicher nicht so eingeschränkt.
    Über die Argumentation, dass eine Beugesehnennaht keine erhöhte Fachkompetenz bedarf, kann man sicherlich auch streiten.

    Gruß
    B.W.

  • Hallo,
    was sagt die DKR dazu?
    Offene Verletzungen mit Gefäß-, Nerven- und Sehnenbeteiligung
    Liegt eine Verletzung mit Gefäßschaden vor, hängt die Reihenfolge der Kodes davon ab, ob der Verlust der betroffenen Gliedmaße droht. Ist dies der Fall, so ist bei einer Verletzung mit Schädigung von Arterie und Nerv
    • zuerst die arterielle Verletzung,
    • danach die Verletzung des Nervs,
    • danach ggf. eine Verletzung der Sehnen,
    • schließlich die Fleischwunde anzugeben.
    In Fällen, bei denen trotz einer Nerven- und Arterienschädigung der Verlust von Gliedmaßen unwahrscheinlich ist, ist die Reihenfolge der Kodierung je nach der Schwere der jeweiligen Schäden festzulegen.

    Da ein Gliedmaßenverlust wohl nicht droht, geht es hier nach Schwere der Verletzung und nicht nach Ressourcenverbrauch. Also fällt OP-Mikroskop und Gips raus. Und die Reihenfolge aus der DKR könnte sich umkehren.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch