Nicht Versicherte kommt immer wieder/ Schwanger

  • Guten Morgen, wir haben als Krankenhaus ein Problem, bei welchem ich gerne Ihre Meinung hören würde. Wir haben eine ausländische, schwangere Patientin, die schon mehrmals aufgrund von Bauchschmerzen in unser Krankenhaus kam. Diese Patientin ist nicht krankenversichert und sieht es anscheinend auch nicht ein, beim Sozialamt Leistungen zu beantragen. Ihr Mann teilte uns auch mit, dass er "Besseres zu tun hätte". Wir haben ja die Erstversorgungspflicht und schicken Patienten auch ungern nach Hause. Aber wenn es offensichtlich ist, dass die Patientin unter Vorsatz zur medizinischen Behandlung in unser Krankenhaus kommt und auch noch angibt, dass sie in ein paar Wochen bei uns entbindet, dann finde ich das schon mehr als dreist. Wie verfahren Sie als Krankenhäuser mit solchen Problemen? An wen kann man sich wenden, um rechtlich abgesichert zu sein, wenn man die Patientin nicht mehr behandeln möchte? Gibt es hier irgendwo etwas Schriftliches? Ich würde mich freuen, wenn ich viele Antworten bekäme. Vielen Dank im Voraus.

    Grüße
    newman78

  • Hört sich jetzt gemein an, aber egal:

    Privatrechnung erstellen und bei Nichtzahlung das Amtsgericht einschalten, Titel erwirken und Gerichtsvollzieher mit der Pfändung beauftragen.
    Das sollten Sie schon jetzt machen. Vielleicht überlegt sie es sich dann noch mal mit dem Aufenthalt bei Ihnen.

    Das Soz Amt dürfen Sie von sich aus ja leider nicht einschalten. Fragen sie doch mal beim SozAmt, also ohne die Patientin namentlich zu nennen, nach wie sie mit sowas umgehen sollen, vielleicht können die Ihnen gleich weiterhelfen. Oder auch bei der Ausländerbehörde...

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

    2 Mal editiert, zuletzt von papiertiger_2 (23. November 2011 um 11:14)

  • Rechnung und Mahnverfahren werden nur leider wenig nutzen, da bei dieser Kundengruppe meist kein pfändbares Vermögen vorhanden (bzw. greifbar) ist. Abgesehen davon: Bis Sie auch nur einen gerichtlichen Mahnbescheid erwirkt haben (geschweige denn, Vollstreckungsbescheid, geschweige denn Pfändung) ist das Kind längst geboren...

    Theoretisch könnte man(falls medizinisch vertretbar) den Eltern ein paar Hebammen-Adressen in die Hand geben und erklären, dass eine Entbindung kein Notfall ist, man sie deswegen auch nicht zu diesem Zweck aufnehmen wird. Vielleicht steigert das die Motivation, zum Sozialamt zu gehen? Ernsthaft die Behandlung verweigern ist natürlich keine gute Idee, da (zumindest im Notfall) unterlassene Hilfeleistung. Außerdem wäre in diesem Falle (auch) das Kind der/die Leidtragende, und das kann nun wirklich nix dafür.

    Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass es sich nur um Faulheit handelt: Eher würde ich vermuten, dass die Eltern keinen rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Mit anderen Worten: Sie gehen deswegen nicht zum Sozialamt, weil sie Angst vor Abschiebung haben. Nähere Infos zum Umgang mit dieser Situation gibt es z.B. hier:

    http://www.google.de/url?q=http://www.blaek.de/docs/pdf_info/BLAEK_Flyer_Migranten%2520und%2520Adressenliste.pdf&sa=U&ei=CPDMTrbaCMORswa_6ZXjDA&ved=0CBYQFjAC&usg=AFQjCNGyIaYFArRBRCGxEO_3j6ZDMk10Wg


    Neblige Grüße


    MDK-Opfer

  • Widerspricht sich dieser Flyer nicht selbst?

    "[...]Abrechnung über Asylbewerberleistungsgesetz bei Krankenhausaufenthalt:
    Eine Abrechnung über das Sozialamt nach § 4 und § 6 Asylbewerberleistungsgesetz ist grundsätzlich möglich bei akuter Erkrankung, bei Schmerzzuständen, bei Schwangerschaft und Geburt, bei zur Sicherung der Gesundheit unerlässlicher Behandlungen sowie amtlich empfohlenen Impfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen.
    Dies gilt für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus sowie für Menschen mit Duldung und auch für Asylbewerber.
    Die Kostenübernahme erst nach erfolgter Behandlung zu beantragen, ist nur bei akuten medizinischen Notfällen möglich. Dies ist auch bei Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung eine Option.
    Die Beantragung der Kostenübernahme durch die Krankenhausverwaltung kann jedoch wegen der Meldepflicht des Sozialamts die Ausweisung bzw. Abschiebung von Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus zur Folge haben.
    [...]
    Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten und als Notfall in ein Krankenhaus eingewiesen werden bzw. sich dorthin begeben, müssen keine Angst vor Aufdeckung ihres Status bzw. drohender Ausweisung/Abschiebung aufgrund Übermittlung ihrer Daten durch die Abrechnungsstellen der Krankenhausverwaltung oder auch des Sozialamtes an die Ausländerbehörden haben. [...]"

    Passt irgendwie nicht zusammen.

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • @ newman78:

    Meine Frage zu dem Thema lautet, über wieviel Euro an nicht berechenbaren Leistungen reden wir hier? Oder geht es um das Prinzip?

    Wir haben auch Patienten ohne Versicherung. Es wird bei uns im Haus der Sozialdienst eingeschaltet, der widerrum die Kontakte zu den Ämtern/Anlaufstellen zur Kostenübernahme pflegen kann. Ansonsten wird kein Patient wegen fehlender Versicherung fort geschickt. Gerade in der Notfallambulanz sind die "Wiederkehrer" durchaus vorhanden. Wir dürfen hier in Bremen bei gleicher Diagnose aber nur alle sieben Tage eine Notfallbehandlung abrechnen. Nun können Sie Sich denken, dass die Regelung bei "F10.0"-Patienten häufig zu unserem Nachteil greift. Trotzdem werden diese Patienten weiter in unserem Haus behandelt. Und das völlig zu recht. Das ist das Solidarprinzip. Wir sitzen in Millionenunternehmen und reden tatsächlich über ein paar hundert bis tausend Euro, die nicht berechenbar sind? Die sich in der Abschreibung wiederfinden können.

    MfG

    ruesay

  • @ newman78:

    Meine Frage zu dem Thema lautet, über wieviel Euro an nicht berechenbaren Leistungen reden wir hier? Oder geht es um das Prinzip?

    Wir haben auch Patienten ohne Versicherung. Es wird bei uns im Haus der Sozialdienst eingeschaltet, der widerrum die Kontakte zu den Ämtern/Anlaufstellen zur Kostenübernahme pflegen kann. Ansonsten wird kein Patient wegen fehlender Versicherung fort geschickt. Gerade in der Notfallambulanz sind die "Wiederkehrer" durchaus vorhanden. Wir dürfen hier in Bremen bei gleicher Diagnose aber nur alle sieben Tage eine Notfallbehandlung abrechnen. Nun können Sie Sich denken, dass die Regelung bei "F10.0"-Patienten häufig zu unserem Nachteil greift. Trotzdem werden diese Patienten weiter in unserem Haus behandelt. Und das völlig zu recht. Das ist das Solidarprinzip. Wir sitzen in Millionenunternehmen und reden tatsächlich über ein paar hundert bis tausend Euro, die nicht berechenbar sind? Die sich in der Abschreibung wiederfinden können.

    @ newman78:

    Meine Frage zu dem Thema lautet, über wieviel Euro an nicht berechenbaren Leistungen reden wir hier? Oder geht es um das Prinzip?

    Wir haben auch Patienten ohne Versicherung. Es wird bei uns im Haus der Sozialdienst eingeschaltet, der widerrum die Kontakte zu den Ämtern/Anlaufstellen zur Kostenübernahme pflegen kann. Ansonsten wird kein Patient wegen fehlender Versicherung fort geschickt. Gerade in der Notfallambulanz sind die "Wiederkehrer" durchaus vorhanden. Wir dürfen hier in Bremen bei gleicher Diagnose aber nur alle sieben Tage eine Notfallbehandlung abrechnen. Nun können Sie Sich denken, dass die Regelung bei "F10.0"-Patienten häufig zu unserem Nachteil greift. Trotzdem werden diese Patienten weiter in unserem Haus behandelt. Und das völlig zu recht. Das ist das Solidarprinzip. Wir sitzen in Millionenunternehmen und reden tatsächlich über ein paar hundert bis tausend Euro, die nicht berechenbar sind? Die sich in der Abschreibung wiederfinden können.


    ruesay-rkk
    Also ich weiß ja nicht, in welchem "goldenen" Krankenhaus Sie sitzen, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich für zwei Krankenhäuser im Münsterland zuständig bin und wir an allen Ecken sparen müssen. Und ich glaube, das geht ganz vielen Krankenhäusern genauso. Nun aber wieder zur Thematik: Es geht mir hier natürlich um beides, um das Prinzip, aber auch um das Geld. Wenn ich eine Patienten aus dem Ausland habe, die vorsätzlich in regelmäßigen Abständen zur Behandlung kommt, Bauchschmerzen vorgibt, obwohl jeder weiß, dass sie schwanger ist, dann ist mir sehr wohl daran gelegen, dass wir die erbrachten Leistungen abrechnen. Das hat dann auch nichts mehr Solidarprinzip zu tun. Und, natürlich behandeln wir die Patientin immer wieder. Wir können sie ja nicht so nach Hause lassen. Ich danke bis hier hin für die überaus konstruktive Diskussion aller Beteiligten.

  • @ newman78:

    Meine Frage zu dem Thema lautet, über wieviel Euro an nicht berechenbaren Leistungen reden wir hier? Oder geht es um das Prinzip?

    Wir sitzen in Millionenunternehmen und reden tatsächlich über ein paar hundert bis tausend Euro, die nicht berechenbar sind? Die sich in der Abschreibung wiederfinden können.

    Guten Tag -

    sicher ist das "Fallbeispiel die Krönung der Rethorik" aber:

    "Ethische Erwägungen, wie z. B. die Aufrechterhaltung besonderer Abteilungen
    (z. B. Neonatalintensiv) unabhängig von ihrer Ertragslage, führen in der Regel
    zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung des Krankenhauses.

    (...)

    Die Risikominimierung führt zu einer Standardtherapie, während eine Patientenorientierung im
    Rahmen der Individualisierten Therapie das Verlustrisiko erhöht und damit insbesondere für
    kleinere Krankenhäuser unannehmbar ist.

    In der derzeitigen wirtschaftlichen Situation vieler Krankenhäuser kann
    eine patientenorientierte Versorgung aller Patienten im Einzugsbereich eines Krankenhauses
    einen ökonomischen Nachteil darstellen, der durch Individualisierung der Medizin noch
    risikoreicher wird. Der Gesetzgeber ist gefordert, Anreize für eine menschenorientierte
    Patientenversorgung der Art zu setzen, dass die Sicherstellung einer Mindestversorgung und
    die individualisierte Patientenbehandlung für das Krankenhaus finanziell nicht nachteilig
    sind. Wenn Sicherstellungszuschläge und Zusatzentgelte nicht genügen, eine menschen und
    sachgerechte Ressourcenallokation im Krankenhaus zu gewährleisten, muss in einem
    gesellschaftlichen Diskurs erwogen werden, ob ein fallpauschaliertes Entgelt für Leistungen
    der Individualisierten Medizin überhaupt eine angemessene Finanzierungsform ist.

    Zielfunktionen und Allokationsentscheidungen im Krankenhaus
    Ethik Med (2011) 23:291–302

    und so viel mehr: http://www.springerlink.com/content/u4n6821533w3/

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)


  • ruesay-rkk
    Also ich weiß ja nicht, in welchem "goldenen" Krankenhaus Sie sitzen, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich für zwei Krankenhäuser im Münsterland zuständig bin und wir an allen Ecken sparen müssen. Und ich glaube, das geht ganz vielen Krankenhäusern genauso.


    Hallo newman78,

    ich sitze weder in einem goldenen Krankenhaus, noch leiden wir an Verschwendungssucht aufgrund von Überbesitz. Auch wir sparen, weil wir es müssen. Und auch wir haben immer wieder mit Patienten zu tun, die die Vorgaben nicht erfüllen (z.B. Versicherungsschutz), um dem Haus die benötigte Gegenleistung (Geld) für eine angemessene Behandlung einzubringen.

    Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir sicherlich unsere Ansprüche in einer angemessenen Form an die Verursacher oder deren Versicherungen weiterzugeben. Allerdings, und das stellen Sie selber fest, sind dem Ganzen manchmal Grenzen gesetzt und Ihre Handhabe hat sich mit dem Behandeln schon erledigt.

    Nichts anderes habe ich erklärt, noch wollte ich provozierend mit der Eingangsfrage meines ersten Beitrags auf Sie einwirken. Während ich Ihnen das hier schreibe, wird anderswo gerade von einem Arzt eine Untersuchung an einem Patienten durchgeführt, die nicht bezahlt wird / werden kann. Ich kann damit leben, da mir kein legales Mittel der Veränderung daran zur Verfügung steht. Mehr sollte in dem Satz über Millionen, Tausende und Hundert Euro nicht drin stecken.

    MfG

    ruesay

  • Hallo ruesay-rkk,
    ich habe Ihre erste Antwort ehr mit einem Schmunzeln aufgenommen. Ist alles in Ordnung. Nur weiß ich und Sie ja bestimmt auch, dass es uns Krankenhäusern überhaupt nicht gut geht. An allen Ecken und Kanten muss gespart werden. Deshalb fand ich es recht amüsant, dass Sie von Millionenunternehmen sprechen. Gerade im ländlichen Bereich, große Städte mit vielen Krankenhäusern drumherum, haben es sehr schwer Patienten zu finden. Aber ok, in diesem Fall wird es sicherlich keine Patentlösung geben, außer der Gesetzgeber verabschiedet eine Lösung. Aber hier müssen wir, so glaube ich, noch lange drauf warten.

    In diesem Sinne Ihnen allen fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.