Respiratorische Insuffizienz klassifiziert durch eine hochgradige Anämie?

  • Wir liegen mal wieder im Disput mit dem MDK....

    Pat. kam zur Abklärung Teerstuhl/Blutungsanämie (Hb 3,0 g/dl). Gastroskopisch Ulcera duodeni mit Koageln -> Unterspritzung sowie PPI-Therapie. Im Verlauf kam respiratorische Insuffizienz - belegt durch path. BGA und O2-Gaben - ... kodiert wurde J96.0.

    Der MDK argumentiert, dass die respiratorische Insuffizienz durch die hochgradige Anämie eindeutig klassifiziert sei und man daher nicht die J96.0 ....anderenorts nicht klassifiziert.... kodieren könnte, da es ja durch die hochgradige Anämie klassifiziert wäre und schlägt die J96.9 als Gegenkodierung vor.

  • Hallo,

    eventuell ist dem MDK nicht aufgefallen, dass schon in der Kapitelüberschift zu J96 steht "...anderorts nicht klassifiziert".


    Gruß
    AnMa

  • Hallo kodifine,

    ist nicht die respiratorische Insuffizienz eine neue Qualität einer Anämie, bzw. geht denn jede Anämie automatisch auch mit einer respiratorischen Insuffizienz einher? Doch wohl nicht, also ist die respiratorische Insuffizienz, die eine Behandlung (O2-Gabe o.ä.) zusätzlich zur Transfusion erforderlich macht, auch eine weitere kodierwürdige Krankheit. Da es aber keinen Kode "respiratorische Insuffizienz bei Anämie" gibt, bleibt uns doch nur ein Kode aus J96. Und wenn Sie per BGA herausfinden, ob hypoxisch oder hyperkapnisch, dann kann Sie keiner verpflichten, den ungenaueren Kode zu nehmen. Oder verstehe ich hier etwas völlig miss- ?

    Freundliche Grüße

    Elisabeth Kosche

  • Wie sah denn die pathol. BGA aus? Dass eine Anämie keinen Abfall des pO2 oder der SaO2 macht, sollte auch dem MDK-Prüfer klar sein (Stoff des 3. oder 4. Semesters im Medizinstudium).

    Aber irgendeinen Grund muss es ja haben, wenn plötzlich die Sauerstoffversorgung schwächelt - Aspiration? TRALI? Technischer K.O. durch mutige Sedierung im Volumenmangelzustand? Wann trat das Ganze denn auf und wie war der HB zum Zeitpunkt der pathologischen BGA?

    Hochneblige Grüße


    MDK-Opfer

  • Hallo MDK.Opfer,

    Ihre Antwort verwirrt mich ziemlich! Deshalb glaube ich Ihnen gerne, dass es bei Ihnen "hochnebelig" ist. ;)

    Hämoglobin ist zuständig für den Sauerstofftransport im Körper. Ein HB von 3, wie beschrieben, ist ziemlich wenig. Demnach wird der Pat einen Sauerstoffmangel haben, der sich u.a als Luftnot und auch in der BGA bemerkbar machen wird.

    Liebe Grüße
    Nika :)

  • Hallo Nika,

    Hämoglobin ist zuständig für den Sauerstofftransport im Körper. Ein HB von 3, wie beschrieben, ist ziemlich wenig. Demnach wird der Pat einen Sauerstoffmangel haben

    Richtig. Sauerstoffmangel (Hypoxie) und respiratorische Insuffizienz sind aber 2 verschiedene Dinge.

    der sich u.a als Luftnot

    Richtig. Das Symptom Luftnot (Dyspnoe) und respiratorische Insuffizienz sind aber ebenfalls 2 verschiedene (oft sogar sehr verschiedene) Dinge.

    und auch in der BGA bemerkbar machen wird


    Nein, eben nicht. Solange der Patient atmet und die Lunge gut ist, ist der pO2 im arteriellen Blut völlig normal - denn der misst nur den physikalisch im Blut gelösten Sauerstoff, das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob und wieviele Erythrozyten beteiligt sind.

    Vereinfacht gesagt: Wenn Sie ein Glas Wasser gut schütteln und ins BGA-Gerät geben, werden Sie auch einen pO2 von irgendwas um die 100 bekommen (maximal ca.159), weil sich Sauerstoff in Wasser löst. Dennoch wäre Leitungswasser als Blutersatz für unseren Patienten denkbar ungeeignet, weil (unter anderem) die Sauerstofftransportkapazität fehlt - es ist kein Hämoglobin da, das zusätzlichen Sauerstoff aufnehmen könnte und die physikalisch gelöste *Menge* (nicht zu verwechseln mit dem partialdruck) ist winzig.

    Für die Sättigung (SaO2) gilt: Die noch vorhandenen Erythrozyten nehmen ja ganz normal Sauerstoff auf, solange Lunge und Kreislauf halbwegs funktionieren, d.h. sie sättigen sich ganz normal auf (Die Sättigung ist ein Prozentwert, sie sagt, wieviel % der vorhandenen Hb mit Sauerstoff gesättigt sind). Das sagt nichts über die insgesamt transportierte Sauerstoffmenge aus, sondern nur darüber, wiviel % des aktuell vorhandenen Hb tatsächlich zum O2-Transport genutzt wird. Wenn die Gesamtmwenge zu niedrig ist (wegen der Blutung), hat der Patient einen Sauerstoffmangel, obwohl die Sättigung normal ist.

    Wenn Sie das messen wollen, müssten sie eine zentralvenöse oder gemischtvenöse BGA machen, dort würden Sie einen Abfall der Sättigung sehen, weil die sauerstoffverbrauchenden Organe jeden vorbeikommenden Erythrozyten bis zum gehtnichtmehr leersaugen.

    Grob gesagt: Sie wollen1.000 Leute (Sauerstoffmoleküle) pro Stunde von a (Lunge) nach b(Organe) transportieren. Dafür bräuchten sie normalerweise 12 Busse (Hb-Einheiten). Dummerweise haben Sie nur 3. Es kommen also viel zuwenige Leute in b an. Wenn Sie sich aber unterwegs an den Straßenrand stellen und nur danach gucken, wieviele Leute in jedem Bus sitzen (wie die Sättigung ist), sieht alles prima aus, jeder Bus ist vol besetzt (Sättigung ok). Wenn plötzlich halbleere Busse an Ihnen vorbeifahren, wissen Sie, dass außer den fehlenden Bussen noch irgendein anderes Problem bestehen muss, irgendwas ist beim Beladen der Busse (Atmung) schief gegangen.


    Ergo: Wenn die arterielle BGA schlecht wird, hat der Patient noch ein anderes Problem als nur die Anämie. Wie gesagt, Stoff der vorklinischen Semester, sollte der MDK-Prüfer parat haben. Falls Sie genauer nachrechnen wollen, wieviel ml Sauerstoff unter welchen Bedingungen transportiert werden, finden Sie das in größeren Lehrbüchern der Anästhesie und Intensivmedizin - ich hab die entsprechenden Umrechnungsfaktoren nach der Facharztprüfung möglichst schnell wieder vergessen...


    Na, lichtet sich der Nebel?


    Bewölkte Güße


    MDK-Opfer

  • Busse die (im Nebel) fahren als Erklärung für die Sauerstofftransportfunktion - RESPEKT :thumbup:

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Busse die (im Nebel) fahren als Erklärung für die Sauerstofftransportfunktion - RESPEKT :thumbup:

    Gutti Morgen - man(n) kann natürlich auch mit der Bahn und Waggons im und ggf. aus dem Nebel fahren (http://www.rudolf-deiml.homepage.t-online.de/Kapitel01.html).

    Hallo Nika,
    (...) der pO2 im arteriellen Blut völlig normal - denn der misst nur den physikalisch im Blut gelösten Sauerstoff, das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob und wieviele Erythrozyten beteiligt sind.
    MDK-Opfer

    "Über 99 % des Sauerstoffs werden über das Hämoglobin in den Erythrozyten im Blut transportiert; nur etwa 1 % sind physikalisch gelöst."
    http://vmrz0100.vm.ruhr-uni-bochum.de/spomedial/cont…/index_ger.html

    Partialdruck in Flüssigkeiten: Der Partialdruck in einer Flüssigkeit sagt primär nichts aus über die in der Flüssigkeit gelöste Gasmenge: Löslichkeiten sind sehr unterschiedlich!
    http://www.anfofo.de/downloads/akad…artialdruck.pdf


    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

    Einmal editiert, zuletzt von TT (27. Januar 2012 um 09:15)

  • Partialdruck in Flüssigkeiten: Der Partialdruck in einer Flüssigkeit sagt primär nichts aus über die in der Flüssigkeit gelöste Gasmenge: Löslichkeiten sind sehr unterschiedlich!

    Da wir hier aber über die Löslichkeit *eines* Gases (O2) in *einer* Flüssigkeit (Plasma) reden, ist die Löslichkeit bekannt und konstant. Aus dem pO2 lässt sich selbstverständlich die im Blut physikalisch gelöste O2-Menge errechnen: Unter physiologischen Bedingungen (Körpertemperatur) multiplizieren Sie den pO2 in mmHg mit 0,003 und erhalten den gelösten Sauerstoff in ml/100ml Blut.

    Über 99 % des Sauerstoffs werden über das Hämoglobin in den Erythrozyten im Blut transportiert; nur etwa 1 % sind physikalisch gelöst."


    Sag' ich doch, die physikalisch gelöste Menge ist winzig...

    Wobei man natürlich einschränken muss, dass dieses 1% für Raumluft-Bedingungen gilt, bei Beatmung mit reinem Sauerstoff erhöht sich der physikalisch gelöste Sauerstoff fast auf das fünffache, mit einer Überdruckkammer können sie das nochmal verdreifachen - aber das sind Details, die uns jetzt irgendwie vom Kodierungsproblem abbringen...

    Der langen Rede kurzer Sinn: Eine Sauerstoff-Unterversorgung, die nur auf Anämie beruht, ist in der arteriellen BGA und der Pulsoxymetrie nicht erkennbar. Wenn diese Werte schlecht sind, hat der Patient noch ein anderes Problem. Das sollte man suchen, beheben und kodieren (idealerweise in dieser Reihenfolge).

    Schon wieder hochneblige Grüße

    MDK-Opfer