Fallzusammenführung bei Nachblutung nach Tonsillektomie

  • Hallo zusammen,

    wir haben einen typischen Fall einer Wiederaufnahme 2 Tage nach Entlassung nach Tonsillektomie. Erst 7 Tage stationär, dann Entlassung und Wiederaufnahme bei akuter Nachblutung.

    Die Kasse will nun natürlich die WA wg. Komplikationen. Aus meiner Sicht fällt dies aber nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses. Ich habe schon mit den Kommentierungen der Deutschen Krankenhausverlagsgesellschaft argumentiert. Die Kasse meint jetzt, dass es nicht um Verschulden geht, sondern um eine Komplikation, die im Zusammenhang mit der Leistung des Krankenhauses steht. Deshalb sei eine FZ notwendig.

    Hat jemand noch Argumentationen gegen eine FZ? Es kann ja nicht sein, dass es jetzt nach dem Motto "Sie haben reingeschnitten, also haben Sie auch die Blutung zu verantworten" geht.

    Danke und viele Grüße

    Mit den besten Wünschen,
    KODI79
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    Medizinischer Fachberater und Gutachter
    Klinische Kodierfachkraft und Krankenpfleger

    - MDK-Management und Rechnungsprüfung -

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag


    4. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F., denen die Kammer folgt, ist zwar davon auszugehen, dass die notfallmäßige Wiederaufnahme des Patienten G. am 10.03.2009 eine Komplikation im Zusammenhang mit der am 04.03.2009 durchgeführten umfangreichen Nasenoperation darstellt. Es lässt sich jedoch nicht der Nachweis erbringen, dass diese Komplikation in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fällt. Wie der gerichtliche Sachverständige ausführte, wurde die Operation legi artis nach der üblichen und anerkannten Operationsmethode durchgeführt. Der Operateur hat sich an die Richtlinien der operativen Methode hinsichtlich der Wahl des Zuganges, der Schnittführung und der anatomischen Landmarken gehalten. Hinweise für eine stärkere Blutung bzw. Missbildung ergaben sich nicht. Am 07.03.2009 wurde der Patient mit trockenen Wundverhältnissen ohne Hinweis für eine mögliche Nachblutung entlassen. Aus welchen Gründen es letztlich dennoch zur Nachblutung am dritten Tag nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kam, lässt sich medizinisch nicht mehr aufklären. Letztlich handelt es sich um ein schicksalhaftes Ereignis, dessen Ursache nicht ermittelt werden kann.

    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143364


    Gruß

    E Rembs

  • Guten Tag,

    S 1 KR 223/09 ist nach Informationen aus dieser Datenbank vom November 2011 inzwischen beim Bayerischen LSG anhängig.

    Gruß
    fuge

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    zur Ergänzung:


    „Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Regelung bei der gebotenen strengen Wortlautauslegung nicht bereits bei jeder Komplikation einschlägig, der eine Ursache-Folge-Verknüpfung zwischen der vom Krankenhaus durchgeführten Leistung und dem Eintritt einer zur Wiederaufnahme des Patienten führenden unerwünschten Folge zugrunde liegt (a.A. SG Koblenz, Urteil vom 09.11.2010, Az.: S 3 KR 364/09; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.08.2011, Az.: L 5 KR 248/10). Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft abzulegen. Verantwortung stellt das menschliche Handeln zwar in kausale Zusammenhänge (vgl. insoweit zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.08.2011, Az.: L 5 KR 248/10); kann indes darauf nicht reduziert werden. Zwar müssen Kausalbeziehungen bei der Zuschreibung von Verantwortung berücksichtigt werden. So kann keine Person für Dinge verantwortlich gemacht werden, die ihrer kausalen Einflußsphäre prinzipiell entzogen sind. Die Zuschreibung personaler Verantwortung impliziert jedoch, über die Feststellung möglicher Kausalzusammenhänge hinaus, zusätzliche Annahmen der Zurechenbarkeit. Eine Handlung ist prinzipiell zurechenbar, sofern "Tatherrschaft" besteht, d.h. sofern die Handlung in der Gewalt des Einzelnen steht; sofern auch anders hätte gehandelt werden können. Der Eintritt eines Ereignisses, das auf äußeren Einfluss oder bloßen Zufall gründet, ist stets nicht zurechenbar und entzieht sich der Verantwortung (vgl. hierzu ausführlich unter Berufung auf den Verantwortungsbegriff nach Aristoteles Werner, in: Düwell/Hübenthal/Werner, Handbuch Ethik, 1. Auflage 2002, Kapitel "Verantwortung", S. 521 ff.). "

    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145386

    Das Gericht hat die Sprungrevision gemäß § 161 Abs. 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Rechtsprechung ist umstritten, wann im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 S. 1 FPV 2009 eine Komplikation in den "Verantwortungsbereich des Krankenhauses" fällt 


    Bundessozialgericht Anhängige Rechtsfragen des 3. Senats Stand: 7. Februar 2012

    B 3 KR 18/11 R
    Vorinstanz: SG Köln, S 29 KR 1075/10

    Erfordert die Fallzusammenführung nach § 2 Abs 3 S 1 FPV 2009 (juris: KFPVbg 2009) wegen einer "in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung" ein schuldhaftes Verhalten des Krankenhauses?

    http://www.bsg.bund.de/nn_138176/Shar….pdf/Senat_3.pd


    Gruß 

    E Rembs

  • Hallo,

    bzgl. des Kassen-Hinweises, dass damit angeblich die "Verschuldensfrage" nicht verbunden sei, ist Vorsicht geboten: Auf einer Veranstaltung zu rechtlichen Fragen der Abrechnung und MDK-Prüfung vor einigen Monaten wurde vom Referenten berichtet, dass inzwischen sehr wohl die ersten Kassen in dieser Richtung vorgehen.

    Gruß,
    fimuc