Kodierung eines Schwannoms im Rachen

  • Hallo zusammen,

    ich verzweifel langsam an der Stupidität des MDK. Wir haben einen Fall, bei dem ein Patient in der HNO - Abteilung aufgrund eines verdächtigen Befundes im Pharynx operiert wird. Histologisch handelt es sich eindeutig um ein Schwannom.

    Kodiert haben wir somit D36.1 (Gutartige Neubildung: Periphere Nerven und autonomes Nervensystem). Der Herr Gutachter und die Kasse beharren aber auf der D10.9. Wir haben bereits mehrfach wiedersprochen - ohne Erfolg. Die aktuelle Begründung des MDK lautet wie folgt:

    Lt. Basiswissen Kodierung des DIMDI gilt: S7.: Den Kernbereich der ICD – 10 bilden die organ-spezifischen Kapitel 3-14; S.8: Wichtig ist, dass die Organmanifestation einer Allgemeinkrankheit nicht über die Lokalisation, sondern primär über die Allgemeinerkrankung kodiert werden muss. Hierbei gilt der Grundsatz: Allgemeinkrankheit geht vor Organmanifestation! Im Umkehrschluss kann davon ausgegangen werden, dass in der Regel die Organmanifestation bei der Kodierung vorrangig ist.

    Im Diagnosethesaurus werden die Tumoren nicht nach Histologie, sondern nach Lokalisation geordnet, nachzulesen auf den Seiten 568-595 des ICD10. Somit wird das Akustikusneurinom nicht mit D36.1, sondern mit D33.3 kodiert, obwohl es sich in der Regel histologisch um ein Schwannom handelt.

    Es geht mal eben um lockere 8000 Euro.

    Hat jemand eine Meinung oder Idee dazu?

    Vg und Danke

    Mit den besten Wünschen,
    KODI79
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    Medizinischer Fachberater und Gutachter
    Klinische Kodierfachkraft und Krankenpfleger

    - MDK-Management und Rechnungsprüfung -

  • Hallo KODI79,

    der MDK hat recht. Wie Sie der Überschrift zu D36 entnehmen können, heißt es Gutartige Neubildung an sonstigen und nicht näher bezeichneten Lokalisationen. Wenn Sie also die Lokalisation bestimmen können, müssen Sie dies auch tun. Die histologische Einordnung ist – abgesehen von gut-/bösartig – kodiertechnisch uninteressant.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Aber gehen wir mal von der Argumentation des MDK aus, so zitiert dieser das DIMDI so, dass die Allgemeinerkrankung vor der Lokalisation gilt. Weil es nicht zu seinem Wunsch passt, macht er dann plötzlich eine nicht nachvollziehbare Umkehrung und nennt dies einen Umkehrschluss, der jeder logischen Schlussfolgerung entbehrt.

    Glaubt man dem DIMDI, so gilt die Allgeminerkankrung, also die Erkrankung des Nervensystems in Form eines Schwannoms VOR der Lokalisation. Und nebenbei ist die Neubildung ja an den Nerven des Rachens lokalisiert, sonst hätten wir kein Nervengewebe vorliegen, sondern nur Pharynx - Epithel. Es handelt sich ja nicht um ektopes Gewebe o.ä..

    Eine Neubildung des Pharynx kann auch eine Zyste sein. Dann haben wir es aber mit Pharynxepithel zu tun und dann ist der Kode zur Abbildung der Erkrankung auch stimmig. Aber sowohl Zysten des Pharynx als auch Neubildungen des Nervensystems mit der D10.9 abzubilden ist für mich nicht stimmig oder sinnvoll. Man soll ja schließlich so spezifisch wie möglich kodieren.

    Mit den besten Wünschen,
    KODI79
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  • Hallo KODI79,

    richten Sie Ihre Frage doch einfach an das DIMDI.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
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  • Moin KODI79,

    Ihre Kodierung ist völlig richtig. Hier möchte der MDK natürlich die Fehler-DRG verhindern und argumentiert mit dem allseits beliebten, aber umso weniger korrekten Argument, dass Diagnosen möglichst "organ- oder lokalisationsbezogen" kodiert werden müssen (wer mir hier einen solchen Abschnitt in den DKR präsentiert, bekommt eine Pulle Moorgeist...). Es ist gemäß DKR so spezifisch wie möglich zu kodieren.

    Die Tatsache, dass der ICD-Katalog überwiegend nach Organsystemen gegliedert ist, bedeutet noch lange nicht, dass lokalisationsbezogen kodiert werden muss.
    Die Klassifikation von Diagnosen im ICD erfolgt primär nach der Ätiologie (ICD-Systematik 2012 S. 8, PDF-Fassung) und es gilt "Allgemeinkrankheit vor Organmanifestation" (DIMDI 2010: Basiswissen Kodieren S. 8).

    Der histologische Befund ermöglicht hier die Kodierung einer spezifischen Diagnose: GNB periphere Nerven. Im Rachen gibt es eine ganze Menge Nerven, wer mal eine eitrige Tonsillitis hatte, wird das bestätigen können ;)

    Ein Schwannom ist allerdings eine seltene Entität im Rachen, daher die Fehler-DRG...

    Mit freundlichen Grüßen
    J. Stumper

  • Vielen Dank für die Rückmeldungen. Auch nach Nachfrage und Recherche an diversen Stellen kommen wir immer wieder zur D36.1. Selbst über das alphabetische ICD - Verzeichnis. Wir werden widersprechen und wenn nötig auch klagen. Habe die Frage zusätzlich noch ans DIMDI geschickt.

    Liebe Grüße :D

    Mit den besten Wünschen,
    KODI79
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  • hallo Kodi,

    wenn bei einem patienten ein kleiner hauttumor entfernt wird und der pathologe dann ein paar Schwann-zellen sieht, war das dann eine op am peripheren nervensystem ?
    auch in Ihrem fall war der pathologe der erste, der das pns ins spiel brachte.

    Ich könnte D36.1 noch verstehen wenn Ihr chirurg den tu von einem nerven abgetrennt hätte (zb Schwannom thorakal oder vom ischiadikus).
    Aber ohne neurochir aufwand sind diese 8000 einfach kodier-reibach.
    Ich hoffe, das dimdi fragt nach dem intra-op isolierten nerven und lässt es ansonsten bei der lokalisation (wie bei ektopen gewebe).
    Optimistisch bin ich da aber nicht.

    mfg ET.gkv

  • Ein Schwannom ist und bleibt eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Die D10.9 wäre z.B. bei einer Rachenzyste möglich, aber der Kode sagt rein gar nichts über die Erkrankung selbst aus. Und wie kann ein Kode ... nicht näher bezeichnet spezifischer sein, als ein Kode, der exakt die Erkrankung an sich beschreibt?

    Das hat mit Kodier - Reibach nichts zu tun, sondern damit, dass diese - selten austretende - Erkrankung an dieser Lokalisation schlicht weg im DRG - System so nicht abbildbar ist, denn es gibt keinen Kode "Schwannom mit Lokalisation im Rachen" o.ä.. Deshalb auch die Fehler - DRG. Auch über das alphabetische Berzeichnis kommt man bei der D36.1 raus.

    Mit den besten Wünschen,
    KODI79
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  • > Das hat mit Kodier - Reibach nichts zu tun, sondern damit, dass diese - selten austretende - Erkrankung an dieser Lokalisation schlicht weg im DRG - System so nicht abbildbar ist,

    Das sehe ich auch so. Dafür sind Fehler-DRGs nunmal da.
    Wenn ich eine ausgedehnte Pharynxresektion über eine laterale Pharyngotomie oder über eine temporäre Mandibulotomie durchführen muss, wird das DIMDI wohl kaum nach einem "intraop. isolierten Nerven" fragen...

    Mit freundlichen Grüßen
    J. Stumper

    P.S.: Eine Rachenzyste (z. B. Valleculazyste, Thornwaldt-Zyste) wird i. d. R. mit J39.2 kodiert

  • Hallo allerseits,

    die zitierte Begründung des MDK ist natürlich inhaltlich unsinnig, ausschlaggebend für die Abgrenzung Lokalisation - Histologie bei der Kodierung von Neubildungen sind vielmehr die Hinweise am Anfang von Kapitel II der ICD-10 GM:

    "Im vorliegenden Kapitel II erfolgt die Klassifizierung der Neubildungen innerhalb großer Gruppen nach dem (biologischen bzw. biotischen) Verhalten, innerhalb dieser Gruppen hauptsächlich nach der Lokalisation. In einigen Ausnahmefällen wird die Morphologie in der Kategorien- und Subkategorien-Überschrift angegeben."

    Und weiter:

    "Für jene Benutzer, die den histologischen Typ von Neubildungen erfassen wollen, wird auf eine separate Morphologie-Klassifikation verwiesen (..)."

    Der histologische Typ wird also nur in Ausnahmefällen als Kriterium bei der Zuordnung des zutreffenden Kodes verwendet! Bei den bösartigen Neubildungen sind das Maligne Melanome, Mesotheliome und Kaposi-Sarkome, im Abschnitt der benignen Tumoren beispielsweise die Gutartigen Neubildungen des Fettgewebes, Hämangiom und Lymphangiom, gutartige Neubildungen des mesothelialen Gewebes und andere. Bei all diesen Diagnosen sind die Morphologieschlüsselnummern, welche dieser Rubrik zugeordnet sind, als Inklusiva explizit angegeben (beim Melanozytennävus etwa: "Morphologieschlüsselnummern M872-M879 mit Malignitätsgrad /0").

    Die Nervenscheidentumoren (M954-M957) sind keiner speziellen Rubrik zugeordnet, auch nicht dem Bereich D36.-. Dieser heisst ja auch nicht etwa "Gutartige Neubildungen sonstigen Gewebes", sondern vielmehr "Gutartige Neubildung an sonstigen und nicht näher bezeichneten Lokalisationen". Die hier aufgeführten Kodes bezeichnen also Entstehungsorte - es wäre ja auch ziemlich unsinnig, einen intrakraniell oder intraspinal gelegenen Tumor (z.B. ein Akustikusneurinom) als Neubildung eines peripheren Nerven zu bezeichnen!

    Insofern gehe ich davon aus, dass die Antwort des DIMDI hierzu eindeutig ausfallen wird.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Moin,

    es ist keinesfalls unsinnig, ein Akustikusneurinom als Neubildung eines peripheren Nervens zu bezeichnen.
    Die Abgrenzung von ZNS und PNS ist willkürlich (topographisch), die anatomisch-topograpische Grenze bildet der Austritt aus dem Spinalkanal bzw. dem Hirnstamm. Das PNS wird von Hirnnerven und Spinalnerven gebildet. Ein Akustikusneurinom (eigentlich: Vestibularisschwannom) ist daher nicht als Neubildung des ZNS, sondern des PNS zu klassifizieren. Im ICD-10 sind die GNB der Hirnnerven fälschlicherweise dem ZNS zugeordnet (siehe ICD-Subkategorie D33.-)

    Mit freundlichen Grüßen

    J. Stumper