postinterventionelle i.v-Heparinisierung über 48 Stunden - uGVD-Überschreitung

  • Verehrtes Forum,
    Mich interessiert Ihre Ansicht zur postinterventionellen i.v-Heparinisierung. Nach Entfernung thrombotischen Materials i.R. einer PTA empfhielt der interventionelle Radiologe dem Gefäßchirurgen eine 48stündige i.v.-Vollheparinisierung zur Vermeidung von arteriellen Thrombosierungen wegen Dissektion oder Intimaeinrissen. Mit dieser 48stündigen i.v.-Therapie kommt es regelhaft zum Erreichen der Verweildauer, die die Abrechnung der ungekürzten DRG-Fallpauschale ermöglicht. Der MDK-Arzt fordert hier regelmäßig eine nur 24-stündige i.v.-Heparinisierung und danach Umstellung auf subkutane Therapie und will einen Tag streichen, da die i.v.-Therapie über Gebühr ausgedehnt worden sei . Somit wünscht er die Hinnehmung eines deutlichen Abschlages. Es gebe keine Leitlinie, die die längere i.v.-Heparinisierung erfordere. Operateur: Es gebe auch keine Leitlinie, die eine kürzere Heparinisierung empfehle oder vorschreibe. Letztlich sei es Sache des Operateurs, zwischen Blutungs- und Thromboserisiko abzuwägen. Deswegen: Unerlaubte Einmischung des MDK in die Therapiefreiheit des behandelnden Arztes. MDK: Es stehen sichere Subkutan- (=ambulant) Alternativen zur Verfügung. Operateur: Mag sein, aber bei Blutungen kann bei i.v.-Heparinisierung mittels Protamin-Antagonisierung schneller und zielgerichteter reagiert werden, als bei Subkutan-Heparinisierung. Beide Ansichten haben etwas für sich. Gibt es im Forum schlagende Argumente für oder gegen das Vorgehen? Hat jemand aus dem Forum weitere Erkenntnisse.
    Für Ihre Meinungen herzlichen Dank.
    H.-P. Wolkenstein

  • Hallo Herr Wolkenstein,

    Beide Ansichten haben etwas für sich


    nur mit dem Unterschied, dass die eine das konkrete Haftungsrisiko berücksichtigen muss, während die andere vom grünen Tisch argumentieren kann und noch nicht mal den Nachweis der Sachkenntnis (== Facharztstandard) liefern muss. Anders gesagt: "Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten". :cursing:

    Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, sich nicht auf derartige Diskussionen mit MDK-Gutachtern einzulassen! Entscheidend ist nicht, ob es irgendwelche Alternativen gibt, sondern ob die konkrete Entscheidung des behandelnden Arztes gegen allgemeine medizinische Standards verstößt. Die Beurteilung darüber fällt ein Sozialgericht normalerweise anhand von Fachgutachten, die wiederum üblicherweise von klinisch tätigen (Fach-)Ärzten erstellt werden - und schon so manche Krankenkasse musste bitter erfahren, wie schnell doch der MDK seine zuvor noch vollmundig geäußerte Meinung ändern kann...

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

    • Offizieller Beitrag

    Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, sich nicht auf derartige Diskussionen mit MDK-Gutachtern einzulassen!


    Guten Tag 


    Der Gutachter muß nachvollziehbar (z.B. Literaturquellen) darlegen, daß die vom Krankenhausarzt zum Entscheidungszeitpunkt durchgeführten Maßnahmen im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stehen oder medizinische Standards verletzen würden. 

    (Vgl. BSG B3KR30/04, B3KR40/04) 

    Diesen Nachweis hat der Gutachter mit seiner privaten Meinungsäußerung nicht geliefert. 

    Seine Meinung bedeutet nicht, dass hier im erwähnten 'Einzelfall die objektiv richtige Maßnahme im Bereich des ärztlichen Handeln beschrieben wird. 

    Das Gutachten ist wertlos! 


    Gruß 

    E Rembs 

  • Hallo,

    das zeigt ja mal wieder, dass die UGV in der derzeitigen Form abgeschafft gehört. Sie war ursprünglich gedacht, um die Krankenhäuser daran zu HINDERN, Pat. ZU FRÜH zu entlassen, und jetzt soll sie dazu dienen, genau dies zu tun.

    Davon abgesehen, hat der MDK sich nicht in die Behandlung einzumischen, es sei denn, es sind klare Fehlbehandlungen durchgeführt worden.

    Am besten, die ach so schlauen MDK Ärzte übernehmen die Behandlung selbst. Und natürlich auch die Verantwortung.

    Ich bin dafür, dass in jedem Krankenhaus einer sitzt, rund um die Uhr, und Aufnahmen und Entlassungen IN EIGENER VERANTWORTUNG bestimmt. Dann wäre wahrscheinlich sofort Schluss mit dem Spuk.

    Grüße

    OKIDOCI 8)

  • Mooment,


    Zitat

    Darum geht es hier nicht. Zahlreiche MDK-GUtachten zeigen tatsächlichen Unsinn in der Behandlung auf. Das können Sie als Beratung nutzen. Es geht allerdings darum, überall da Gegenwehr zu entfalten, wo die Begutachtungen des MDK über das Ziel hinaus schießen. Das gilt m.E. fast immer dann, wenn sich der MDK in die Methode und Dauer der Behandlung einmischt.

    Gruß

    merguet

  • Hallo zusammen,
    es tut mir leid, aber ein Auftrag des MDK ist klar, auch die Wirtschaftlichkeit der behandlung.
    Nach SGB V § 275 - Begutachtung und Beratung besteht die Aufgabe des MDK darin, "in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, ... (die) Erbringung von Leistungen, insbesondere ... Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung" zu prüfen. Dabei sind "die Ärzte des Medizinischen Dienstes ... bei der Wahrnehmung. ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen."
    Nach SGB V § 12 - Wirtschaftlichkeitsgebot müssen "die Leistungen ... ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen."
    Dabei müssen nach SGB V § 2 - Leistungen "die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen ... dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt ... berücksichtigen." Daraus ergibt sich durchaus, dass der MDK berechtigt ist, Therapieansätze unter den genannten Aspekten zu hinterfragen.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Horndasch,

    Daraus ergibt sich durchaus, dass der MDK berechtigt ist, Therapieansätze unter den genannten Aspekten zu hinterfragen.


    das ist ja auch nicht das Problem - wie Herr Rembs ja schon ausgeführt hat, kann der MDK z. B. Studienergebnisse anführen, die seine Sicht der Dinge fachlich-inhaltlich unterstützen. Nur: ich habe in den letzten 10 Jahren kaum mal ein Gutachten des MDK zu Gesicht bekommen, das sich wirklich auf wissenschaftliche Fakten gestützt hätte. In den allermeisten Fällen wird einfach eine Behauptung aufgestellt und diese nicht weiter begründet. Dabei benutzt man gerne Wortgeklingel ("... es stehen sichere Alternativen zur Verfügung ...") und lässt sich nicht auf die konkrete Situation ein.

    Und zum Thema "Wirtschaftlichkeitsgebot": von Kassen und MDK wird dies gerne dahingehend ausgelegt, der Patient habe nur Anspruch auf die (aus Sicht der Kasse!) billigste Variante der Leistungserbringung. Das ist damit aber nicht gemeint, vielmehr geht es hier um Kosteneffizienz. Im vorliegenden Fall wäre also die Frage zu beantworten, ob sich eine ambulante Heparinisierung unter Berücksichtigung vereinzelt auftretender thromboembolischer Komplikationen eindeutig kostengünstiger darstellt als die durchgeführte Vollheparinisierung (mit gelegentlich auftretenden Blutungskomplikationen). Solange es dazu aber keine Fakten gibt, ist die Behauptung von Unwirtschaftlichkeit schlicht falsch!

    Im Endeffekt ist das natürlich ein typisches Beispiel dafür, wie das unselige Konstrukt der unteren Grenzverweildauer die Patientensicherheit mittlerweile ernsthaft bedroht.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo Herr Hollerbach,
    volle Zustimmung von mir. Ich will nur darauf hinweisen, dass sich auch das KH auf die entsprechenden Vorgaben des SGB V halten muss und im Zweifelsfall vor dem Sozialgericht diese darlegen muss. Genau wie die Gegenseite dann Alternativen aufzeigen muss. Es wird dann Aufgabe des Gutachters sein, diese zu bewerten.
    Es soll nämlich noch KH geben (nur dem Hörensagen nach), die einen i.v-Zugang legen, hierüber Medikamente verabreichen und dann die Überschreitung der uGVD damit begründen, obwohl "orale Alternativen" unstreitig zur Verfügung standen. Sich hier auf die Therapiefreiheit zu berufen, wird langfristig nicht klappen, es sei denn es kann belegt werden, warum eine i.v.Gabe von Paracetamol einer oralen Gabe von Ibuprofen bei leichten Schmerzen i.S. der o.g. Regeln indiziert ist.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Horndasch,

    Ich will nur darauf hinweisen, dass sich auch das KH auf die entsprechenden Vorgaben des SGB V halten muss und im Zweifelsfall vor dem Sozialgericht diese darlegen muss.


    genau. Ich verwende dieses Argument auch gerne als internes "Disziplinierungsinstrument" gegenüber allzu weit gefassten Therapieplanungen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo, Herr merguet,


    das war natürlich ziemlich plakativ, und teilweise kann man ihnen ja auch recht geben. Ca. 50 % der MDK-Gutachten bleiben bei mir unbeanstandet. (Daraus schließe ich messerschaft in Analogie zu dem was der MDK von sich gibt, dass 50 Prozent aller MDK Gutachten fehlerhaft sind.wink.png

    Klar, man kann aus den Ausführungen des MDK manchmal lernen. Oft handelt es sich aber auch um ex-post- Beurteilungen.

    Es ging mir aber hauptsächlich um die Frage von primärer und sekundärer Fehlbelegung. Da sollte wirklich einer vom MDK sitzen und sagen: Darf rein, darf nicht rein. Und sich dann aber auch mit den niedergelassenen Kollegen, die den Pat. eingewiesen haben (in der Regel aus gutem Grund) auseinandersetzen, bzw. sie sagen muss raus, darf noch bleiben, und das dann ebenfalls den Angehörigen bzw. den Kollegen draußen erklären. Und sie dürfen gerne nach 17 Uhr noch die wievielte-auch-immer-Endoskopie machen, von der sie ansonsten behaupten, sie sei bei entsprechender Organisation noch möglich gewesen.

    Vielleicht kommt es ja mal so weit, dass es im Krankenhaus gar keine Ärzte mehr gibt, dann kann man die Patienten ja einfach mal beim MDK abladen.

    Ich hatte gerade wieder eine "primäre Fehlbelegung" bei einem 85 jährigen Beinparetischen (Chordom des Rückenmarks) Patienten zur anämieabklärung. Vom Dorf. Hausarzt Internist. Laut MDK-Gutachter ambulante Abklärung möglich. Nach entsprechendem Rückruf hat sogar die Kasse eingesehen, dass das einfach unzumutbarer Blödsinn war.

    OKIDOCI 8)