Psych Entgeltsystem - PEPP 2013

  • Guten Abend,

    mich lassen vor allem solche DIskussionsbeiträge erschaudern (Auszug Positionspapier):

    Zitat

    Dies bedeutet konkret, lokal bestehende Versorgungslücken zu identifizieren? und vorhandene Ressourcen soweit wie möglich den genannten Patientengruppen zugute kommen zu lassen. Vorrangiges Anliegen der Diakonie ist die Sicherung einer beziehungsorientierten, kontinuierlichen Basisversorgung. Zielgruppenorientierte (diversifizierte) Angebote sind in der jeweiligen Region zu entwickeln, so dass allen Menschen ein innovatives, qualitativ hochwertiges psychiatrischen Hilfesystem wohnortnah zur Verfügung steht.

    Ich will einfach mal hören, was das konkret heißt. Wer das Entwickeln soll. Was das umfasst. Ich will dann auch noch hören, wie sich das in einem Vergütungssystem niederschlagen soll. Dass dann in solchen Allgemeinplätzen auch noch das Wort "konkret" auftaucht, ist bestürzend, denn es ist alles sehr nebulös. Leider wird in die Diskussion um ein Vergütungssystem die allgemeine Unzufriedenheit mit der Versorgung eingewoben. Allein, mir fehlt eine Alternative. SOll doch endlich mal einer sagen, wie eine psychiatrischer Patient vergütet werden soll. Zwischen den Zeilen aber liest man auch: Wir wollen aus dem Mangel heraus. Das wollen alle. In allen Versorgungsbereichen. Und da geht dann die ganze Diskussion darum los, was wirklich notwendig ist, die man in D nicht führen kann.

    Seufz

    merguet

  • Sehr geehrter Merguet,

    halten Sie diesen Diskussionsstil im Umgang miteinander für angemessen?
    Ein gutes Beispiel für ein regionales Hilfenetzwerk finden Sie vielleicht in Ihren eigenen Kliniken:
    "...und ist eingebunden in ein kooperierendes Netz der regionalen psychiatrischen Versorgung. Durch diese Konzeptionalisierung können psychisch Kranke aller Altersgruppen wohnortnah mit vielfältigen und spezialisierten Behandlungs- und Hilfsangeboten behandelt werden."
    Aber gut, zurück zur Sache...

    In einigen Beiträge wird die Degression der Vergütungen als eher unproblematisch und - da ja mathematisch und statistisch berechnet - als korrekt beschrieben. Ich gehe auch davon aus, dass das INEK die Kalkulationsdaten richtig berechnet hat, aber spiegeln diese Daten denn die Realität wieder? Im Rahmen der Kalkulation wurden ca. 60-80% der Kosten über die verschiedenen Betreuungsintensitätsmodelle auf die Behandlungstage verteilt. Die bisherigen BI Modelle waren nach dem Grundsatz "sehr krank = hohe Gewichtung" aufgebaut. Dass die Erkrankung sich im Verlauf der Behandlung bessert ist (zum Glück) zu erwarten. Entsprechend ergeben sich natürlich auch höhere Punktewerte zu Beginn der Behandlung und niedrigere gegen Ende. Da der maßgebliche Teil der Kosten nach dieser Gewichtung verteilt wird, sind die degressiven Verläufe der PEPPs kein Wunder.
    Wir haben für einige Diagnosen mal die Verläufe der konkret zu den Patienten dokumentierten durchschnittlichen Leistungsminuten ausgewertet und hier ergeben sich eher lineare Verläufe! Das heißt der Aufwand wird gegen Ende der Behandlung nicht geringer, sondern er verändert sich nur. Steht am Anfang die Diagnostik und die Kriseninterventiuon im Vordergrund, steigt im Verlauf der Behandlung der Aufwand für Therapie und Organisation der Wiedereingliederung.

    Die in den meisten PEPPs vorgesehene degressive Entwicklung der Verläufe sieht in dieser ersten Version auch nicht so dramatisch aus. Wenn man die durchschnittlichen Verweildauern der entsprechenden Patientengruppen damit vergleicht, kommen - zumindest in unserer Klinik - Werte über 1,0 heraus. Aber wird diese Degression so bleiben?
    Da sich die Kliniken verständlicherweise an das neue Vergütungssystem anpassen, werden die Fallzahlen steigen und die Verweildauern sinken. Dadurch verändern sich aber auch die Kalkulationsdaten. Die Kosten verschieben sich nach Vorne und damit werden sich ("lernendes System") auch die Verweildauergrenzen der Vergütungen verändern....

    Schönes WE
    HelmutWG

    Einmal editiert, zuletzt von helmutwg (16. November 2012 um 09:16)

  • Guten Tag,

    ich musste einfach mal diese Polemik loswerden, weil im Gegensatz zu Ihrem sehr konkreten Beitrag die zur Zeit in der Öffentlichkeite kursierenden Argumente die Diskussion um die Versorgungswirklichkeit, die Wunschvorstellung und die konkrete Entwicklung von Vergütungsmodellen durcheinanderwirft.

    Ich erlebe zudem eine Art Zeitreise, da die Diskussion aus der Zeit der DRG-Einführung ganz ähnlich verlief und, wenn man in die Schweiz blickt, auch dort bekannte Argumente zutage treten.

    Ich persöbnlich glaube nicht, dass das PEPP Modell aufzuhalten ist. Hier hätten zu einem viel früheren Zeitpunkt Grunsatzdiskussion erfolgen müssen. Es stellt sich aber heraus, dass sich die Fachverbände im falschen Verständnis kleinteilig an der DIskussion beteiligt haben und den Entwicklern nun Fehler vorwerfen.

    Ich schlage vor, dass die betroffenen Kliniken zunächst wenigstens einmal ihre Daten gruppieren um festzustellen, wie die Vergütung denn dann für das eigene Haus konkret ausfallen würde. Dann werden Sie auch für sich feststellen, ob die degressive Vergütung Ihnen schadet oder Ihre konkrete Kostenverteilung dennoch abfängt. Erst auf dieser Basis lassen sich überhaupt konkrete AUwirkungen feststellen.

    Zu dem von Ihnen aufgegriffenen Zitat: Nun, ich halte es wenigstens für etwas konkreter als das von mir aufgegriffene.

    Gruß

    merguet

  • Hallo,

    was zu befürchten war, ist nun eingetreten: Wie die Bundesdirektorenkonferenz vermeldet, hat am vergangenen Samstag, 17.11.2012, Herr Bahr die Ersatzvornahme unterschrieben. :cursing: Die Verordnung ist angeblich völlig textgleich mit dem Referentenentwurf und tritt zum 1.1.2013 in Kraft. Die BDK Vollversammlung in Mühlhausen hat für diesen Fall den Krankenhäusern empfohlen, weder zu optieren, noch die Kalkulation zu unterstützen.

    Hier finden Sie noch eine Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 07.11.2012 und hier eine Stellungnahme der Aktion Psychisch Kranke vom 08.11.2012 zum PEPPV 2013-Entwurf.

    Ich bin im Übrigen überrascht, welche Reaktionen die Einwände der Fachverbände aber auch manche kritischen Threads hier im Forum hervorrufen:
    Einige Board-Teilnehmer drängt es offensichtlich in die Rolle der fatalistischen PEPP-Entgeltsystem-Verteidiger, ohne dass für mich klar ersichtlich ist, welche Motivation bzw. politische Haltung sich dahinter verbirgt.
    Ich denke schon, dass der Weg der PsychEntgGesetzgebung mit dem daraus resultierenden PEPP-Entgeltsystem eine kritische Würdigung verdient: Dabei denke ich z.B. nur an die seit März 2012 andauernde Diskussion um Fallzusammenführungen in der Psychiatrie oder aber an den "Erpressungsversuch " von Herrn Bahr als Bundesgesundheitsminister, die Einberufung eines Vermittlungsausschusses, der über notwendige Verbesserungen in der psychiatrischen Versorgung entschieden hätte, zu verhindern.
    Was drängt uns denn so dermaßen, dass (auch grundsätzliche) Fragestellungen nicht bedient werden sollen? Wer hat etwas von einem Entgeltsystem, dass von nahezu allen Fachvertretern abgelehnt wird? Wieso wird das Vorhaben, möglichst viele Beteiligte mit einem neuen Vergütungssystem zu überzeugen, als tendenziell unmodern bzw. altruistisch, ja geradezu rückwärtsgewandt konnotiert?

    Ich würde mir jedenfalls wünschen, wenn hier im Board -anders als im BMG- ein liberalerer Umgang mit Kritik geübt wird.

    MfG,

    ck-pku

    Einmal editiert, zuletzt von ck-pku (19. November 2012 um 10:35)

  • Guten Morgen,

    Einige Board-Teilnehmer drängt es offensichtlich in die Rolle der fatalistischen PEPP-Entgeltsystem-Verteidiger, ohne dass für mich klar ersichtlich ist, welche Motivation bzw. politische Haltung sich dahinter verbirgt.


    ich hoffe, Sie wähnen mich nicht als einen solchen. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass jetzt schon jemand unter den Kritikern die Folgen des Systems korrekt benennen kann. Zu kritisieren ist die Intransparenz bei der Entwicklung, bei der der Katalog, über den alle reden, immer noch nicht offiziell erschienen ist. Niemand konnte bisher gruppieren. Insofern kann man ck-pku recht geben, hier wäre mehr Zeit unter transparenten Bedingungen sicher angebracht gewesen.
    Allerdings ist auch festzustellen, dass die Fachgesellschaften bei der Leistungsabbildung vermutlich eher in die falsche Richtung aktiv gewesen sind und nun das Ergebnis der Arbeit des InEK kritisieren. Die Diskussion kommt vermutlich zu spät.

    Gruß

    merguet

  • Hallo zusammen,

    beim ersten Überfliegen zeigt sich, dass die Ersatzvornahme nicht exakt dem Ref.Entwurf entspricht.

    In der PEPPV ist von "Fallzusammenfassung" (nicht mehr von "Fallzusammenführung") die Rede.
    Neu ist §1 (9) mit einer Regelung zur Abschlagszahlung.
    Neu ist unter §2 (1) die Regelung, wonach das Kriterium "SK" bei der Fallzusammenfassung nicht gilt, wenn es sich um Fälle aus unterschiedlichen Jahren handelt.
    Neu ist unter §4 die Ergänzung, dass der 31. Dezember ebenfalls ein Berechnungstag ist.

    Im PEPP-Katalog wurde bei PK04A, PK04B, PK10Z, PK14Z, PP00Z, PP04B, PP10A und PP10B an den BWR herumgeschraubt.

    Beste Grüße - NV

    Einmal editiert, zuletzt von NuxVomica (19. November 2012 um 15:15)

  • Schönen guten Tag ck-pku,

    ich schätze Ihre unermüdliche Arbeit hier im Forum und insbesondere, dass Sie alle Stellungnahmen und Quellen im Blick haben und kurzfristig hier verlinken.

    Wenn ich folgende Worte von Ihnen lese...

    Hallo,
    Ich bin im Übrigen überrascht, welche Reaktionen die Einwände der Fachverbände aber auch manche kritischen Threads hier im Forum hervorrufen:
    Einige Board-Teilnehmer drängt es offensichtlich in die Rolle der fatalistischen PEPP-Entgeltsystem-Verteidiger, ohne dass für mich klar ersichtlich ist, welche Motivation bzw. politische Haltung sich dahinter verbirgt.

    [...]

    Ich würde mir jedenfalls wünschen, wenn hier im Board -anders als im BMG- ein liberalerer Umgang mit Kritik geübt wird.

    ...bin ich allerdings etwas irritiert. Denn für mich haben sowohl die Befürworter, als auch die Kritiker das Recht, ihre Meinung hier kund zu tun, sofern sie sich an die entsprechenden Regeln des Umgangs miteinander halten. Eine Abweichung davon ist mir bisher nicht aufgefallen, daher möchte ich Sie bitten, mir konkret zu benennen, wo sie bei den vorangehenden Beiträgen einen weniger "liberalen Umgang mit Kritik" feststellen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo,

    sollte ich jemand mit meiner Wortwahl verletzt haben, bitte ich hiermit um Entschuldigung. :S


    MfG,

    ck-pku

  • Hallo ck-pku,

    als einer der "fatalistischen PEPP-Entgeltsystem-Verteidiger" (auch wenn ich mich niemals als solchen bezeichnen würde) akzeptiere ich Ihre Entschuldigung ! ;)

    Wir sollten aufpassen, dass wir uns im Forum weder von Vereinen und Verbänden noch von der Politik polarisieren lassen. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen zum PEPP und niemand kann von sich behaupten, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.

    Ich finde es durchaus spannend, sowohl die Vorteile (ja, ich denke die gibt es) als auch die Nachteile (oh ja - auch die gibt es!) des neuen Entgeltsystems sowohl durch Studium der "Fakten", aber auch durch die unterschiedlichen Forumsbeiträge zu erkennen und für mich zu bewerten. Eine einseitige Sicht lehne ich jedoch entschieden ab - alles andere kann ich gut stehen lassen. Genau das erwarte ich eigentlich auch von anderen!