Hypovolämischer Schock als Hauptdiagnose?

  • Hallo liebes Forum,

    ich hätte gerne die geschätzte Meinung des Forums gewusst zu folgender Fallkonstellation.

    Ein junger Mann (41 Jahre) kommt zur Aufnahme mit Brechreiz und Bauchschmerzen. Er hat 2-3 mal erbrochen und hatte 3-4 mal Durchfall, Fieber bis 39 C°. Am morgen des vorausgegangenen Tages kam er aus dem Thailandurlaub zurück.

    Der bei Aufnahme gemessene Blutdruck betrug lediglich 70/30. Und nach sehr kurzem Aufenthalt auf der Peripherie (2 Stunden) kam der Patient auf die Intensivstation. Dort wurde weiter kontinuierlich ein hypotoner Blutdruck gemessen, wobei der Puls parallel dazu konstant nicht unter 110 Schläge pro Minute sank.
    Diese Konstellation besserte sich über 41 Stunden nicht, trotz massiver Volumengabe über 12 Liter in diesem Zeitraum.

    Alle eingeschickten Stuhlproblen blieben ohne Ergebnis.
    Parallel entwickelte der Patient ein akutes Nierenversagen, hatte eine Pneumonie, ein Erysipel am Oberschenkel und eine Hypokaliämie. Blutkulturen wurden nicht abgenommen.

    Für mein Verständnis führte der hypovolämische Schock zur Aufnahme und er stand auch weiterhin im Mittelpunkt der Behandlung. Deswegen habe ich die R57.1 als Hauptdiagnose gewählt.

    Der MDK möchte die A09.0 (Gastroenteritis) als HD haben.

    Für mein Verständnis war der Durchfall und das Erbrechen aber nicht für so massiv, dass daraus ein derartiger Schockzustand entsteht, der darüber hinaus noch 4 Tage auf der Intensivstation behandelt werden müsste. Wie gesagt, Erreger oder Parasiten konnten nicht nachgewiesen werden. Die Ursache für den hypovolämischen Schock ist für mein Empfinden nicht geklärt.

    Ich wäre sehr dankbar, wenn ihr Eure Meinungen dazu abgeben würdet.

    Vielen Dank schonmal! :)

  • Lieber TGH09, liebes Forum,

    mich interessiert ebenfalls die von Ihnen geschilderte Konstellation bzw die Interpretation o.g. Konstellation.

    Zur Aufnahme führten nach Ihren Angaben zum einen eine Schocksymptomatik (zunächst nicht intensivpflichtig), als auch das unklare Fieber. Der hypovolämische Schock führte dann zur intensivmedizinisvchen Behandlung. Das ANV ist scheinbar im Verlauf aufgetreten, somit Nebendiagnose.

    Selbst wenn eine Gastroenteritis vorlag, führte m.E.der Schock als eigenständiges Problem zum stationären Aufenthalt. Daher ist dieser als HD anzusehen.

    Oder sehe ich den Sachverhalt falsch? ?(

    Liebe Grüße,
    BoB77

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,


    1. Die Kodierung des Gutachters ist nicht korrekt
    2. Gemäß der Fallbeschreibung: DRG Hauptdiagnose: Volumenmangelschock
    3. Fassungslos: 4 Tage Intensivstation werden ignoriert
    4. Üblicherweise schreiben Gutachter: Gastroenteritis (außer Kleinkinder) wird ambulant behandelt
    5. zur Fortbildung für den Gutachter
    http://books.google.de/books?id=-FkK1-TCuiIC&pg=PA225&lpg=PA225&dq=volumenmangelschock&source=bl&ots=m154cRCs07&sig=EHfMVE-MtwEHZFnxIO6wxc0qXW4&hl=de&sa=X&ei=3eh3UPGPJ-fH0QWHq4GgAQ&ved=0CC0Q6AEwAzgU#v=onepage&q=volumenmangelschock&f=false

    und

    Was ist Schock
    http://www.springerlink.com/content/bjft47pxnjhclw7u/


    Gruß
    E Rembs

  • Guten Tag,


    der Patient kommt mit den klinischen Zeichen einer schweren Gastroenteritis ins KH, Fieber, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen incl.
    Im Rahmen dieser schweren Infektion verliert der Patient viel Flüssigkeit - und verstirbt. Diagnose? Cholera.
    Ihr Patient kommt ebenfalls mit einer schweren MaDa-Infektion, verliert viel Flüssigkeit, findet ein gutes Krankenhaus und wird gerettet. Diagnose? Volumenmangel?
    Hatte Ihr Patient ohne erkennbaren Grund einfach zu wenig getrunken? Oder hatte er ohne erkennbaren Grund plötzlich und unerwartet viel Flüssigkeit verloren?
    Oder kommen Sie nach Analyse zu der Erkenntnis, das dem Geschehen doch eine Infektion zugrunde lag?


    Sollte hier eine Infektion (z. B. Cholera) die Ursache all der Probleme gewesen sein, dann wäre diese Diagnose die HD.

    Gruß

    W.

  • Vielen Dank schonmal!

    Eine Infektion konnte nicht gefunden werden. Alle Stuhluntersuchungen blieben ohne Ergebnis und eine Blutkultur wurde nicht abgenommen.

    Es ist lediglich ein Abstrich eines Insektenstiches erfolgt, der Enterokokken nachweisen konnte. Es ist meiner Meinung nach nicht davon auszugehen, dass dieser keimnachweis einen hypovolämischen Schock nach sich ziehen könnte.

    Vielen Dank an alle!

    TGH

  • Hallo,

    was ist wenn kein Erregernachweis bzgl. der Gartoenteritis möglich ist? Was ist wenn nur symptomatisch behandelt wurde?
    TGH09 schreibt zwar auch von einem vorliegenden Erysipel, allerdings scheint dieses doch keinen direkten Zusammenhang mit der Schocksituation zu haben (zumindest ist es nicht so beschrieben).

    Selbst wenn, was ja anzunehmen ist, der Schock als Folge der Gastroenteritis anzusehen ist, schließt das die Möglichkeit aus, den Schock als HD zu bestimmen?

    Liebe grüße,
    BoB77

  • Hallo zusammen,
    schon mal daran gedacht, dass es sich hier um eine Sepsis (wenn auch ohne Erregernachweis) mit einem SIRS infektiöser Genese MIT Organkomplikation (Kreislauf, Niere) handelt??

    Klinischer Verdacht auf eine Infektion +Fieber + Tachykardie + Organkomplikation. Damit ist die Mär von den 2 Blutkulturen auch gleich erledigt (braucht man hier nicht, auch wenn es natürlich zumindest wünschenswert wäre).

    Gastroenteritis ist jedenfalls ziemlich gewagt, aber eben BILLIG - und ich kann's mir nicht verkneifen, ein ordentliches Gutachten sieht anders aus, dazu brauche ich das noch nicht mal zu sehen...!

    Viele Grüße
    P. Dietz

  • hallo BoB77,

    wenn eine dehydratation/ Exsikkose infolge einer gastroenteritis so ausgeprägt ist, dass sie zu einem hypovolämischen schock führt, dann denkt man an SKR 1107. Dort wird aber nur HD Gastoenteritis und ND E86 vorgegeben. R57.1 vs Gastroenteritis als HD ist daher nach D002 auszuwählen.

    Wenn HD R57.1 korrekt ist, dann hätte ich allerdings ein paar fragen an TGH09:
    1) Lagern Sie Patienten mit RR 70/30, P über 110 und Fieber in der Aufnahme immer zuerst auf der peripheren station?
    2) Wann wurde die schockbehandlung begonnen, wann der urin-output überwacht? usw.
    3) Ihr pat hatte einen "reinen" hypovolämischen schock. Keine blutung, keine gewebsschäden, keine edeme(infolge capillary leak). Aber erbrechen, durchfall, hypokaliämie.
    Was haben Sie denn im kurzbrief dem Hausarzt geschrieben?

    Für den fall eines septischen schocks erspare ich mir die fragen. In dieser hinsicht zu empfehlen der beitrag von Dr. Horndasch: golden hour.

    mfg ET.gkv

  • Hallo zusammen,

    eine Gastroenteritis ist ja eigentlich ausgeschlossen worden, alle Proben waren negativ.

    Zu den Fragen von ET.gkv:

    Zu Frage 1:
    Diese Vorgehensweise kann ich auch in keinster Weise nachvollziehen. Auch wenn sich der Pat. nur 1,5 Stunden nach Aufnahme auf der Peripherie aufhielt.

    Zu Frage 2:
    Volumensubstitution, Urin- und Vitalparameterüberwachung fanden unmittelbar bei der Aufnahme auf die Intensivstation statt.

    Zu Frage 3:
    1.Hypovolämischer Schock mit akutem Nierenversagen bei
    2. akuter schwerer Diarrhoe/ Erbrechen im Rahmen einer
    In Asien akquirierten infektöse Gastroenteritis
    3. Phlegmone li. Oberschenkel nach Insektenstich
    4. Zn. Bandscheibenvorfall LWS
    5. Anamnestisch Amoxicillin- und Novalginunverträglichkeit

    Wie der Mediziner auf Gastroenteritis kommt, kann ich auch wieder nicht nachvollziehen. Wenn man den Arztbrief so liest, ist schon nachvolziehbar, warum der MDK, die Gastroenteritis als Hauptdiagnose wählt.

    Wenn ich aber sämtliche Befunde schicke mit unauffälligen Befunden der Stuhluntersuchungen, müsste doch die Wahl meiner Hauptdiagnose begründbar sein, oder lehne ich mich zu weit aus dem Fenster.

    Vielen Dank für Ihre Einschätzungen bis hierher.

    LG

    TGH09

  • hallo TGH09!


    Bei dieser kausalkette der diagnosen 1 und 2 verstehe ich das ansinnen der mdk-kollegen. Pathophysiologisch mag man da die brücke von der gastroenteritis/ dyhydration/ exsikkose zum hypovol shock bauen -und nach SKR 1107 ist dann gastrenteritis HD.. Nur wissen wir hier im forum auch, das die pathophysiologie der weg in die falschkodierung ist.


    So auch hier: Sehen Sie sich im systICD-VZ die Exkl. von E86 an!


    mfg ET.gkv