Methadonsubstitution

  • Guten Morgen,

    ich habe einen Patienten mit der Hauptdiagnose F 10.4 Alkoholentzugssyndrom mit Delir, der zusätzlich im Methadonsubstitutionsprogramm ist. Nun steht im Brief als Nebendiagnose Polytoxikomanie derzeit substituiert. Wäre das so richtig? Müsste man nicht eher, die F10.2 und F11.2 als Nebendiagnose verschlüsseln. ?(

  • Hallo codierfee,

    es geht doch in erster Linie darum, von welchen Substanzen eine Abhängigkeit besteht. Ist es eindeutig, dass es keine weiteren Abhängigkeiten gibt, dann könnte man F10.2 und F11.2 durchaus nehmen. Gibt es Konsum von weiteren Substanzen, wäre F19.x besser, wobei es zuweilen schwierig ist, Abhängigkeit und schädlichen Gebrauch auseinander zu halten.

    Ich wähle die F19 immer dann, wenn so viele Substanzen im Spiel sind, dass ich "den Überblick verliere" oder wenn unklar ist, wovon tatächlich eine Abhängigkeit besteht.

    Den Unterschied halte ich aber bei Nebendiagnosen derzeit noch nicht für so gravierend, dass ich mir da allzu viele Gedanken zu machen würde...wink.png

    Schöne Grüße
    Anyway

  • Im diagnostischen Manual der WHO zum ICD-10 steht zur F19: "... wenn bei multiplem Konsum psychotroper Subatanzen unklar ist, elche Substanz die Intoxikation verursacht hat". Demnach ist F19 hier also nicht zutreffend, die von Ihnen vorgeschlagene Kodierung spezifischer.

    Hochneblige Grüße

  • Es gilt immer noch die Stelle hinter den Punkten zu beachten!

    Polytoxikomanie bezeichnet strenggenommen nichts anderes als den Konsum mehrere psychotropher Substanzen über einen längeren Zeitraum. Dabei geht es nicht nur um Intoxikationen und Abhängigkeiten, sondern auch um schädlichen Gebrauch etc.pp. Die im Entlassungsbrief genannte Nebendiagnose "Polytoxikomanie" ist da absolut unspezifisch - will heissen: der Spielraum ist groß.

    F19 sollte dann genommen werden "...wenn nicht entschieden werden kann, welche Substanz die Störung ausgelöst hat... wenn nur eine oder keine der konsumierten
    Substanzen nicht sicher zu identifizieren oder unbekannt sind..." Als Störung wäre dann die besagte Stelle hinter dem Punkt gemeint, so dass es meiner Meinung nach in diesem Fall verschiedene Möglichkeiten gäbe.

    Abgesehen davon würde ich aber auf jeden Fall noch die Z51.83 mit verschlüsseln.

    Gruß
    Anyway

  • "Intoxikation" hatte ich deswegen zitiert, weil ich das WHO-Manual gerade griffbereit hatte und dort die F1x jeweils anhand der Intoxikation beschrieben wird - natürlich gilt das für die anderen Endziffern genauso, wie die von Ihnen zitierte Stelle im syst. Schlüssel besagt.
    Kernpunkt ist aber: In diesem Fall sind die Substanzen bekannt (Alkohol akuter Entzug, Opioide werden substituiert), deswegen keine F19 sondern F10 und F12.

    Im ICD-10 WHO gäbe es dann noch die 5. Stelle: F12.22 ist die Opioidabhängigkeit mit Teilnahme am Substitutionsprogramm (ist aber glaube ich in der ICD-10 GM nicht drin).

    Immer noch hochneblige Grüße

  • Kernpunkt ist aber: In diesem Fall sind die Substanzen bekannt (Alkohol akuter Entzug, Opioide werden substituiert), deswegen keine F19 sondern F10 und F12.

    Dazu fischen wir als Außenstehende zu sehr im Trüben. Was zum Beispiel, wenn es einen zusätzlichen wie immer gearteten Mißbrauch (vielleicht sogar Abhängigkeit) von Cannabis, Benzos, Kokain oder was auch immer gibt. Die ND "Polytoxikomanie" im Brief könnte das durchaus vermuten lassen - insofern werden wir hier nicht klären können, welche ND wirklich richtig ist ohne den Pat. zu kennen.

    "kaltsonnige" Grüße
    Anyway

  • ´

    Guten Morgen!

    Noch mal als Hinweis: wenn die Opiatabhängigkeit nicht therapiert wird, könnte man die F11.2 auch weglassen. Als Nebenddiagnose ist sie aber auch zulässig. Bei o.g. Fall wäre m.E. die richtige Kodierung:

    HD F10.4

    ND F10.2, Z51.83, (ggf F11.2)

    Ich bin der Meinung, dass gerade mit der Kodierung der Polytoxikomanie zu "lax" umgegangen wird, auch im Hinblick auf die WHO Kriterien. Bei vielen liegt als Beikonsum eher ein schädlicher Gebrauch vor als eine wirkliche Abhängikeit. Auch die wahllose Einnahme ("Hauptsache, es wirkt") von mind. 3 Substanzen, oder auch die Einnahme um die Wirkung gegenseitig zu verstärken oder aufzuheben wird nicht beachtet.

    Liebe Grüße!

  • Guten Morgen,

    aktuell diskutieren wir die folgende Fallkonstellation im Team:

    Stationäre Aufnahme eines Patienten mit Methadon - Substitution, Clonazepam - Abhängigkeit und Alkohol - Abhängigkeit zur Entgiftung.

    Die vorbestehende Methadon - und Clonazepam - Dosis wird schrittweise reduziert, eine medikamentöse Therapie der Alkoholabhängikeit erfolgt bei Benzodiazepinabusus nicht.

    Da der Patient während des Aufenthalts Alkohol konsumiert wird die Entgiftung abgebrochen.

    Frage der korrekten Hauptdiagnose? - F19.2 steht im Raum , jedoch formuliert die Einleitung zum Kapitel F10 - F 19 ja:

    Nur wenn die Substanzaufnahme chaotisch und wahllos verläuft, oder wenn Bestandteile verschiedener Substanzen untrennbar vermischt sind, soll mit "Störung durch multiplen Substanzgebrauch (F19.-)" kodiert werden.

    Hier liegt jedoch ein klar nachvollziehbare Substanzaufnahme vor.

    Weiterhin formuliert der ICD : "Die Hauptdiagnose soll möglichst nach der Substanz oder Substanzklasse verschlüsselt werden, die das gegenwärtige klinische Syndrom verursacht oder im Wesentlichen dazu beigetragen hat."

    Wie läßt sich hierbei definieren, welche der beiden Abhängigkeiten führend war? - Entscheidung nach Ressourcenverbrauch?

    Würde mich über eine Rückmeldung sehr freuen.

    Viele Grüße

    Stephan Wegmann

  • Moin Stephan,

    kann dir nur zustimmen. F19.2 fällt raus da Substanzen bekannt bzw. versuchen wir immer die Substanzen so spezifisch wie möglich aufzulisten. Würde HD dann nach Ressourcenverbrauch festlegen und die jeweils andere als ND.

    Mit besten Grüßen

    MedCo-Smutje

  • Hallo,

    es ist zwar lobenswert, dass Sie sich diese Gedanken machen, aber die Hauptdiagnose bei multiplen Substanzgebrauch ist oft nicht eindeutig, aber auch gar nicht so entscheidend, so lange es eine Diagnose aus dem Suchtbereich (F1*) ist. Die Hauptdiagnose (egal welche aus diesem Bereich) steuert nur die Eingruppierung in die Basis-PEPP PA02. Wichtiger ist die korrekte Kodierung der einzelnen Substanzgruppen, um die aufwandadäquate Abbildung in die einzelne PEPP (in bestimmten Kombinationen PA02B oder bei Opiatsubstitution und bestimmten somatischen Begleiterkrankungen sogar PA02A) zur erreichen.

    Gruß

  • Hallo Stephan,

    Ich sehe das auch so wie MedCo-Smutje. F19.2. sollte eine absolute Ausnahmediagnose sein. Und definitionsgemäß liegt ja hier auch kein multipler Substanzgebrauch vor.
    Vom Ressourcenaufwand her würde ich mutmaßen, dass die Alkoholabhängigkeit im Vordergrund stand.
    So wie ich es verstehe, kam er zum Beigebrauchsentzug unter Fortführung der Substitution, somit sind die Alkoholabhängigkeit UND die Benzo-Abhängigkeit die Diagnosen, die zur Aufnahme geführt haben. Und da man sich für eine HD entscheiden muss, würde ich die nehmen, die den meisten Aufwand gemacht hat und das wird wahrscheinlich die F10 dann sein, oder?

    In den Kodierrichtlinine steht ja auch, dass bei zwei gleichwertigen HDs diejenige genommen werden soll, welche den größeren Ressourcenaufwand machte.

    Viele Grüße

    "Interessante Selbstgespräche setzen einen intelligenten Gesprächspartner voraus."

    2 Mal editiert, zuletzt von Kai (5. August 2015 um 08:44)