Neues vom BSG / LSG

  • Schönen Wochenstart zusammen!

    wie bereits unter den News berichtet, die Entscheidungen des BSG vom 01.07.2014 sind nun im Volltext online: B 1 KR 2/13 R und B 1 KR 1/13 R

    Aus Sicht der Rechtsanwender wird es insbesondere mit Blick auf das erste Urteil leider immer schwieriger, das Vorgehen der beiden Senate zu verstehen. ?(

    Der 1. Senat befeuert zunächst die - eigentlich aufgrund der Entscheidungen des 3. Senats bereits beendete - Diskussion um die zeitliche Begrenzung der Rechnungskorrekturen, indem er ausführt:

    Zitat

    Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung, etwa wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der KK erfolgt.

    Kein Wort dazu, ob er die Ausführungen des 3. Senats (laufendes Rechnungsjahr plus Folgejahr) mitträgt, sondern lediglich der Verweis auf die eigenen Formulierungen. ;(

    Dann noch eine schöne Volte zum Schluss:

    Zitat

    Der erkennende Senat weicht damit nicht in einer Weise von Rechtsprechung des 3. Senats des BSG ab, die eine Vorlage an den Großen Senat (§ 41 Abs 3 SGG) erfordert. Die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG deutet offensichtlich lediglich in obiter dicta eine abweichende Auffassung an. Der 3. Senat des BSG hat bei dem erkennenden 1. Senat nicht wegen Abweichung von dessen Rechtsprechung angefragt (vgl § 41 Abs 3 S 1 SGG).

    Hier wird also die Vorlage an den Großen Senat deswegen verweigert, weil nach Auffassung des 1. Senats bereits der 3. Senat vor seiner Entscheidung vom 18.07.2013 hätte vorlegen müssen. Deshalb wird nun so getan, als handele es sich bei den Ausführungen des 3. Senats um unverbindliche nicht-entscheidungstragende "obiter dicta". Sieht man sich jedoch die Entscheidung des 3. Senats an, ist festzustellen, dass es die dortigen Ausführungen zur Verwirkung innerhalb der Verjährungsfrist gerade entscheidungserheblich waren, da die Zurückweisung der Revision der KK ja gerade mit dem Argument der Verwirkung erfolgte (s. unter Rz 21 "Der Anspruch scheitert darüber hinaus daran..."; damit wird die Entscheidung auch auf diesen Aspekt gestützt). Selbst wenn insoweit dem 3. Senat ein verfahrensrechtlicher Vorwurf zu machen sein sollte, ist dies m.E. nicht geeignet nun den 1. Senat zum selben Fehler zu berechtigen, anstatt durch eine Vorlage zum großen Senat für Rechtssicherheit zu sorgen... Damit existieren wieder einmal zwei divergierende höchstrichterliche Urteile in einer Rechtsfrage mit weitreichender Bedeutung! :cursing:

    Immerhin scheint heute mal die Sonne 8)

  • Damit existieren wieder einmal zwei divergierende höchstrichterliche Urteile in einer Rechtsfrage mit weitreichender Bedeutung!


    Ist doch schön, wenn einem so der Arbeitsplatz gesichert wird.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • das LSG BaWü hat in einer Entscheidung vom 11.04.2014 festgestellt, dass eine FZF bei einer unvermeidbaren Nebenwirkung einer Chemotherapie aufgrund der Regelung zu Komplikationen in der FPV 2008 nicht infrage kommt, obwohl es wirtschaftlicher wäre, die Fälle zusammen abzurechnen. Die Revision ist zwar zugelassen, aber offenbar nicht eingelegt worden - was angesichts der Entscheidung zum Az. B 1 KR 62/12 R natürlich schade ist...

    Zudem hat das LSG ein eigenes prozessuales Akteneinsichtsrecht der KK verneint, die Unterlagen dürften jeweils nur durch den MDK ausgewertet werden :!:

    Einen insoweit sehr viel einschränkenderen Weg hat hier kürzlich das SG Neuruppin gewählt: Demnach darf die Patientenakte im Gerichtsverfahren nur nach Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten verwendet werden. Kann das klagende KH diese nicht vorlegen, bleibt es beweisfällig und die Klage wird abgewiesen. Eine Ausnahme sei nur dann möglich, wenn der Patient bereits vor Klageerhebung verstorben sei (hier und hier). Es bleibt zu hoffen, dass die KHs hier die zugelassene Sprungrevision eingelegt haben - wenn das Schule macht... ;(

  • Bedeutet aus meiner Sicht, dass alle bis 01.09.2014 eingeklagten Fälle zulässig waren und bleiben. Fraglich ist, wie die Lage aktuell mit Blick auf die Auffangzuständigkeit der Schiedsstellen aussieht? In einigen Bundesländern nehmen diese zwar Fälle an, bearbeiten diese aber nicht, sondern verwalten diese nur bis zur Einrichtung des Schlichtungsausschusses - ob das eine "tatsächliche Handlungsfähigkeit" darstellt würde ich bezweifeln. Zudem stellt sich die Frage, was nun passiert, wenn sich die Landesvertragsparteien nun einfach darauf einigen nichts zu tun - damit bliebe der Klageweg offen und es stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten dem Gesetzgeber noch verbleiben...

    Mal sehen was sich dann letztlich noch aus den Urteilsgründen saugen lässt...

  • Hallo,
    für mich entscheidend wäre der Passus:

    Zitat

    wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs 1 KHG und/oder die zu errichtenden Schlichtungsausschüsse nach § 17c Abs 4 KHG den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften ver­bindlich angezeigt haben, welches Gremium im jeweiligen Bundesland die Schlichtung nach dieser Vorschrift durchführt und dass es tatsächlich handlungsfähig ist.


    was in meinen Augen bedeutet, dass es ein entsprechendes Dokument gibt, ab welchem Zeitpunkt das jeweilige Gremium handlungsfähig ist. Solange dieses Dokument nicht da ist, muss/darf/kann unmittelbar geklagt werden. Denn

    Zitat

    Den einzelnen Krankenhäusern und Krankenkassen ist nicht zumutbar, von sich aus die Zuständigkeit und Handlungsfähigkeit des zur Schlichtung berufenen Gremiums zu recherchieren, zumal die Anrufung eines nicht arbeitsfähigen Schlichtungsgremiums in der Regel nicht die Verjährung eines Zahlungs- oder Rückzahlungsanspruchs hemmt.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • heute wurde noch der etwas detailliertere Terminbericht veröffentlicht.

    Demnach gilt das Schlichtungsverfahren grds. auch für Behandlungsfälle vor dem 01.08.2013.
    Klagen unter € 2000 sind weiterhin zulässig, bis die Schieds-/Schlichtungsstellen ggü den LKGs "förmlich" ihre Arbeitsbereitschaft angezeigt haben. M. W. ist dies bislang nur in Hamburg und Niedersachsen der Fall
    Zudem sind die Schlichtungsstellen als Behörden zu qualifizieren, deren Entscheidungen als Verwaltungsakt ergehen und deshalb gerichtlich überprüfbar sind, was dazu führt, dass die im Schlichtungsverfahren unterlegene Partei ggf. gezwungen ist 2 Prozesse zu führen: erst einen gegen den Ausschuss und (parallel) ggf. noch eine Leistungsklage gegen die Gegenpartei - Entlastung der Gerichte sieht m.E. anders aus... :wacko:
    Ob das BSG an der 4-jährigen Verjährungsfrist festhält, ist nicht ganz klar, eine Verjährung wurde zwar verneint, allerdings konnte man hier auch auf den Verrechnungszeitpunkt abstellen (Fall aus 2009, Verrechnung in 2010, Klage KH in 2013). Jedenfalls kommt eine Verwirkung bei bloßem Zeitablauf von knapp 3 Jahren wohl nicht in Betracht (hier wird interessant, ob der Senat damit seine Entscheidung zum Az. B 3 KR 22/12 R revidiert hat).

    und damit Schönen Feierabend zusammen... 8)

  • Hallo,
    am heftigsten bei der ersten Durchsicht:

    Zitat

    Aus der Überweisung ohne fachchirurgische Abklärung, ohne bildgebende Befunde und ohne Dringlichkeit ergab sich für die Klägerin ohne Weiteres, dass der verordnende Vertragsarzt pflichtwidrig die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft hatte und sie die Versicherte zumutbar und kunstgerecht hierauf verweisen konnte.


    ergo: Eine Einweisung vom Hausarzt ist wohl in Zukunft nicht (mehr) geeignet eine VS-Pauschale abzurechnen.
    Und auch: Der Patient muss/ kann sofort von der Krankenhauspforte wieder zum Hausarzt zurückverwiesen werden.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,

    ich habe das auch gerade überflogen, sehe ich das richtig, keine einzige Klage wurde zu Gunsten der Klinik entschieden.
    Sorry, ich habe mittlerweile jede Hoffnung verloren.

    Die Patienten wieder postwendend an den Arzt verweisen und zum Facharzt schicken und hoffen,
    dass er in 3-4 Wochen einen Termin bekommt.
    Einige Patienten werden dann wohl bereits tot sein.
    So kann man auch Medizin fordern. Nein liebe Politik, bringt mal euren niedergelassenen Bereich in den Griff.

    Anders als die BSG Richter sind eben 90 % der Bevölkerung nicht privat versichert und bekommen nicht innerhalb Stunden einen
    Termin. DAS ist REALITÄT! :cursing:
    Okay, irgendwo muss es ja Unterschiede geben...

    Bin mal gespannt wie lange sich die Kliniken das alles gefallen lassen müssen.
    Ich habe schwer den Eindruck, dass Leistungserbringer als Krebsgeschwür statt Partner gesehen werden.

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal