Neues vom BSG / LSG

  • Guten Morgen,

    ein Interessantes des LSG RP L KR 13/17 Urteil zur Adhäsiolyse, die immer wieder streitgegenständlich ist, findet sich hier . Nun ist das Urteil bei den RA Mohr als "nicht rechtskräftig" beschrieben. Im Urteil findet sich aber der Schlusssatz: "Revisionszulassungsgründe (...) sind nicht gegeben".

    Wann ist denn dann das Urteil rechtskräftig? Wenn alle Rechtmittel (wie z.B. Nichtzulassungs-Beschwerde) innerhalb von gewissen Fristen nicht eingesetzt wurden? Weiß jemand, wann das rechtskräftig werden kann und wie man das erfährt?

    Das LSG RP veröffentlicht seine Urteile ja im Internet. Ist es rechtskräftig, wenn es da auftauchen sollte?

    Gruß

    merguet

  • Hallo merguet,

    Auch wenn die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen wird, kann noch versucht werden, über die von Ihnen bereits erwähnte Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a SGG nachträglich vom BSG eine Zulassung zu erwirken. Die Frist hierzu beträgt einen Monat ab Zustellung des Urteils. In diesem Fall wurde das Urteil am 7.12.2017 verkündet (vgl. § 132 SGG), und offenbar im Zeitraum bis zum 18.01.2018 (Veröffentlichung beim Kollegen Mohr, Absetzungsfrist gemäß § 134 Abs. 2 SGG) zugestellt. Sofern Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde, wird dies nicht offiziell veröffentlicht, erst wenn die Beschwerde erfolgreich war, finden Sie das Verfahren auf der Seite des BSG, Beschlüsse durch die eine Zulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde werden nicht zwingend veröffentlicht. Das Nichtzulassungbeschwerdeverfahren dauert idR 6 Monate bis 1 Jahr. Sofern Sie vorab wissen wollen, ob das Urteil rechtskräftig geworden ist, können Sie dies regelmäßig nach Ablauf der Rechtsmittelfristen (idR ca. 2 Monate nach Entscheidungsdatum) durch einen Anruf beim LSG in Erfahrung bringen.

    MfG, RA Berbuir

  • Neuer Monat, neue Fälle beim BSG: Spannend ist insbesondere die folgende Fragestellung, die vom LSG Hessen zum BSG gelangt ist:

    Zitat


    B 1 KR 3/18 R

    Vorinstanz: Hessisches Landessozialgericht, L 8 KR 400/14

    Zur Zulässigkeit der Umstellung einer Klage auf Erstattung von Krankenhausvergütung auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch.

    Hört sich wenig spektakulär an, birgt aber Zündstoff: Die KK hat das KH zunächst auf Zahlung zuviel bezahlter Behandlungskosten verklagt, nach Gutachten kam dann jedoch heraus, dass die abgerechnete DRG wohl entgegen der MDK-Auffassung korrekt war, allerdings kam dieses Ergebnis nur zustande, nachdem der Gerichtsgutachter feststellte, dass anstelle einer zu streichenden ND zwei zusätzliche andere ND (Keimkodes) zu kodieren waren. Die KK hat daraufhin einen interessanten Ansatz vertreten und versucht ihre Klage umzustellen: da nun zwar kein Anspruch auf Rückzahlung von Behandlungskosten mehr bestand, soll das KH nun aber die materiellen Schäden, die der KK durch das Gerichtsverfahren entstanden seien (sprich die Verfahrenskosten) ersetzen und dies vom Gericht festgestellt werden. Begründung: Es sei die Schuld des KH, dass dieses nicht von selbst nach der MDK-Prüfung die eigene Abrechnung noch einmal geprüft und die vergessenen ND nachgetragen habe. Das LSG hat die Klageänderung aus prozessualen Gründen als unzulässig verworfen und hat insbesondere darauf verwiesen, dass das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung sowieso darüber entscheiden muss, von wem die Verfahrenskosten zu tragen sind. Das LSG hat die Kosten der KK auferlegt.

    Mal sehen, was der 1. Senat daraus macht, wäre natürlich wunderbar, wenn demnächst das Kostenrisiko unabhängig vom Ausgang der Klagen bei den KHs verbleiben würde, weil man den KH auferlegt, trotz auslegungsfähigem lernendem System immer 100%ig korrekt abzurechnen ... :rolleyes:

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,

    interessant ist auch die Begründung der Kasse (Klägerin):

    Entgegen dieser Verpflichtungen habe sie es unterlassen, seit Bekanntwerden der ersten Stellungnahme des MDK im Jahr 2009 ihre Abrechnung anhand der ihr selbst vorliegenden Behandlungsunterlagen noch einmal zu überprüfen.

    Wie soll das im Zeitalter PrüfvV denn gehen, wenn eine Nachkodierung von der Kasse nicht akzeptiert wird?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Interessant auch die folgende PM des SG Aachen:

    Das SG hat mehrere Klagen von KK gegen ein KH abgewiesen, das einen Arzt mit erschlichener Approbation über mehrere Jahre beschäftigt hat. Die KK wollten nach dessen Auffliegen die Behandlungskosten in den Fällen zurück, in denen die Versicherten durch den falschen Arzt behandelt wurden. Das SG begründet die Abweisung damit, dass gerade kein Schaden entstanden sei, da a) noch weitere Ärzte beteiligt waren, b) eine echte Approbation vorlag, die lediglich mit gefälschten Zeugnissen erschlichen war, was das KH aber nicht erkennen konnte, c) die Behandlungen allesamt lege artis ohne Komplikationen erbracht wurden. Bin ja sehr gespannt, ob das in letzter Instanz hält, nachdem gerade das OLG Hamm festgestellt hat, dass ein Fehler bei der Umsetzung einer Wahlarztvereinbarung dazu führen kann, dass einer GKV (sic) ein Schadensersatzanspruch auf die gezahlten Behandlungskosten zusteht...

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,

    gerade das letzte Urteil aus Hamm hat ja wirklich Brisanz. Ich muss als GKV-Kasse also bei teuren Fällen nur schauen ob ein Patient zusatzversichert ist und dann auf Fehler in der Doku der Wahlleistung und/oder deren Erbringung gucken.

    Und dann ist - so das OLG - die ganze Behandlung rechtswidrig, wenn ich es richtig verstanden habe.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Horndasch,

    Sie haben die Bedeutung des Urteils korrekt erfasst: Durch eine zulässige WLV kann sich die Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff auf wenige Behandler verengen, wird dann ein dritter Arzt, der von der WLV nicht umfasst ist, tätig, liegt tatbestandlich eine Körperverletzung vor, für die selbstverständlich keine Vergütung gefordert werden kann - weder die DRG noch wahlärztliche GOÄ-Kosten. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob die GKV grds. einen Anspruch auf Vorlage von WLV betreffenden Einwilligungserklärungen hat? Während ich dies im Falle der Ermittlungen bzgl Behandlungsfehlervorwürfen nach § 66 SGB V bejahren würde, würde mich interessieren, ob in der Praxis im Rahmen von MDK-Abrechnungsprüfungen die WLV aussortiert wird oder ebenfalls vorgelegt wird, da insoweit dann ja die Gefahr von "Zufallsfunden" besteht...?

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,

    da sich die WLV bei uns in der Regel nicht in der Behandlungsakte, sondern in einer davon getrennten "Verwaltungsakte" befinden, besteht die Gefahr der unabsichtlichen und unfreiwilligen Weitergabe erst einmal nicht. Aber wie´s der blöde Zufall will, würde es bestimmt in einem kritischen Fall eine Ausnahme davon geben ... .

    Außerdem könnte auf diese Weise die Praxis vieler GKVen bzgl. Kooperationen mit privaten Zusatzversicherungen einen ganz neuen Hintergrund bekommen. Und auch der 1. BSG-Senat wird sich für diese neue Anregung gewiss bedanken ... .

    Gruß,

    fimuc

    • Offizieller Beitrag

    So, anscheinend sorgt man sich in Kassel mehr um das äußere Erscheinungsbild, als um die deutliche Kritik an der "Rechtssprechung".

    Möchten gute Figur abgeben: Medientraining bereitet Richter des Bundessozialgerichts auf baldige TV-Übertragungen aus Gerichtssälen vor (T-Online).