Neues vom BSG / LSG

  • Guten Morgen,

    nun ist ja gerade der "klar erkennbare Wille des Gesetzgebers" laut BSG nicht gegeben. Das BSG hat ja bereits erklärt, dass der Wille des Gesetzgebers gerade im Hinblick auf die AWP auch nach der Gesetzesänderung unklar oder diffus geblieben sei (ich finde das Urteil nicht mehr). Wir alle hoffen ja nun auch auf die Entscheidung des BVG zum Thema AWP, um endlich Ruhe in diese Thematik zu bekommen.

    Gruß

    merguet

  • Hallo merguet,

    wobei das Argument des 1. Senats auf tönernen Füßen steht, nachdem man zuvor die gleichlautenden Regelungen über Jahre anders verstanden hat (vgl. insoweit die schöne Darstellung des SG Aachen), ich gespannt ob das BVG hierzu klare Aussagen trifft. Kleine Randnotiz: die Kollegen, die das Verfahren vor dem BVG betreut haben, haben zwischenzeitlich offenbar die Kanzlei gewechselt, mir ist allerdings nicht bekannt, ob die Mandate ebenfalls mitgewechselt sind (ich hoffe, dass verstößt jetzt nicht gegen die Forumsregeln zur Werbung - sonst gerne löschen...?).

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo zusammen,

    noch einmal zurück zum Transportentfernungsurteil:

    • Liegt das Urteil bereits irgendwo schriftlich vor (auf den Seiten des BSG derzeit noch nicht) ?
    • Der MDK bestreitet bereits jetzt in einigen Kliniken unter Bezug auf dieses Urteil und dessen (angebliche) Aussagen zur Transportentfernung die Voraussetzungen des OPS 8-981. Auf welcher Rechtsgrundlage, wenn das Urteil noch gar nicht öffentlich ist (insbesondere, da OPS und DIMDi ja was anderes sagen)???
    • Und an die Juristen: Kann es sein, dass die schriftliche Begründung möglicherweise im Detail vom Terminbericht abweicht oder ist das dann letztlich nur die Niederschrift des bei der Urteilsverkündung gesagten?

    Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag

  • Hallo Herr Schaffert,

    die Urteilsgründe sind bislang nicht veröffentlicht, die maximale Frist zur Absetzung der Urteilsgründe beträgt 5 Monate, die Veröffentlichung im Internet erfolgt jedoch erst nachdem die Entscheidung den Parteien zugestellt wurde und diese den Eingang bestätigt haben. Es kann also noch ein paar Wochen dauern, wobei üblicherweise eine Veröffentlichung binnen 3 Monaten erfolgt. Dass die KK bzw. der MDK sich das Urteil bereits jetzt zu Nutze machen, war erwartbar, hier würde ich aber immer auf die ausstehende schriftliche Begründung verweisen, da der Terminbericht keine Rechtskraft hat und in der Begründung ggf. noch Einschränkungen oder sonstige wichtige Details enthalten sein können, die sich aus dem Terminbericht so nicht ergeben. Allerdings ist keine wesentliche Änderung der Aussagen des Terminberichtes zu erwarten, insbesondere kann das BSG nicht die nun im Anschluss stattfindende Diskussion berücksichtigen, da die Entscheidung nur auf Grundlage des Sachstandes zum Termin der mündlichen Verhandlung erfolgen darf. Inwieweit das Urteil dann Rückwirkung entfaltet bzw. angesichts der Positionierung des DIMDI noch für zukünftige Fälle Anwendung finden kann, wird wahrscheinlich erst in diversen neuen Rechtsstreitigkeiten geklärt werden müssen...

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo zusammen,

    am 11.09.2018 ist mal wieder Tag der Entscheidung in Kassel! Diesmal allerdings nur ein Fall mit Implikationen für KH, bei dem es um die Kostentragung für einen verstorbenen Patienten geht, der im Rahmen des ALGII-Bezuges erst bei der DAK und dann bei der AOK versichert war, mit einer zwischenzeitlichen Lücke von 10 Monaten, in die die stationäre Aufnahme fiel. Fraglich ist insoweit, welche der beiden KK letztlich die Kosten zu tragen hat, und inwieweit hier ggf. die Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum Tragen kommt.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,

    es geht aber auch wieder mal um das Zusatzentgelt ZE 74.08 (Gabe von Bevacizumab; parenteral, 850 mg bis unter 950 mg; 3637,71 Euro). Also um Avastin bei Glioblastomen .

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Das Bundesverfassungsgericht hat ein interessantes Urteil zur richterlichen Rechtsfortbildung gefällt (Urteil vom 6. Juni, 2018, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14).

    Im konkreten Fall ging es zwar nicht um das Bundessozialgericht, sondern um das Bundesarbeitsgericht. Liest man die Urteilsbegründung könnte man aber an der ein oder anderen Stelle denken, dass das BAG ähnlich agierte wie das BSG.

    Ein Leitsatz lautet:

    "Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen."

    In RZ 73 schreiben die Verfassungsrichter:

    "Richterliche Rechtsfortbildung darf hingegen nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen ... Die Gerichte dürfen sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen, sondern müssen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein."

    Spannend wird die Frage sein, ob das Bundesverfassungsgericht sich auch mit dem BSG befassen wird.

    Grüße

    Matthias Offermanns

    Deutsches Krankenhausinstitut

    Alte Rheinische Weisheit: "Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht."

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    zur Info


    Gruß

    E Rembs


    Kassel, den 11. September 2018

    Terminbericht Nr. 40/18

    (zur Terminvorschau Nr. 40/18)


    Der Senat hat die Sprungrevision der klagenden Krankenhausträgerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Zusatzentgelts ZE74.08 in Höhe von 3637,71 nebst Zinsen. Das Arzneimittel Avastin durfte mangels indikationsbezogener Zulassung nicht zu Lasten der GKV angewendet werden. Die Voraussetzungen eines Off-Label-Use lagen nicht vor. Eine Behandlungspflicht der Klägerin entsprechend dem Leistungsanspruch des Versicherten folgte auch nicht aus grundrechtsorientierter Leistungsauslegung iS von § 2 Abs 1a SGB V. Die Norm begründet keinen Anspruch auf Fertigarzneimittel für eine Indikation, für die EMA eine Genehmigung in einem Zulassungsverfahren abgelehnt hat. Dazu genügt, dass der Ständige Ausschuss für Humanarzneimittel - wie hier bei Avastin für die Indikation des rezidivierenden Glioblastoms - ein im Ergebnis ablehnendes Gutachten erstellt, ohne dass der Hersteller das Verfahren weiterverfolgt. Mit neuem Tatsachenvortrag - der im Übrigen auch in der Sache nicht zu einer anderen Entscheidung führen würde - und Verfahrensrügen ist die Klägerin im Verfahren der Sprungrevision ausgeschlossen.


    Sozialgericht Chemnitz - S 38 KR 2463/15

    Bundessozialgericht - B 1 KR 36/17 R


    https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Dow…icationFile&v=2

  • Schönen guten Tag allerseits,

    in den Neuigkeiten gibt es jetzt eine Fassung der Urteilsbegründung zur Schlaganfall-Transportzeit.

    Die Argumentation finde ich in sich durchaus schlüssig. Allerdings geht das Gericht von der Voraussetzung aus, das im Haus vorhandene Neurochirurgie und interventionelle Radiologie für eine qualifizierte Schlaganfallversorgung die standardmäßige Voraussetzung ist und der Transport nur ein eng an diesem Standard zu messender Notnagel ist. Dies sehe ich jedoch nicht so. Der Anteil der Patienten, die notfallmäßig verlegt werden müssen und die mithin durch eine erweiterte Auslegung gefährdet wären ist minimal gegenüber den Patienten, die jetzt durch verlängerte primäre Transportzeiten gefährdet werden.

    Ich wünsche Ihnen dennoch einen schönen Tag