Neues vom BSG / LSG

  • Hallo zusammen,

    kurz vor den Festtagen macht auch der 1. Senat am 18.12.2018 noch einmal Bescherung, spannend für uns insoweit:

    1+2 die Frage, ob eine KK nach mehr als 3 bzw. 4 Jahren noch Rechnungen mit ambulantem Potential aufgreifen darf und hier den "Grund für die stationäre Aufnahme" nachfordern kann bzw. bei Weigerung des KH verrechnen durfte Ich bin mal gespannt, ob das BSG hier seine Verkennung des Datensatzfeldes "Grund der Aufnahme" weiter zementiert... Evtl. nutzt man ja auch direkt die Gelegenheit, sich ohne Fallbezug zu den aktuell verkürzten Verjährungsfristen zu äußern.

    Ein weiterer Fall befasst sich nochmals mit dem prozessualen Einsichtsrecht der KK in Patientenakten, was ja eigentlich bereits zu Gunsten der KKen geklärt war, gleichzeitig geht es in dem Fall aber auch um Beatmungsstunden, weshalb nich ausgeschlossen ist, dass man hier mal wieder Neues zur "Gewöhnung" erfährt.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo Herr Berbuir,

    das Tätigkeitslimit von Herrn Prof. Hauck am BSG ist absehbar (Bj. 1954). Da wird uns wohl das ein oder andere obiter dictum beschert werden.

    Viele Grüße

    M2

  • ... Ein weiterer Fall befasst sich nochmals mit dem prozessualen Einsichtsrecht der KK in Patientenakten, ...

    MfG, RA Berbuir

    Hallo Herr Berbuir,

    diesbezüglich gab Herr Prof. Hauck unlängst zum Besten, dass ja sensible Daten in der Krankenakte geschwärzt werden könnten.

    Wer macht so etwas eigentlich, der Richter? Haben Gerichte doch schon Probleme, vergleichsweise übersichtliche Urteile zu neutralisieren.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo medman2,

    das Schwärzen von Patientenakten ist grds. Aufgabe des KH, wobei es dann natürlich hierfür eine Erklärung geben muss, um nicht in den Verdacht zu geraten, hier bloß für die Abrechnung negative Fakten vertuschen zu wollen. In aller Regel werden die Akten jedoch zunächst vollständig offen an das Gericht vorgelegt. Dort findet nach meiner Erfahrung auch nur eine kursorische Prüfung statt, ob die Akte den korrekten Patienten betrifft - sollte dies nicht der Fall sein, bekommt das KH die Akte zurück mit dem Hinweis, man möge das noch einmal neu sortieren. Der Hinweis des Vorsitzenden, das KH könne sensible Stellen schwärzen, gibt uns Steine statt Brot, da eben nicht klar wird - welche Daten "sensibel" sind. Wenn ich eine psychiatrische Behandlung im Streit habe, muss ich als KH die Anamnese und psychischen Probleme nebst Therapieverlauf offenlegen um die Diagnosen und Verweildauer belegen zu können. Aber auch bestimmte somatische Erkrankungen können stigmatisierend sein, weshalb man diese als "sensibel" einstufen könnte, obwohl sie natürlich für die Abrechnungsprüfung erheblich sind. Vor diesem Hintergrund erklärt sich dann das Vorgehen einiger Gerichte, die eben pauschal ein Einsichtsrecht der KKen verneint haben. Andererseits wird die Prozessführung natürlich erheblich erschwert, wenn man sich blind auf Aussagen vom MDK bzw. Sachverständigen verlassen soll - wobei die Kassen damit ja außergerichtlich offenbar kein Problem haben...

    Auch hier kann m.E. nur der Gesetzgeber Klarheit schaffen.

    MfG, RA Berbuir

  • Moin,

    das Schwärzen von Akten ist eine beinahe unlösbare Aufgabe. Erfahrungen dazu haben wir im Schlichtungsausschuss auf Landesebene gesammelt. Hier mussten nicht nur die Patientendaten, sondern auch noch alle Hinweise auf das KH und die beteiligten Personen geschwärzt werden. Dauerte Stunden.Kopien von Papierakten zu schwärzen gelingt faktisch nicht, da die Typen durchscheinen, wie man das ja auch bei veröffentlichten Urteilen immer wieder sieht. Der Ausweg ist dann tatsächlich TippEx oder überkleben. Die digitale Radierung von .pdf ist extrem zeitaufwändig. Die Wahrscheinlichkeit dass man einzelne Eintragungen übersieht, ist maximal. Im Übrigen ist die Definition des sensiblen fast unmöglich. Sensibel wäre ja dann alles, was dem Kostenträger nicht ohnehin aus Sozialdaten ,Gutachten, Strukturprüfungen u.ä. bekannt ist bzw. sein muss. Wer will das filtern. Außerdem wären ja gerade diese Aspekte im Falle einer gutachlichen Stellungnahme durch einen med. Fachgutachter sämtlich beachtlich.

    Man stelle sich das bei einem Intensivverlauf von mehreren Wochen vor. Die Forderung ist völlig naiv und abwegig.

    merguet

  • Und noch etwas: in der aktuellen NZS (Heft 24/2018, Seite 961-965) verteidigt Dr. Estelmann (Mitglied des 1. Senats) die Rechtsprechung gegen die Angriffe von KH und Politik und deutet an, dass man die aktuellen Gesetzesänderungen verfassungsrechtlich bedenklich sieht, ich zitiere mal:

    "Offenkundig geht es dem Gesetzgeber für Erstattungsansprüche vor 2017 – und der DKG auch darüber hinaus – nicht nur um Abrechnungen bestimmter Komplexleistungen im Hinblick auf bestimmte Rechtsfragen, sondern um eine Tabula-rasa-Lösung. Willkommener Anlass dazu waren die Transportentscheidungen des 1. BSG-Senats und das Forcieren einer Empörungsstimmung. Eine vertiefte rechtliche Auseinandersetzung mit dessen Argumenten war dabei eher hinderlich. [...] Die durch das PpSG zum 1.1.2019 in Kraft tretenden Änderungen sind dagegen nicht nur wegen der Klageflut, sondern auch gerade wegen der mit den Regelungen verbundenen Rechtsprobleme (Man denke nur an die Änderung der §§ 295 und 301 SGB V, die nunmehr dem DIMDI die Befugnis einräumen, rückwirkend OPS-Vorgaben klarzustellen und zu ändern. Aber auch die scheinbar einfache Verjährungsregelung des § 109 Abs. 5 SGB V bietet reichlich Probleme, ganz zu schweigen von § 325 SGB V, der auf den Fransen des Verfassungsteppich steht.) ein Beschäftigungsprogramm für Juristen. Sie sind letztlich ein Beispiel dafür, was passiert, wenn Vertreter von Partikularinteressen, die – wie die DKG – implizit behaupten, nur im Gemeinwohlinteresse zu handeln, den Gesetzgeber für sich einnehmen können."

    "Fransen des Verfassungsteppich" hat ja schon fast etwas poetisches...

    MfG, RA Berbuir

  • Sie sind letztlich ein Beispiel dafür, was passiert, wenn Vertreter von Partikularinteressen, die – wie die DKG – implizit behaupten, nur im Gemeinwohlinteresse zu handeln, den Gesetzgeber für sich einnehmen können.

    Das totgerittene Pferd ist halt an manchen Stellen doch noch lebendig.

    Natürlich verwundert das manchen...

    Grüße aus dem Salinental

  • Hallo zusammen,

    kurz vor den Festtagen macht auch der 1. Senat am 18.12.2018 noch einmal Bescherung, spannend für uns insoweit:


    1+2 die Frage, ob eine KK nach mehr als 3 bzw. 4 Jahren noch Rechnungen mit ambulantem Potential aufgreifen darf und hier den "Grund für die stationäre Aufnahme" nachfordern kann bzw. bei Weigerung des KH verrechnen durfte Ich bin mal gespannt, ob das BSG hier seine Verkennung des Datensatzfeldes "Grund der Aufnahme" weiter zementiert... Evtl. nutzt man ja auch direkt die Gelegenheit, sich ohne Fallbezug zu den aktuell verkürzten Verjährungsfristen zu äußern.

    Hallo,

    gerade habe ich mir diese Terminvorschauen angesehen, und es ist der Hinweis zu lesen: "Der Termin wurde aufgehoben".

    Bedeutet das, dass die vorinstanzlich unterlegene KK die Revision zurückgezogen hat?

    Gruß,

    fimuc

  • Hallo fimuc,

    das muss es nicht zwangsläufig bedeuten, es kann auch schlicht sein, dass eine der Parteien kurzfristig die Verlegung des Termins z.B. wegen Krankheit beantragt hat. Bei einer Rücknahme des Rechtsmittels bzw. einem Anerkenntnis teilt das BSG dies üblicherweise mit. Falls das Verfahren aber demnächst nicht mehr unter den anhängigen Fällen aufgeführt werden sollte, bringt ein kurzer Anruf beim BSG Klarheit...

    MfG, RA Berbuir

  • Lieber Herr Berbuir

    "Fransen des Verfassungsteppich" hat ja schon fast etwas poetisches...

    Für einen Richter als "Diener des Staates" finde ich die von Ihnen zitierte Aussage von Dr. Estelmann in mehrfacher Hinsicht äußerst bedenklich. Schließlich hat sich ein Richter an den Willen des Gesetzgebers zu halten - und zwar letztlich völlig unabhängig davon, welchen tatsächlichen oder unterstellten Einflüssen dieser Gesetzgeber unterliegt. Auch höchstrichterliche Entscheidungen aus anderen Sachgebieten halten sich an Gesetze, die offensichtlich Lobbygesteuert waren.

    Und derzeit ist kein Normenkontrollverfahren bezüglich der Gesetzgebung, sondern vielmehr eine Verfassungsbeschwerde gegen das BSG beim Bundesverfassungsgericht anhängig (siehe https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/J…_2018_node.html Nr,. 5.) Also: Wer selbst auf den Fransen des Verfassungsteppiches sitzt...

    Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag