Neues vom BSG / LSG

  • Hallo Herr Schaffert,

    ich sehe das grds. auch bedenklich, auch wenn es natürlich einem Richter unbenommen bleibt, sich in die rechtswissenschaftliche Diskussion einzubringen, scheint mir dies doch ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Kassenseite zu sein, sich hier nicht der auf Bundesebene getroffenen Verlautbarung zu beugen, sondern die PpSG-Regelungen über das BSG einer konkreten Normenkontrolle durch das BVerfG nach Art. 100 GG zuführen zu lassen. Ob man dann noch von der nötigen Unvoreingenommenheit des Richters ausgehen kann, wäre m.E. zumindest fraglich (vgl. BFH, Beschl. v. 21.12.2009, V R 10/09: "Ausnahmsweise kann die Äußerung einer Rechtsauffassung außerhalb des Verfahrens aber ein Ablehnungsgrund sein, wenn ihre Diktion oder das Umfeld, in dem sie gemacht wurde, bei objektiver Betrachtungsweise Zweifel an der Offenheit des Richters für Gegenargumente entstehen lässt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Rechtsauffassung als vernünftigerweise einzig vertretbare bezeichnet wird, obwohl gewichtige Gegenargumente bekannt sind, wenn Gegenargumente lächerlich gemacht oder Vertreter der Gegenansicht abwertend beurteilt werden oder wenn Inhalt und Zeitpunkt oder Ort der Meinungsäußerung den Verdacht entstehen lassen, mit der Meinungsäußerung solle das Ergebnis eines bestimmten bereits anhängigen oder erwarteten Verfahrens beeinflusst werden.").

    Trotz allem ein schönes WE!

    RA Berbuir

  • Hallo medman2,

    das Schwärzen von Patientenakten ist grds. Aufgabe des KH, wobei es dann natürlich hierfür eine Erklärung geben muss, um nicht in den Verdacht zu geraten, hier bloß für die Abrechnung negative Fakten vertuschen zu wollen. ... Der Hinweis des Vorsitzenden, das KH könne sensible Stellen schwärzen, ...

    Hallo Herr Berbuir,

    wenn auch etwas spät, möchte ich zunächst klarstellen, dass nicht gesagt wurde, dass das KH die Akten schwärzen könne, sondern "man" könne schwärzen. Ich möchte nochmal nachfragen, wo denn verankert ist, dass es Aufgabe des KH ist, zu schwärzen.

    Wenn es denn geltendes Recht sein soll, dass die Krankenkasse zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Einblick in die komplette Krankenakte erhält, möge das Gericht doch bitte auch für die datenschutzkonforme Umsetzung Sorge tragen. Gerade im Hinblick auf die von Ihnen genannten Verfänglichkeiten ist die Zuordnung zum KH nicht sachgerecht.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (19. Dezember 2018 um 16:00)

  • Hallo,


    gerade habe ich mir diese Terminvorschauen angesehen, und es ist der Hinweis zu lesen: "Der Termin wurde aufgehoben".

    Bedeutet das, dass die vorinstanzlich unterlegene KK die Revision zurückgezogen hat?


    Gruß,

    fimuc

    wie sich aus dem heutigen Terminbericht (PDF) ersehen lässt, hat das KH jeweils die Klage zurückgenommen(!), da hat man wohl erkannt, in welche Richtung die Sache läuft und stattdessen lieber zwei Einzelfälle dran gegeben als den KKen den Grund für die nächste Rückforderungswelle zu liefern...

    In Bezug auf den Einsichtnahmefall kam es zum erwarteten Ergebnis, dass die Sache zurück ans LSG geht und man dort der KK Einblick in die Unterlagen gewähren muss.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo Herr Berbuir,

    in der PM zum Fall B 1 KR 31/17 R heißt es: "Das im Revisionsverfahren abgegebene Anerkenntnis der Beklagten hindert nicht an einer Sachentscheidung."

    Wie aus der Terminvorschau zu ersehen ist, hat der Kläger das Anerkenntnis nicht angenommen.

    Mal eine Frage zum Verfahrensrecht: Kann man bei Anerkenntnis selbiges ablehnen und auf einer Entscheidung bestehen?

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo Medman2,

    die Frage ist interessant, die Kommentarliteratur zu § 101 SGG sieht einhellig vor, dass bei einem nicht angenommenen Anerkenntnis nach § 202 Satz 1 SGG iVm §§ 307, 313 b ZPO ein Anerkenntnisurteil (dabei handelt es sich auch um ein Sachurteil im Gegensatz zum formalen Prozessurteil) zu ergehen hat - auch ohne Antrag des Klägers - welches dann jedoch ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe erfolgen kann, aber eben nicht muss. Es gibt aber insoweit keinen Anspruch des Klägers auf eine begründete Entscheidung. Gerade die obersten Bundesgerichte machen dann insoweit oftmals doch noch Ausführungen, um für Rechtsklarheit zu sorgen. Insoweit ist der Satz "Denn der Kläger hat kein Anerkenntnisurteil beantragt." im Terminbericht für mich nicht recht verständlich, vgl. auch: BSG, B 1 KR 1/15 R.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,

    die Verfassungsbeschwerde zur AWP bei sogenannt "sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung" wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

    Na ja:

    • "Die hohe Zahl von über 40 % fehlerhafter Abrechnungen verdeutlicht diesen Prüfungsbedarf".

    Da hat doch die fortwährend irreführende Darstellung seitens der Kostenträger ihre Wirkung entfaltet.


    Interessant auch die Ausführung zur zweiten Alternative ("sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung")

    • "Zudem zielen die Prüfungen nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V im Krankenhausbereich auch historisch primär auf die Notwendigkeit einer stationären Behandlung, wie das Bundessozialgericht in den angegriffenen Entscheidungen nachvollziehbar herausgearbeitet hat. Die Einfügung der zweiten Alternative in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V lässt sich in diesen Kontext plausibel einordnen. "

    Liest man den zugehörigen Gesetzentwurf des Gesundheitsausschusses (Begründung im Ausschussbericht, BT-Drucks 14/7862 S. 6 - 2.7.)

    • „Klarstellung, dass in Einzelfällen bei Auffälligkeiten auch die Rechnungslegung durch den Medizinischen Dienst geprüft werden kann.“

    lässt sich das nicht in den Kontext einordnen.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (8. Januar 2019 um 16:09)

  • tjo, soviel zu den Hoffnungen auf eine Korrektur aus Karlsruhe...

    Nach erstem Überfliegen der Begründung finden sich zwar zwischen den Zeilen immer wieder leichte Kritikpunkte, letztlich konnte man sich aber wohl nicht dazu durchringen, hier den Kollegen aus Kassel einen mitzugeben. Werde die Entscheidung in den nächsten Tagen mal vertiefter auswerten. Letztlich hat es wohl der Gesetzgeber vergeigt, wenn der Senat ausführt "wird jedoch die vom Bundessozialgericht vorgenommene Unterscheidung bestätigend aufgenommen und die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale in Fällen der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit als „Neuregelung“ bezeichnet." Das mit der Neuregelung war doch ursprünglich auch nicht so formuliert, aber da wollte Berlin Kassel nicht zu sehr auf die Füße treten und das fällt den KHs nun auf Füße...

    Völlig daneben finde ich aber den folgenden Ansatz: "Die Beschwerdeführerinnen stützten ihre Rüge weiter darauf, dass für die Durchführung sachlich-rechnerischer Prüfungen keine ausreichende Rechtsgrundlage zur Verfügung stehe. Sie haben sich aber nicht substantiiert damit auseinandergesetzt, dass sie sich in diesem Fall gegen die Durchführung einer derartigen Prüfung hätten wehren können, statt sie zu dulden und dann im Anschluss daran die Aufwandspauschale zu liquidieren." Der Witz war doch aber, dass das BSG im Nachhinein überhaupt erst das Prüfregime erfunden hat, da waren die Prüfungen bereits im guten Glauben es handele sich um eine solche nach Abs. 1c erfolgt. Der Hinweis man hätte dann ab 07/2014 derartige Prüfungen ablehnen können, gibt den KHs wieder Steine statt Brot - was bei Prüfungsverweigerungen herauskommt, wissen doch alle mit dem System vertrauten Personen...

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo zusammen,

    Es dürfte nicht überraschen, dass ich die Entscheidung des BVerfG mit Genugtuung aufgenommen habe. Die von einigen Wenigen in diesem Forum und auf DKG Veranstaltungen geäusserten massiven Anschuldigungen gegen die BSG- Rechtsprechung des 1. Senats sind somit endgültig Schnee von gestern.

    Sehr positiv ist natürlich, dass auch solche ( für die Mehrheit unangenehmen) Nachrichten in diesem Forum zügig mitgeteilt und diskutiert werden, danke dafür !!

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Sehr geehrter Herr Breitmeier,

    aus Ihrer Sicht kann ich verstehen, dass Sie die Ablehnung der Verfassungsbeschwerde mit Genugtuung aufgenommen haben. Der Wortlaut Ihrer Stellungnahme und Äußerung zu den "massiven Anschuldigungen gegen die BSG-Rechtsprechung" ff. lässt jedoch darauf schließen, dass Sie alles in einen Topf werfen: nämlich zum einen die Aufregung über das quasi über Nacht geschaffene neue Instrument der "sachl.-rechn. Prüfung" und deren Anwendung auf die Vergangenheit, zum anderen die grundsätzliche Diskussion, ob ein solches Instrument den Kostenträgern ohne die Konsequenz einer Aufwandpauschale zur Verfügung stehen solle.

    Ich möchte Sie dringend bitten, dies in Ihrer weiteren Betrachtung zu trennen. Wenn der Gesetzgeber dieses Instrument der "sachl.-rechn. " Prüfung verankert (hätte), wäre dies eine inhaltliche und grundsätzliche Diskussion gewesen und hätte in die Abläufe der Kliniken übernommen werden müssen.
    Bitte heben Sie im weiteren bzgl. Ihrer Sicht auf die "massiven Anschuldigungen" auf den Umstand der Entscheidung eines einsamen Senates mit deren rückwirkenden großlächigen Anwendung durch die Kostenträger ab.

    In Analogie wäre hier auch die aktuelle Diskussion über die Problematik mit der geriatr. u. neurologischen Komplexpauschale zu nennen: auch hier geht es vorrangig um den Umstand, dass eine am Einzelfall getroffene BSG-Entscheidung von den Kostenträgern nicht nur prospektiv, sondern zunächst retrospektiv ausgelegt und verwendet wird. In Generalstabsmanier wurden Rückforderungen in 3stelliger Millionenhöhe für einen Umstand gestellt, der Kliniken quasi rückwirkend hellseherische Fähigkeiten abverlangt.

    Das heißt nicht, dass ab (!) jetzt nach entspr. Klarstellungen die Abrechnungen gemäß den angepassten OPS-Vorgaben und Klarstellungen erfolgen.

    geoff

  • Hallo zusammen,

    schaut beinah so aus, als wollte der scheidende Vorsitzende noch schnell den Schreibtisch für den Nachfolger leeren, eine inhaltliche Begründung kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Naja wer hat was anderes erwartet??? Ich nicht.

    Dann geht die fachlich nicht nachvollziehbare Rechtsprechung wohl so weiter. Prima!

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal

  • Hallo geoff,

    Mit den massiven Anschuldigungen meinte ich vorallem Äusserungen der DKG und einiger Gastkommentare, die dem BSG Verfassungsbruch bis hin zum Vorwurf eines „Staatsstreiches“ unterstellten, was ich damals schon für völlig überzogen und abwegig angesehen habe. Wie das BVerfG auch schreibt: Es geht nur ums Geld, nicht um hochrangige Verfassungsgüter

    Dass sich einzelne Kassen mit ebenfalls überzogenen Rückforderungen danach angreifbar gemacht haben, ist allerdings auch richtig.

    Urteile wirken immer rückwirkend, weil sie bereits abgeschlossene Fälle betreffen, und auch das ist nach diesem Urteil des BVerfG verfassungskonform. Die Auslegung juristischer Begriffe ( wie aktuell bei den Komplexbehandlungen) obliegt den Bundesgerichten und gilt dann eben rückwirkend für alle Fälle, in denen derselbe Begriff abrechnungsrelevant war.

    Wenn der Gesetzgeber dann zugunsten der KHS eingreift, wie in letzter Zeit mehrfach geschehen, ist das für mich genauso zu akzeptieren.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier