Neues vom BSG / LSG

  • Ambulant bedeutet per se "nicht stationär" schon alleine deshalb ist das Urteil falsch. Denn wenn ich einen Patienten in eine höhere oder andere Versorgungsstufe verlegen muss um dessen Leben zu retten, dann habe ich zu keinem Zeitpunkt eine ambulante Behandlung ins Auge gefasst.

    In Zukunft muss soll man sich wohl die Frage stellen, wie viel darf ein Menschenleben in einer Notaufnahme kosten, immer mit dem Damoklesschwert im Nacken, dass die Kosten hierfür nicht von den Kostenträgern bezahlt werden, weil man ambulant sterben könnte.

    Vergleiche mit der DRG Kostenkalkulation sind hier nicht angebracht. Ich erinnere da gerne an das Urteil gegen eine große Blaue Kasse, die zu unrecht gefordert hatte, dass man auch in einer Notaufnahme ambulant sterben könne weil es günstiger ist. Ob das Urteil heute nochmals so ausfallen würde?!?

    Man verlangt also in Zukunft seitens der Gerichte, dass sich Ärzte damit befassen, ob ein Patient der z.T. mit hohem Aufwand erstversorgt wird noch auf die Intensivstation schafft, denn nur dann ist er ja stationär, weil der physisch eingebunden ist. Ernsthaft? Zudem soll er in dieser kurzen Zeit einen 24 Behandlungsplan aufstellen. Ich kenne keine Definition des BSG was überhaupt ein Behandlungsplan ist?!?

    Das Gericht macht es sich da zu einfach und bedenkt nicht, welche Welle die Kostenträger nun auch gegen andere Patientenklientel, unabhängig einer Verlegung vorhalten werden. Wir werden wohl in den kommenden Wochen erhebliche moralische und ethisch fragwürdige Rechnungsabweisungen erhalten. Die erst wieder aufhören werden, wenn die obersten Richter die eigene Rechtsprechung aus der Vergangenheit wieder einfangen, siehe Beatmung, Entwöhnung etc....

    Fair wäre, das BSG hätte geurteilt, dass eine solcher Fall nicht stationär geführt werden darf, aber alle Kosten die über eine ambulante Pauschale hinaus nicht gedeckt wurden, von den Kostenträgern beglichen werden müssen.

    Dann wäre ein Schuh daraus geworden.

    Aus der Erfahrung kommen die Kostenträger häufig günstiger weg, wenn man eine stationäre Tagespauschale bezahlen würde.

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal

  • Hallo Ductus,

    Es tut mir leid, aber das Urteil per se hat nichts mit Kosten zu tun und es geht auch nicht darum, dass der Patient gestorben wäre oder gar, dass es zu teuer wäre, ihn stationär sterben zu lassen!

    Die Diskussion ums Geld ist für das BSG (und mich ) völlig nebensächlich. Es geht um alt bekannte Spielregeln, die für alle gelten, hier z.B. Aufnahmeentscheidung, Behandlungsplan und bezahlt wird nur, was dokumentiert ist.

    Ich stimme Ihnen ja zu, dass die ambulante Vergütung hier nicht ausreichend sein wird, erwarte dann aber auch, dass genauso anerkannt wird, dass andere Kostensplits ( wie z.B. für 15min mehr Beatmung aufschreiben) unangemessen hoch sind.

    Genauso funktioniert ein Fallpauschalensystem nunmal. Es dürfte Ihnen ja klar sein, dass Ihr Lösungsvorschlag für eine Einzelleistungsvergütung innerhalb der Rechtsnorm der GKV für das BSG gar nicht in Frage kommen konnte…

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Guten Morgen Herr Breitmeier,

    so wie Sie das schildern funktioniert das mit den Splits nicht, man kann nicht diesen einen Splitt der Beatmungsstunde auf alle anderen Pauschalen und Abrechnungen überstülpen. Das mag bestenfalls innerhalb dem selben DRG 3-Steller der Fall sein.

    Genauso wie es nicht funktioniert, dass die ugvd-Abschläge schon seit Jahren an die Rechtsprechung angepasst werden müssten.

    Es kann beim Grundgedanken der ugvd schon lange nicht mehr die Rede sein, dass die Legitimation noch wegen der bösen Kliniken in Bezug auf blutige Entlassung besteht.

    Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, wir werden sehen wie in den nächsten Wochen die Kassen einen Wettlauf um die stationäre Notwendigkeit im Bereich der teuren Stundenlieger in Hochform auflaufen werden....

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal

  • Hallo zusammen,

    um beim konkreten Beispiel zu bleiben. Herr Breitmeier sagt, dass nach Aufnahme-CT die Hirnblutung klar war und damit keine Aufnahme mehr statt fand, weil falsches Krankenhaus. Nun sagt das BSG (B 6 KA 5/12 R ) aber auch, dass Notfallversorgung nur einfachste Untersuchungen sind (und dazu zählt sicher nicht das CT).

    Der Notfalldienst ist - nur - auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet: Der Arzt darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären

    Damit ergeben sich zwei theoretische Konstruktionen:

    A) Vorstellung mit cerebraler Symptomatik - Aufnahme auf Stroke (mit Behandlungsplan) - Diagnostik - Blutung - Verlegung

    B) Vorstellung mit cerebraler Symptomatik - Diagnostik - Blutung - Verlegung

    Der Unterschied zwischen A und B ist, dass entsprechende Formulare ausgefüllt werden und Formalismen eingehalten werden. Der medizinische Ablauf ist identisch; der abrechnungstechnische Sachverhalt ist leider nicht identisch.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Breitmeier,

    Die Diskussion ums Geld ist für das BSG (und mich ) völlig nebensächlich.

    es geht meiner Ansicht nach nur ums Geld, sonst wäre auch nicht das BSG sondern der BGH zuständig.

    Es ist in Bezug auf die Behandlung und die entstehenden Kosten völlig unerheblich, ob ein Patient zunächst im Schockraum maximalversorgt wird (wie bereits von Herrn Merguet inhaltlich beschrieben), oder der Patient gleich auf Intensivstation gebracht wird und dies alles dort stattfindet.

    Die beschriebene Versorgung ist für mich eine eindeutige Krankenhausleistung (erfordert die Ressourcen eines Krankenhauses mit den entsprechenden Fachabteilungen und Intensiv-Behandlungsmöglichkeiten), die im ambulanten Bereich selbst in einem gut ausgestatteten Gesundheitszentrum nicht leistbar und genau deshalb auch nicht in der ambulanten Abrechnung (EBM) abbildbar sind.

    Der Behandlungsplan ist in einer solchen Notfallsituation zunächst einmal, dem Patienten das Leben zu retten und dies mit den Mitteln der Intensivversorgung zu erhalten. Wenn sich im Verlauf dieser Behandlung herausstellt, dass dafür mehr Ressourcen erforderlich sind, als das aktuelle Krankenhaus vorhält, wird sich zur Verlegung entschieden.

    Vielleicht war dies im aktuellen Fall nicht optimal dokumentiert oder es gab sonstige fallbezogene Gründe für das Gericht - hier müsste die Urteilsbegründung abgewartet werden - aber (so wie es sich aktuell letztlich anhört) die Vergütung allein an der Tatsache festzumachen, in welchem Raum die Versorgung stattfand und ob ein notfallbedingt impliziter Ablauf auch vorher als "Plan" festgehalten wurde, halte ich für nicht sachgerecht.

    Ich gebe Ihnen, Herr Breitmeier, zwar Recht, dass eine pauschale Vergütung nicht immer sachgerecht ist und sich dies ausgleicht. Das gilt jedoch nur innerhalb des Systems (hier: DRG), denn nur dies wird auch vom InEK betrachtet, dabei die entsprechenden Kosten berücksichtigt und im System verteilt. So entsteht der Ausgleich zwischen Über- und Untervergütung: die von Ihnen monierte Überbezahlung einzelner DRG-Leistungen wird durch durch Untervergütung anderer DRG-Leistungen im System (vielleicht nicht krankenhausindividuell, aber das ist nicht das Problem der Krankenversicherung) ausgeglichen.

    Die Verschiebung von intensiven Behandlungsleistungen (deren Personal- und Sachkosten überwiegend dem stationären Bereich zufallen und daher in die DRG-Kalkulation einfließen) in den ambulanten Bereich führt zu einer Schieflage im System.

    Schöne Grüße,

  • Hallo zusammen,

    Ich freue mich über die sachliche Diskussion hier!

    Ich habe den Eindruck, dass es schon jetzt durch die Verschiebung ambulanter Leistungen in den stationären Bereich ( AMbulante OP´s, Fehlbelegung aber auch die Überfüllung der ZNA mit Bagatellerkrankungen, weil einige Patient#innen nicht auf den hausärztlichen Notdienst warten wollen) zu einer „erheblichen Schieflage im System“ gekommen ist, aber das ist ohne Frage eine andere Geschichte…

    Der Hinweis von Herrn Schaffert, auf das ausformulierte Urteil zu warten, ist sicher richtig.

    Das Problem im hier strittigen Fall dürfte die Dokumentation sein, auch da sind wir uns einig.

    Ein anderes Problem ist aber, dass mutmasslich eben gerade kein intensivmedizinisches Personal der Klinik beteiligt war. Eine Stabilisierung des Patienten auch mittels Intubation und Beatmung gehört durchaus zu denjenigen Aufgaben und Tätigkeiten, die sogar im hausärztlichen Notdienst und der Wohnung des Patienten stattfinden können. Und damit „geht das notfalls auch ambulant“.

    Ich erwarte nicht, dass mir hierzu jetzt viele Diskutanten zustimmen werden, aber so kann man vielleicht auch andere Sichtweisen verstehen ( ertragen).

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier,

    ich glaube nicht, dass ein Schockraum-Alarm mit den dazu erforderlichen personellen Kräften mit einer Notfall-Intubation im hausärztlichen Notdienst gleichzusetzen ist. Alleine die Anzahl der Personen übersteigt die des im Normalfall allein tätigen Hausarztes (gegebenenfalls zusätzlich Rettungsdienst) um ein mehrfaches. In den Kliniken die ich kenne, wird zur Verstärkung des Personals imSchockraum intensivmedizinisches Personal mit hinzugezogen. Um die entsprechenden Erlöse aus solchen Behandlungen zu sichern, werden etliche Kliniken dazu übergehen, solche Patienten nicht mehr im Schockraum sondern auf der Intensivstation zu versorgen. Dass dies nicht unbedingt ein Vorteil für den Patienten ist, da die diagnostischen Wege länger sind, kann nur vermutet werden. Aber wenn es die Formalien so wollen und Intensivmedizin nur da stattfindet wo Intensivmedizin auf dem Türschild draufsteht dann ist das wohl so.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Breitmeier,

    ... Eine Stabilisierung des Patienten auch mittels Intubation und Beatmung gehört durchaus zu denjenigen Aufgaben und Tätigkeiten, die sogar im hausärztlichen Notdienst und der Wohnung des Patienten stattfinden können. Und damit „geht das notfalls auch ambulant“.

    Was doch so alles möglich ist?

    Ich erwarte nicht, dass mir hierzu jetzt viele Diskutanten zustimmen werden, ...

    Das sehen Sie richtig.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo,

    beim lesen hier kam mir der Gedanke, dass hier eventuell hinterrücks im besten Falle eine (meiner Meinung nach Fehl-) Entscheidung zur Entlastung der KH-Notaufnahmen geplant war, aber an der Realität dtl. vorbei geht?

    (Zuerst: natürlich halte ich eine Schockraumbehandlung für stationär abrechnungsfähig!)

    Nun der Punkt: soll vielleicht die strikte ambulante Abrechnung der Notaufnahmefälle in KH dazu führen das mehr KV-Geld an die KH fließt, dadurch die ambulant tätigen Ärzte dann am kleineren Gehaltsteil merken: ups vielleicht doch etwas mehr ambulant realisieren und nicht gleich einweisen (nicht falsch verstehen die machen sehr viel und sehr gut, ich habe Respekt vor der Arbeit - dennoch teils nicht nachvollziehbare Einweisungen oder "Rettungsdienste als PrivatTaxi 24h zur Vollversorgung" (Cave: sofern denn ambulante Abklärung wenn sie ausreichen würde, überhaupt zeitnah möglich wären?! Muss die KV evtl. dafür dann auch mehr Vorraussetzungen zu deren Machbarkeit schaffen? - wiederum Eigeninterressen einiger ambulanten Ärzte? )...

    sprich wieder mal keine offene Diskussion und Entscheidungen der Politik/Verantwortlichen sondern Versuch Selbstregulierung auf dem Rücken der Basis?...

    MfG

    rokka