Neues vom BSG / LSG

  • Guten Tag,

    als weitere Rechtsfrage wird sich das BSG zu der Thematik reanimiert und verstorben in der Notaufnahme äussern.

    https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Rec…KR_34_21_R.html

    Der Patient wurde vorliegend unter Reanimationsbedingungen mit Kammerflimmern ins Krankenhaus eingeliefert und verstarb nach drei Minuten im Schockraum. Streitgegenstand ist die Frage, ob in diesem Fall eine stationäre Behandlung angenommen werden kann.

    Am 09.07.2020 hat das LSG Rheinland-Pfalz ein Urteil des SG Speyer aufgehoben, das besagte, dass eine kurzfristige, wenige Minuten andauernde, erfolglose Reanimation als ambulante Leistung durch eine Krankenkasse abgerechnet werden müsse, weil die Kriterien für eine stationäre Krankenhausbehandlung nicht gegeben gewesen seien.

    Eine Behandlung sei jedoch nicht alleine deshalb als ambulant zu qualifizieren, weil der Tod des Patienten bereits im Schockraum eintrat. So sei auch bei Tod des Patienten drei Minuten nach Einlieferung nicht automatisch ausgeschlossen, dass eine stationäre Behandlung vorliegt. Stand bei Einlieferung fest, dass es sich um einen Notfall handelt, der eine stationäre Behandlung erfordert, sei auch bei Tod des Versicherten kurz nach Einlieferung eine stationäre Behandlung gegeben. Eine einmal erfolgte physische und organisatorische Eingliederung in das Krankenhaus könne nicht rückwirkend durch den Tod des Patienten wieder entfallen.

    Wetten werden angenommen.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Wie Herr Horndasch schon geschrieben hat, wird sich das BSG damit befassen, also noch nicht rechtskräftig.

    Ich hab mir mal den Luxus einer genaueren Betrachtung des Falls gegönnt, und wie so oft, stellt es sich dann nicht so plakativ einfach dar: In diesem Fall könnte es gut sein, dass die Kasse nicht nur Recht bekommt, sondern tatsächlich auch Recht hat.

    "Unter Reanimation verstorben" ist ja gleichbedeutend mit "Reanimation eingestellt" (Todeszeitpunkt = Zeitpunkt der Reanimations-Einstellung). Wahrscheinlichster Ablauf: Patient wird in den Schockraum gefahren , Notarzt macht Übergabe (Patient war zu diesem Zeitpunkt bereits 90 Minuten präklinisch reanimiert und lysiert worden und war mittlerweile asystol) und der Klinikarzt entscheidet sich gegen eine Fortsetzung der Reanimation. Das klingt doch alles sehr nach "aussichtslos, das fangen wir gar nicht erst an" (= "den nehmen wir gar nicht erst auf"). Das käme mit den 3 Minuten ungefähr hin.

    Dass man sich mit vollem Elan in den Fall gestürzt hat (ja, den nehmen wir auf und retten ihn) und nach 3 Minuten anders entscheidet, wäre doch sehr ungewöhnlich - vielleicht, wenn die Ehefrau mit der Patientenverfügung zur Tür reinkam, aber das dürfte doch eher unwahrscheinlich sein (zumal im Sachverhalt dazu nichts steht).

    Dass das komplette Empfangskommittee (inklusive Intensiv, HK-Labor u.s.w.) involviert war, ist für die Klinik natürlich unschön, aber kann kein Kriterium für die Aufnahme sein, denn das wurde ja mit Sicherheit schon nach der telefonischen Anmeldung veranlasst - und der Anruf von der Rettungsleitstelle ist sicherlich kein Kriterium für die stationärer Aufnahme.

  • Hallo,

    aber nicht aufgenommen hieße doch keine Fallunterlagen Schockraum, keine Organisation für den Verstorbenen(Kühlhalle, Betreuung/Beratung Angehöriger, etc.), Nichtaufnahme hätte geheißen NA stellt Tod fest: vor der KH-Tür...eigentlich wieder zurück in RTW und an entsprechende Stelle liefern/versorgen...(klingt böse, sorry). Habe noch nicht gehört dass ein Verstorbener mit RTW zu einem ambulanten Arzt gebracht wurde um den Tod festzustellen.

    Warum kann das pauschale System in solchen, eigentlich wenigen, Fällen nicht einfach zugunsten des KH gelten. Aufwand hatten die Kollegen ja auch trotz des Versterbens genügend.

    MfG

    rokka

  • Hallo rokka,

    wieso bedeutet bei Ihnen (im System) aufgenommen = vollstationär? Sie können doch einen Patienten als ambulanten Notfall administrieren, auch eine Abrechnung (die sicher nicht so hoch ist wie eine vollstationäre Vergütung) ist hier dann möglich. Es gibt auch EBM-Ziffern für Reanimation, Labor usw. In einigen Bundesländern gilt das NEF-Protokoll wie eine Einweisung, also wäre hier auch eine vorstationäre Abrechnung möglich.

    Die Leichenschau und Ausstellung eines Totenscheines ist eh privat mit den Angehörigen abzurechnen, ob Sie eine Gebühr für die Kühlung verlangen muss Ihr Haus entscheiden.

    Ich stimme da mit MDK-Opfer überein, sehr anschaulich beschrieben.

    Gruß

    zakspeed

  • Guten Tag,

    und wieder verschiebt sich dann die Grenze. 3 Minuten? 27? 54? Zwischendurch mit eigenem Kreislauf oder Rhythmus, mechanische oder manuelle Reanimation? Wie lange?

    remember: Ambulare (lat.): umherwandeln....

    Gruß

    merguet

    Einmal editiert, zuletzt von merguet (20. Oktober 2021 um 07:52)

  • Wenn ich nicht ganz falsch liege, liegt laut BSG-Entscheidung die Verantwortung für die Aufnahme-Entscheidung beim aufnehmenden Krankenhausarzt - und da scheint es mir einfach nicht realistisch, dass der Kollege sich für die Aufnahme entschieden und es sich dann innerhalb von drei Minuten anders überlegt hat.

  • Guten Tag,

    das BSG hat sich mal wider positioniert und was neues in die Thematik PrüfvV eingeführt:

    An diese Obliegenheit dürfen jedoch keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Mehr als eine kursorische Durchsicht der nicht angeforderten Behandlungsunterlagen daraufhin, ob diese für die Erfüllung des Prüfauftrags ersichtlich relevant sein können, kann vom Krankenhaus regelmäßig nicht erwartet werden.

    Bei Prüfaufträgen, die punktuell auf einzelne konkrete Fragestellungen beschränkt sind, kann vom Krankenhaus gegebenenfalls auch eine genauere Durchsicht der hierfür in Betracht kommenden Unterlagen verlangt werden.

    Der Prüfauftrag des MDK war auf die Prüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausaufnahme beschränkt. Die Relevanz der

    Krankenhauseinweisung für diesen Prüfauftrag war für das Krankenhaus auch bei kursorischer Durchsicht der Behandlungsunterlagen ohne weiteres erkennbar.

    Also alles klar - Oder?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,

    der Terminbericht ist interessant:

    • " Die Berechtigung zur Aufrechnung setzt insbesondere voraus, dass das Prüfverfahren vor April 2018 noch nicht durch Mitteilung einer abschließenden Entscheidung durch die KK abgeschlossen war (vgl § 8 PrüfvV 2014). Aus einer solchen Entscheidung muss klar zum Ausdruck kommen, dass die KK die Prüfung als abgeschlossen ansieht und auf den weiteren Lauf der für die abschließende Entscheidung geltenden Neun-Monats-Frist nach § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 verzichtet. "

    § 8 PrüfvV 2014:

    • "Die Krankenkasse hat dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen." (Hervorhebung durch Verfasser)

    Anlage 2 zu § 301-Vereinbarung:

    • "Entscheidung der Krankenkasse nach MD-Gutachten (§ 8 PrüfvV) […] MDK01

    Gibt es da vorläufig abschließende Entscheidungen nach § 8 PrüfvV??

    Viele Grüße

    M2

  • Hallo,

    das ist eine interessante Entscheidung des BSG vom 10.11.2021 - B 1 KR 39/20 R:

    Wenn ich das richtig verstehe, limitiert das BSG bei einem vom MD geprüften Fall die Möglichkeit der Krankenkasse zur Aufrechnung überhaupt auf die in der PrüfvV geregelten Fristen.

    Allerdings findet sich eine seltsame Berechnung der Frist zur abschließenden Leistungsmitteilung. Nach der Urteilsbegründung hatte das KH in Umsetzung des MDK-Gutachtens eine Rechnungsänderung vorgenommen. Es handelte sich nicht um eine Rechnungsänderung auf der Grundlage von § 7 Abs. 5 S. 2 oder S. 3 PrüfvV (2014) (primäre Änderung im Rahmen des Prüfverfahrens oder bei Erweiterung des Prüfanlasses) .

    Daraus wird vom BSG eine Verlängerung der Frst zur abschließenden Leistungsmtteilung der KK gemäß § 8 Abs. 3 PrüfvV konstatiert!?

    Verstehe ich das falsch oder ist das eine Frist von hinten durch die Brust ins Auge?

    Viele Grüße

    M2